Ulrich Graf, Verwaltungsratspräsident Kaba Holding AG: «Unser Aktienkurs müsste deutlich über 500 Franken liegen»


Moneycab: Herr Graf, Sie haben rund 16 Jahre die Geschicke der Kaba als Vorsitzender der Geschäftsleitung bestimmt und letztes Jahr gegen das Mandat des VRP’s eingetauscht. Ist Ihnen dieser Schritt nicht schwer gefallen?


Ulrich Graf: Es ist mir nicht schwer gefallen, weil ich meinen Rücktritt langfristig geplant habe und überzeugt bin, dass nachhaltiger Erfolg nur mit langfristigen harmonischen Nachfolgeregelungen im Topmanagement geschafft werden können.
Ich fühle mich gut, weil ich eine der wichtigen Aufgaben einer Führungskraft – die eigene Nachfolge zu regeln – erfolgreich umgesetzt habe. Es sind genügend Beispiele bekannt, bei denen sich erfolgreiche Unternehmer das Recht herausgenommen haben, das eigene Werk wieder zu zerstören, weil sie ihre Nachfolge nicht regeln konnten.


Nachdem Kaba letztes Jahr nach den Akquisitionen der CSS sowie der Wah Yuet hochgejubelt wurde, haben sich die Finanzgemeinde sowie die Medien nach der Bekanntgabe der Zahlen für das erste Semester 2006/2007 enttäuscht gezeigt. Ärgert Sie das?


Im Vergleich mit andern Titeln kann aus meiner Sicht von Hochjubeln in diesem Zeitraum keine Rede sein. Ich würde dies als einen längst fälligen moderaten Anstieg bezeichnen. Die Reaktion der Finanzgemeinde war eigentlich zu erwarten und hat mehrere Gründe. Ein Teil des Rückgangs von -12.5% ist durch die Sippenhaft an der Börse begründet. Der Minibörsencrash hätte den Kurs der Kaba-Aktie auch ohne die «Enttäuschung der Finanzgemeinde» um 5 -10% nach unten korrigiert, wie alle andern Titel auch (Geberit -12%; GF -5%; Kudelski -14%; Schindler -12%; Rieter -12% usw.).
Der andere Teil ist durch eine Fehlinterpretation des Halbjahrresultates und einer im Vorfeld hochgejubelten Erwartungshaltung der Finanzgemeinde zu suchen. Zufriedenheit tritt dann ein, wenn die eigene Erwartungshaltung übertroffen wird. Warum nicht einmal die Erwartungshaltung vernünftig ansetzen, so wie es von Kaba kommuniziert wurde. Dann müsste sich die Finanzgemeinde nicht von der selber verursachten Täuschung enttäuschen. Kaba hat das beste je erzielte Halbjahr Resultat mit 20% Gewinnwachstum und 16% Umsatzwachstum (6% akquisitions- und währungsbereinigt) erreicht und alle selber kommunizierten Prognosen von mindestens 4% organischem Wachstum und mindestens 10% Gewinnwachstum weit übertroffen.
Die Fehlinterpretation des Halbjahrresultates liegt meines Erachtens darin begründet, dass die Finanzgemeinde noch nicht gewohnt ist, mit dem von IFRS verlangten Purchase Price Accounting im Zusammenhang mit Akquisitionen umzugehen. Dazu nur soviel: Kaba hätte vor der Einführung der IFRS Goodwillbehandlung einen Gewinnanstieg von 30% ausweisen können. IFRS verbietet sinnigerweise bei der Darstellung der Erfolgsrechnung, dass eine EBITDA Zeile gezeigt wird. Das EBITDA zeigt die effektive durch Purchase Price Accounting nicht verfälschte operative Ertragskraft. Diese ist bei Kaba sowohl absolut als auch prozentual gestiegen. Purchase Price Accounting verursacht eine theoretische erhebliche Teilamortisation des Goodwills, welche in den ersten Jahren nach einer Akquisition wesentlich höhere Amortisationsquoten verursacht als die frühere Goodwillabschreibung über 20 bis 30 Jahre. Auf den Cashflow haben diese Abschreibungen keinen Einfluss. Das Geld haben wir in der Tasche.


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Der Kurs der Kaba-Aktie liegt derzeit unter 350 Franken, nachdem er im Februar zu einem Höhenflug von über 400 Franken angesetzt hatte. Wo müsste er Ihres Erachtens liegen?


Meines Erachtens müsste der Kurs längst wieder deutlich über 500 Franken liegen.


Da drängt sich die Frage auf, warum er nicht dort liegt.


Dies hat mehrere Gründe:
1. Der Sicherheitssektor hat seit dem letzten Börsenhoch Ende 2000 viel von seinem Zauber bei Investoren eingebüsst. Damals hatte unser Hauptkonkurrent Assa Abloy ein Gegenwarts Kurs/Gewinn-Verhältnis von über 80 und Kaba von über 40. Die in den Sicherheitssektor gesteckten Erwartungen der Investoren haben sich nicht erfüllt und haben zu einer Korrektur des Kurs/Gewinn-Verhältnisses geführt. Sowohl Assa wie Kaba liegen heute beim Gegenwartswert im Bereich von 18 bis 24. Dieser Wert liegt zum Teil weit unter dem Durchschnitt von zyklischen Industriefirmen, welche sich in der Wachstumsphase des Zyklus befinden.
2. Kaba ist kein Zykliker. Bei schlechter Konjunktur geht’s trotz guter Resultate infolge der Börsensippenhaft mit allen andern runter und bei guter Konjunktur kann Kaba nicht im selben Ausmass profitieren, weil die Resultate zwar auch besser werden, aber relativ zu den guten Resultaten bei schlechter Konjunktur nicht soviel besser wie bei den zyklischen Börsenteilnehmern.
3. Es gab nie Übernahmegerüchte, weil die Familie nach wie vor hinter Kaba steht und an eine weitere positive nachhaltige Entwicklung glaubt.
4. Es mag seltsam klingen, aber wir haben das falsche Geschäftsjahr. Bei uns ist das zweite Halbjahr ist immer schlechter als das erste. Wird das kommuniziert, dann wird das negativ interpretiert, auch dann, wenn das ganze Geschäftsjahr ein kräftiges Wachstum erwarten lässt.
5. Der Prophet gilt nichts im eigenen Land. Es ist uns bis heute nicht gelungen, genügend schweizerische institutionelle Anleger von der langfristigen Attraktivität der Kaba Aktien zu überzeugen.


Weshalb können denn die institutionellen Anleger nicht überzeugt werden?


Das haben wir bis heute nicht herausgefunden. Wir arbeiten daran.


Die Strategie der Kaba heisst «Total Access». Damit deckt sie die Felder umfassende mechanische Schliesstechnik, elektronische Zutrittskontrolle und Datenerfassung, Türsysteme ab. Bleibt es weiterhin bei dieser Ausrichtung, oder wäre auch eine Anpassung oder gar ein Richtungswechsel möglich?


Daran werden wir vorläufig nichts ändern. Wir haben im Verwaltungsrat vor etwa drei Jahren beschlossen, dass wir uns weiterhin auf das strategische Geschäftsfeld Total Access konzentrieren und keine weiteren Diversifikationen wie zum Beispiel andere Gewerke des intelligenten Gebäudes ins Auge fassen wollen.


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Betreffend Technologie: Es ist ja so, dass die Software einen immer stärkeren Einfluss auf die Hardware hat. Ist man in dieser Hinsicht richtig positioniert oder werden künftige Akquisitionen eher in diese Richtung zielen?


Da stimme ich Ihnen zu. Die Software, sprich Applikationssoftware wird immer wichtiger. Kaba besitzt ein ausgereiftes Zutrittskontroll- und Datenerfassungssystem, mit welchem alle denkbaren Kundenanforderungen abgedeckt werden können. Dabei macht die Software etwa 70% des Kaba EXOS Systems aus. Schnittstellen zu allen gängigen CCTV-, Alarm-, Gebäudeautomationssystemen und ERP-Systemen müssen beherrscht werden. Das Kaba EXOS-System hat zertifizierte Schnittstellen zu allen gängigen ERP-Systemen, wie SAP, Oracle, Peoplesoft, Baan uam.
Kaba hat früh erkannt, dass der Kaufentscheid für Zutritt- und Datenerfassung nicht mehr allein in den Liegenschafts- und Sicherheitsdiensten sowie Personlabteilungen getroffen wird. Heute redet die Informatikabteilung unserer Kunden dominant mit.


Dann würde man also bei einer Akquisition in diese Richtung gehen?


Falls wir eine Softwarefirma finden würden, welche eine unsere Software ergänzende Applikation erfolgreich im Markt eingeführt hätte, und welche bezahlbar wäre, würden wir uns dies sicher ernsthaft überlegen. Ein vollständiges übergeordnetes Gebäudemanagement Softwarepaket mit integrierter CCTV-Applikation für alle Gewerke des intelligenten Gebäudes fehlt uns zum Beispiel noch, diese Funktionen deckt unsere Kaba Exos-Software nur teilweise ab. Hier arbeiten wir mit einigen wenigen Anbietern im Markt zusammen. Ansonsten bearbeiten wir nach wie vor eine breite Palette von möglichen Akquisitionszielen im gesamten Geschäftsfeld von Total Access.


Welches sind die wichtigsten Wachstumstreiber?


Das Premium Marktsegment in welchem sich Kaba betätigt, wächst schneller als das mittlere Segment des Sicherheitsmarktes.
«Common Identification» ist ein starker Wachstumstreiber und bedeutet voll durchgängige, modulare aufwärtskompatible Sicherheitssysteme, sowohl in den horizontalen Applikationen und vertikal in den Systemebenen, kombiniert mit einem durchgängigen multiapplikationsfähigem, durch den Kunden sicher kontrollierbarem Identifikationssystem wie zum Beispiel Legic.
Die Digitalisierung der klassischen Verschlusstechnik wird Kaba noch erhebliches Wachstum bescheren.
Ich möchte hier unsere neueste Entwicklung der «Identifikation durch Handberührung» erwähnen, welche im Rinspeed-Konzeptauto an der Automobilausstellung in Genf das erste Mal der Öffentlichkeit gezeigt wurde. Mit dieser durch den Körper übertragenen Identifikation steht Kaba technologisch wieder ganz an der Spitze.
Und last but not least ist die Globalisierung ein weiterer nicht zu unterschätzender Wachstumstreiber.


Wie entwickelt sich das Marktumfeld für Ihr Unternehmen?


Kaba ist mit dem Anspruch der Technologie- und Qualitätsführerschaft und mit dem immer grösseren Bekanntheitsgrad der Kaba Marke im Premium-Segment goldrichtig positioniert. Mit der Unican-Akquisition ist Kaba zum globalen Sicherheitsprovider avanciert und ist heute in der Lage, unsere global tätigen Kunden weltweit mit denselben Systemen zu bedienen.
Im Bereich der Bahnsteigabschlusstüren ist Kaba ein Hauptspieler. Dies beweist der von der Pariser Metro kürzlich erhaltene Grossauftrag über CHF 70 Mio.


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Europa ist mit über 60% Umsatz (alles eingerechnet, also auch die Schweiz) nach wie vor die stärkste Region in der Kaba aktiv ist. Soll das weiterhin so bleiben?


Unser CEO Rudolf Weber hat früh erkannt, dass der amerikanische Kontinent und der asiatisch pazifische Raum ein grosses Wachstumspotential für unsere Produkte und Dienstleistungen aufweisen und hat seine Wachstumsstrategie unter anderem auf diese Märkte ausgerichtet.


Dann sind also Amerika und der asiatisch-pazifische Raum die Hauptstossrichtungen für Wachstum?


Geographisch gesehen ja. Zusätzliches Wachstumspotential sehen wir auch in Europa mit unserer digitalen Verschlusstechnik, den Hotelsystemen und den Bahnsteigabschlusstüren. In Osteuropa und im nahen Osten wachsen wir schon heute mit dem gesamten Produktportfolio.


Mit Herrn Kin Shek Ng, dem Gründer der Wah Yuet Gruppe und ehemaligem Hauptaktionär, hat sich Kaba einen Chinesen in den Verwaltungsrat geholt. Welche Vorteile versprechen Sie sich davon?


Herr Kin Shek ist ein ausgewiesener Kenner der asiatischen Märkte und des chinesischen Marktes. Er wird einerseits als Vertreter von Kaba die Beziehungen zu den chinesischen Behörden pflegen und den Aufbau des chinesischen Premium-Sicherheitsmarktes strategisch mitbegleiten.


Anschlussfrage: Welche Pläne verfolgt Kaba in China?


Wir wollen Wah Yuet als effiziente Produktion für mechanische Verschlusstechnik und Türhardware weiter ausbauen und mehr und mehr eigene Produkte für den asiatisch-pazifischen und chinesischen Markt produzieren. Mittelfristig soll bei Wah Yuet ein mechatronisches Kompetenzzentrum für digitale Verschlusstechnik mit Zielrichtung asiatische Märkte und den chinesischen Premium-Markt eingerichtet werden.





Zur Person
Ulrich Graf ist Schweizer Staatsbürger, ist Präsident des Verwaltungsrates sowie Mitglied des Entschädigungsausschusses (Compensation Committee) und des Nominationsausschusses (Nomination Committee) der Kaba Holding AG. Zudem ist er Präsident des Verwaltungsrates von Dätwyler Holding AG, Altdorf, Griesser AG, Aadorf, sowie Fr. Sauter AG, Basel, und Mitglied im Verwaltungsrat von Georg Fischer AG, Schaffhausen, und Feller AG, Horgen. Ferner ist er Mitglied des Stiftungsrates der Schweizerischen Rettungsflugwacht REGA und des Präsidialrates des DEKRA e.V. (Stutt gart, DE). Ulrich Graf hat an der Eidg. Techn. Hochschule in Zürich studiert und seine Ausbildung als Dipl. El.-Ing. ETH abgeschlossen.
1976 Eintritt bei Kaba als Geschäftsführer der Bauer Kassenfabrik AG
1984 Mitglied der Geschäftsleitung
1989 Mitglied des Verwaltungsrates
1990 bis 2006 Vorsitzender der Geschäftsleitung
1992 bis 2006 Delegierter des Verwaltungsrates
Seit 2006 Präsident des Verwaltungsrates


Die Kaba Gruppe
Kaba ist ein global tätiger, börsenkotierter Sicherheitskonzern. Mit ihrer «Total Access»-Strategie ist Kaba auf gesamtheitliche Lösungen für Sicherheit, Organisation und Komfort beim Zutritt zu Gebäuden sowie beim Zugriff zu Informationen ausgerichtet. Gleichzeitig ist Kaba Nr. 1 auf den Weltmärkten für Schlüsselrohlinge, Schlüsselcodiermaschinen, Transponderschlüssel sowie Hochsicherheitsschlösser und gehört zu den führenden Anbietern von elektronischen Zutrittsystemen, Schlössern, Schliessanlagen, Hotelschliesssystemen, Sicherheitstüren und Automatiktüren.

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