UBS-Ehrenpräsident Senn kritisiert Führung der Grossbank scharf

«Die UBS-Führung ist heute so breit aufgestellt, dass die obersten Kaderleute zu oft nur am Schreibtisch sitzen, statt rauszugehen und persönlich zu schauen», sagte Senn in einem Interview mit dem «Magazin» (Ausgabe 23.01). Wer für ein so grosses Unternehmen verantwortlich sei, müsse schauen, ob die Spitzen der rund 2000 Filialen gut besetzt seien. «Das wurde unterschätzt», sagte Senn. Zudem habe die UBS jede Region mit einem eigenen CEO (Geschäftsführer) versehen. «Das ist gefährlich, speziell bei der Mentalität der Amerikaner. Ein Amerikaner, der Chief Executive Officer wird, hat das Gefühl, er sei Chef und nicht irgendeiner in Zürich», sagte Senn.


«Zügel zu locker gelassen»
Und dann mache er, was er für richtig halte. «Er schaut dazu, dass sein Bonus möglichst hoch wird und geht dafür auch hohe Risiken ein», sagte Senn. In den USA komme am meisten Geld zusammen. In so einer Situation müsse man sehr genau hinsehen, wer dort führe. «Da ist aus meiner Sicht ein Fehler passiert. Man hat meines Erachtens in der Zentrale die Zügel zu locker gelassen.» Die hochriskante Situation auf dem US-Immobilienmarkt sei nicht rechtzeitig erkannt worden. UBS-Präsident Ospel hätte am Fernsehen vor das Publikum treten und den Fehler der UBS eingestehen müssen, sagte Senn. Ospel habe aber erst nach vielen Angriffen eine Mitteilung an die Öffentlichkeit geschrieben und sich einem Interview gestellt. «Das war einen Monat zu spät», sagte Senn.


«Ospel politisch zu wenig interessiert»
Zudem warf der 82-Jährige Ospel vor, politisch zu wenig interessiert zu sein. «Nennen Sie mir führende Leute bei der UBS, die unsere Politiker kennen. Nennen Sie mir einen, der im Dauergespräch mit unseren Bundesräten ist, sich mit ihnen absprechen kann, wenn etwas ist.» Die Forderung, die aktuelle Führung auszutauschen sei zwar verständlich. «Aber gescheit ist das nur, wenn an ihrer Stelle bessere Köpfe da sind», sagte Senn: Und das sei nicht der Fall. «Wenn sie heute statt Marcel Ospel jemanden von aussen nehmen, dann kommt das nicht gut, weil ein Aussenstehender dieses komplexe System UBS gar nicht verstehen kann», sagte Senn. Er würde zwei bis drei Jahre brauchen, bis er sich orientieren könne.


«Erst auslöffeln, was eingebrockt ist»
Deshalb müsse Ospel noch zwei bis drei Jahre bleiben. Er müsse in dieser Zeit aus der Grossbank heraus für Nachwuchs an guten Leuten sorgen, sagte Senn. Dann werde Ospel gerne gehen. «Aber jetzt will er erst auslöffeln, was eingebrockt ist, weil kein anderer da ist, und er bereit ist, die Verantwortung zu übernehmen», sagte Senn. Die geplante Kapitalerhöhung über 13 Mrd CHF durch die zwei Investoren aus Asien sei eine hervorragende Lösung unter den gegebenen Bedingungen, sagte Senn: Die Kapitalspritze «muss schnell kommen und könnte so rasch nicht von den bisherigen Aktionären erbracht werden», sagte Senn. Falls jedoch wacklige Aktionäre an der ausserordentlichen Generalversammlung vom nächsten Mittwoch dafür sorgen sollten, dass Singapur sich zurückziehe, «werden sie sich in den eigenen Fuss schiessen». (awp/mc/ps)

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