Das abgelaufene zweite Quartal bot wieder alle Zutaten, um Währungshütern, Investoren, Händlern und Politikern gleichermassen die Sorgenfalten auf die Stirn zu treiben. Die Börsenindizes erreichten im April zwar neue Jahreshöchststände, aber die Freude darüber währte nur kurz, ungeachtet der guten Unternehmensdaten.
Mysteriöser «Flash-Crash»
Im Mai sorgte die Zuspitzung der Griechenland-Krise für eine ? längst fällige ? grössere Korrektur. Obwohl IWF und EU dem angeschlagenen griechischen Staat mit Worten, schliesslich auch Taten zu Hilfe eilten und gleichzeitig einen EUR 750 Milliarden schweren Rettungsschirm über die Eurozone aufspannten, lastete die Unsicherheit über die Zukunft der Eurozone zentnerschwer auf den Börsen. Eine zwischenzeitliche Erholung von Ende Mai bis Mitte Juni wurde später wieder zunichte gemacht. Nebst Eurokrise drückte eine ganze Reihe weiterer Negativmeldungen auf die Stimmung. Zu erwähnen seien der Beginn eines restriktiveren Kreditvergabezyklus in China (als Massnahme zur Vorbeugung einer Überhitzung gedacht), die diplomatische Krise in Korea, ein mysteriöser «Flash-Crash» an der New Yorker Börse, ernüchternde US-Konjunkturzahlen und ? als Tüpfelchen auf dem i ? die verheerenden Folgen der Ölbohrinsel-Havarie im Golf von Mexiko. Wegen Letzterer verlor der Energiesektor besonders viel (-18% im Quartal).
Finanzindustrie muss Federn lassen
Gleich viel büssten der Banken- und der Finanzdienstleistungssektor ein, die wegen der Euro-Krise und der sich abzeichnenden schärferen Finanzmarktregulierung Federn lassen mussten. Defensivere Sektoren (Nahrung, Telekom) hielten sich etwas besser ? was so viel heisst wie, dass sie etwas weniger stark unter die Räder gerieten. Konjunktursensitive Sektoren hielten sich auch besser.
Flucht in «sichere» Anlagen
Im Zuge der erneuten Flucht aus risikobehafteten in «sichere» Anlagen sanken die Langfristrenditen von Staatsanleihen bester Bonität wieder auf Tiefstwerte. Zehnjährige deutsche Bund-Anleihen rentierten Ende Juni gerade noch 2.6 % (zu Quartalsbeginn: 3.1 %). In der Schweiz fielen die Renditen zehnjähriger Staatsanleihen von 1.9 % auf unter 1.5 %. Und in den USA sackten sie von 3.8 % auf 2.9 % ab. Schlechte Staatsschuldner hingegen mussten zum Teil exorbitante Risikoaufschläge verkraften (z.B. Griechenland). Gold diente einmal mehr als «sicherer Hafen» (+11.6 %), Rohstoffpreise (inkl. Öl) notierten im Einklang mit den weniger rosigen Konjunkturaussichten mehrheitlich tiefer. Das «PIIGS»-Problem erschütterte das Vertrauen in die europäische Gemeinschaftswährung: Der Euro verlor gegenüber allen wichtigen Handelswährungen zwischen 8 % und 14 %. Letztlich musste sich auch SNB den Marktkräften beugen und eine weitere substan-zielle Aufwertung des CHF gegenüber dem EUR zulassen.
Nach der Krise ist vor der Krise
Nach der Krise ist vor der Krise: Sind wir nun dazu verurteilt, die Krise immer wieder aufs Neue zu durchleben? Mangel an Gefahrenherden herrscht jedenfalls nicht. Vor allem die hohe staatliche Verschuldung einiger Industrieländer wird uns noch lange beschäftigen. Unlösbar scheint dieses Verschuldungsproblem trotzdem nicht. Im Gegensatz zu den westlichen Industriestaaten befinden sich viele Schwellenländer und die meisten Unternehmen (mit Ausnahme vielleicht des Bankensektors und von BP) in einer relativ guten Verfassung. Unter der Voraussetzung, dass die europäischen Banken-Stresstests, die in Kürze veröffentlicht werden sollen, nichts Katastrophales zutage fördern und es China gelingt, eine «sanfte Landung» hinzulegen, bleiben Aktien im gegenwärtigen Tiefzinsumfeld attraktiv. Deshalb erhöhen wir unser Aktienengagement.
Gold bleibt interessante «Krisenwährung»
Wir favorisieren gesunde Unternehmen, die sich als Marktführer bewähren, in Schwellenländern engagiert sind und nebst einem soliden Geschäftsmodell über attraktive Cash-Flows und Dividenden verfügen. Auch erachten wir Gold weiterhin als eine interessante, wenn auch volatile «Krisenwährung» ? solange wir keine Anzeichen eines Abflauens der Nachfrage feststellen, die Zinsen tief und die makroökonomischen Risiken hoch bleiben. Die zweite «Krisenwährung», der CHF, scheint hingegen kurzfristig überbewertet zu sein. Auch rechnen wir mit höheren Zinsen bei langfristigen Staatspapieren. (Privatbank IHAG Zürich AG/mc/ps)