Überraschender Vorstoss zu Finanzmarktsteuer spaltet G20

«Das ist nichts, zu dessen Unterstützung wir bereit wären», sagte US-Finanzminister Timothy Geithner am Samstag nach einem Treffen der Finanzpolitiker der wichtigsten Wirtschaftsnationen und Schwellenländer (G20) im schottischen St. Andrews. Damit stellte sich Geithner auch gegen die Linie der Bundesregierung, die bisher für eine solche Steuer plädiert hatte.


Kurswechsel
Browns Vorschlag beim Treffen der G20-Finanzminister und Notenbankchefs war ein Kurswechsel in der Londoner Finanzpolitik. Er forderte, Banken bei der Bewältigung der Krisenlasten stärker zur Kasse zu bitten und sprach sich erstmals deutlich für eine globale Besteuerung von Finanzgeschäften von Banken, Versicherungen und Investmentfonds aus. London war wegen der Bedeutung seiner Finanzwirtschaft bisher skeptisch gegenüber solchen Abgaben, die internationale Staatengemeinschaft hatte der Labour-Regierung mehrfach eine Blockade wichtiger Finanzreformen vorgeworfen.


Vielstimmiger Widerspruch
Der Widerspruch zu Browns Vorschlag war vielstimmig. «Mit dieser Idee beschäftigen wir uns nicht», sagte Kanadas Finanzminister Jim Flaherty. Auch IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn hielt eine Umsetzung für unwahrscheinlich. Andere Töne kamen vom neuen Bundesfinanzminister. Wolfgang Schäuble (CDU) sprach nach seinem ersten internationalen Auftritt im neuen Amt von «beachtlichen Fortschritten». Schon Bundeskanzlerin Angela Merkel und sein Vorgänger Peer Steinbrück (SPD) hätten sich für eine solche Steuer eingesetzt. Auf dem Weltfinanzgipfel Ende September in Pittsburgh hatten die G20 beschlossen, Möglichkeiten und Instrumente auszuloten, wie die mit Staats-Milliarden massiv gestützte Finanzwirtschaft am Abbau der ungeheuren Krisenlasten stärker beteiligt werden könnte.


«Neuer Wirtschafts- und Sozialvertrag»
Brown mahnte einen neuen «Wirtschafts- und Sozialvertrag» zwischen Banken und der Öffentlichkeit an. Nach den Milliardenhilfen für die taumelnde Finanzwelt aus Steuermitteln müsse künftig eine gerechte Verteilung zwischen Risiken und Gegenleistungen sichergestellt sein. Steuerzahler dürften nicht mehr für die Fehler der Banker zu Kasse gebeten werden. «Es ist nicht hinnehmbar, dass der Erfolg in diesem Sektor von wenigen eingeheimst wird, die Kosten für Versagen aber uns allen aufgebürdet werden», sagte Brown vor den G20-Ministern. Bausteine könnten die weltweite Steuer auf Finanztransaktionen, eine Versicherungsgebühr oder neue Regeln zum Grundkapital der Banken sein. Solche Regeln müssten für alle Finanzzentren der Welt gelten. Einen Alleingang schloss Brown aus. «Grossbritannien wird sich nicht bewegen, solange die anderen nicht mitmachen», stellte er klar.


Krisenprogramme: Warnung vor zu frühem Ausstieg
Auch Merkel hatte Ende September erklärt, eine Finanzmarktsteuer könne nur international durchgesetzt werden. Bundespräsident Horst Köhler hatte die neue Regierung aus Union und FDP aufgerufen, sich für eine Abgabe auf internationale Finanztransaktionen einzusetzen. Die FDP hatte sie bisher allerdings als falsches Signal abgelehnt. Brown und Geithner warnten erneut vor einem verfrühten Ausstieg aus den staatlichen Krisenprogrammen. Dies würde Wirtschaft, Arbeitsmärkte und Haushalte noch mehr belasten. Schäuble sagte, es sei Konsens, dass es kein einheitliches Datum für einen Ausstieg gebe. Bundesbank-Präsident Axel Weber sagte: «Die Erholung der Weltwirtschaft macht Fortschritte, und zwar in allen Bereichen.» Es gebe jedoch weiter Risiken und ein von Land zu Land sehr unterschiedliches Tempo.


Vom Krisenmanagement zur nachhaltigen Wachstumspolitik 
Die durch die Turbulenzen gestärkte G20 will vom Krisenmanagement zu einer nachhaltigen und ausgewogenen Wachstumspolitik übergehen. Bis zu einer wirtschaftlichen Gesundung sollen die Massnahmen zur Stützung der Konjunktur und Finanzmärkte allerdings fortgesetzt werden, heisst es in der G20-Abschlusserklärung. Bis Ende Januar 2010 sollen nationale Rahmenpläne ausgearbeitet und den G20-Partnern sowie dem Internationalen Währungsfonds vorgelegt werden. (awp/mc/ps/13)

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