Tote in Athen – Merkel: Europa am Scheideweg

Bei einem Brandanschlag im Zentrum der griechischen Hauptstadt kamen am Mittwoch drei Menschen ums Leben. Nach Angaben von Polizei und Feuerwehr starben sie in einer Bank, die von vermummten Randalierern mit Brandsätzen angezündet worden war. Allein in Athen demonstrierten mehr als 100.000 Menschen gegen das drastische Sparprogramm der Regierung. Hunderte Autonome und wütende Demonstranten versuchten, das Parlamentsgebäude zu stürmen. Die Polizei setzte Tränengas ein. Menschen flohen in Panik. Auch in Thessaloniki und anderen Städten des Landes gingen tausende Menschen auf die Strasse. Dort kam es ebenfalls zu Ausschreitungen.


Abstimmung am Donnerstag
Am Donnerstag will das Parlament in Athen über das Sparpaket abstimmen, das Bedingung ist für die Hilfen von Internationalem Währungsfonds (IWF) und der Euroländer in Höhe von 110 Milliarden Euro bis 2012.


Merkel: Euro schützen
In einer Regierungserklärung im Bundestag forderte Merkel radikale Konsequenzen aus der Krise. Notorische Schuldensünder sollten zeitweise ihr Stimmrecht verlieren oder keine EU-Hilfen mehr bekommen. «Wir schützen unsere Währung, wenn wir handeln.» Über eine Reform des Euro-Pakts beraten die Staats- und Regierungschefs der EU am Freitag auf einem Sondergipfel in Brüssel.


Keine Ruhe an den Märkten
An den Finanzmärkten kehrte trotz des 110-Milliarden-Programms für Griechenland keine Ruhe ein. Der deutsche Leitindex Dax notierte unter der 6000-Punkte-Marke. Der Euro rutschte unter 1,30 US-Dollar auf ein Jahrestief. Seit Wochenbeginn verlor die Gemeinschaftswährung zum Dollar vier Cent.


Auch Portugal droht Herabstufung
Die US-Ratingagentur Moody’s drohte Portugal mit einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit. Dies hatte die Agentur Standard & Poor’s schon Ende April gemacht – und auch Griechenland und Spanien abgestraft. Sinken die Noten, müssen die Staaten höhere Zinsen für frisches Geld zahlen – und die Börsen könnten nervös reagieren.


S&P: Rettungspaket für Griechenland nur Verschnaufpause
Die aktuellen Rettungsbemühungen für Griechenland beurteilt man bei Standard & Poor’s mit Skepsis. «Das Rettungspaket von EU und IWF ist nicht die Lösung», sagte Moritz Kraemer, der bei S&P das Team für die Bonitätsbewertungen europäischer Staaten leitet, der ZEIT (Ausgabe 6. Mai) laut einer Vorabmeldung. «Das wird in der öffentlichen Diskussion häufig verwechselt: Jetzt haben wir 110 Milliarden Euro, jetzt ist der Fall Griechenland gelöst. Das ist mitnichten so. Es bringt nur eine Verschnaufpause.»


Bürger vom Sparprogramm überzeugen
Die Regierung in Athen müsse «dieses Zeitfenster jetzt nutzen, sehr engagiert zur Sache gehen und schon bald erste Erfolge vorweisen». Dann könne sie auch wieder Geld am Kapitalmarkt aufnehmen. Dafür müsse sie aber die Bürger von ihrem Sparprogramm überzeugen. «Ein Problem ist, dass Griechenland in seiner jüngsten Geschichte kein Beispiel dafür liefert, solch ein massives Programm umsetzen zu können. Die Märkte haben diesbezüglich natürlich Zweifel», sagte Kraemer. «Die haben wir auch.»


Statistik spricht gegen Pleite
Vergangene Woche hatte S&P für Aufsehen gesorgt, als es das Rating für Griechenland um drei Stufen gesenkt hatte. Die Aufregung darüber sei aber weniger S&P als der Nervosität der Märkte geschuldet, sagte Kraemer. Diese seien «schon seit Monaten wesentlich pessimistischer als wir» und gingen «mit einer relativ hohen Wahrscheinlichkeit von einer Umschuldung aus». S&P tue das nicht. Historisch betrachtet, so Kraemer, gingen Staaten in der Rating-Kategorie Griechenlands nur in 14 Prozent aller Fälle binnen zehn Jahren pleite.  (awp/mc/ps/pg/04)

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