Sehr gesprächig zeigte sich einer der Hauptangeklagten, der Chef der Firma Miranda, die Metall poliert, bei seiner Befragung. Nach seinen Angaben hatte ihn Jaquet während des Prozesses kontaktiert und aufgefordert, er solle vor Gericht sagen, dass die bei der Firma RSM gestohlenen 60 Kilogramm Gold und die rund zehn Kilogramm Platin nicht bei ihm, Jaquet, gelandet seien. Weiter solle er aussagen, der Organisator des Diebstahls habe die Beute immer noch in seinem Auto gehabt, als er am Tag nach dem Einbruch bei der Firma Miranda vorbeikam. Der Organisator des Coups, der Hauptangeklagte, hatte immer gesagt, die Beute sei dem Uhrenindustriellen noch am selben Abend des Einbruchs gegeben worden.
Miranda-Chef als Vermittler
Mit den Nerven am Ende, sagte der Miranda-Chef weiter, er habe am letzten Samstag den Vermittler gespielt zwischen Jaquet und dem Organisator des Einbruchs. Dabei sei es um die Frage gegangen, ob eine Vereinbarung möglich sei. Der Organisator des Einbruchs bestätigte diese Aussage und erklärte, er habe den Vorschlag kategorisch abgelehnt. Im Bewusstsein, eine hohe Strafe zu erhalten und alles verloren zu haben, sagte er, er wolle nichts mehr mit Jaquet zu tun haben. Nach diesen Erklärungen verlor Jaquet seine stoische Ruhe. Er wandte sich direkt an den Chef von Miranda und warf ihm vor, «dummes Zeug», («n’importe quoi») zu erzählen, um sich von Delikten weisszuwaschen, bei denen er eine wichtige Rolle gespielt habe.
Er sehe, es werde viel geredet zwischen den Gerichtsverhandlungen, stellte der Richter fest. Er forderte den Chef von Miranda auf, nichts mehr zu verbergen, was er wisse.
Grösster Skandal der Schweizer Uhrenindustrie
In dem Verfahren sitzen insgesamt 15 Personen auf der Anklagebank. Ihnen wird in unterschiedlichem Umfang Diebstahl, Hehlerei und Fälschung vorgeworfen. Vom 1. September bis am 3. Oktober wird in Neuenburg über den grössten Skandal verhandelt, den die Schweizer Uhrenindustrie je erlebt hat. Die 15’000 Seiten Untersuchungsunterlagen füllen 80 Ordner.
Uhrwerk-Bestandteile gestohlen und verkauft?
Die meisten Taten werden bestritten. Zusammen sollen die Angeklagten unter anderem Bestandteile von Uhrwerken gestohlen und verkauft haben. Aus diesen hochwertigen Originalteilen und gefälschten Komponenten setzten sie falsche Markenuhren zusammen und verkauften diese. Auch sollen sie echte Uhren gestohlen und weiterverkauft haben. Ausserdem sollen sie Uhrengold gestohlen und über Hehler verkauft haben. Insbesondere werden den Angeklagten zwei Raubüberfälle auf Goldtransporte der Firmen Rolex und RSM Décolletage vorgeworfen.
Ins Rollen gekommen war das Verfahren, als im Herbst 2003 der Uhrenindustrielle Jaquet wegen Verdachts auf bandenmässigen Raub, Anstiftung zum Raub, Hehlerei und Warenfälschung verhaftet wurde. Die Ermittlungen förderten jedoch noch eine Reihe weiterer Delikte und zahlreiche weitere Verdächtige zu Tage. (awp/mc/pg/33)