Universität St. Gallen: Ausstellung «Ökonomien des Elends»

Dies teilte die Universität St. Gallen am Donnerstag mit. Demnach unterstreicht die Ausstellung die Brisanz der Gesellschaftsanalyse Bourdieus und seiner Kritik an den sozialen Folgen des wirtschaftlichen Wandels. Ein begleitendes Workshop- und Filmprogramm geht der aktuellen Debatte über den von Bourdieu geprägten Begriff der «Prekarität» auf den Grund.


Einer der meistgelesenen Sozialwissenschaftler
Pierre Bourdieu (1930-2002) zählt zu den meistgelesenen und -zitierten Sozialwissenschaftlern des 20. Jahrhunderts. Fast vierzig Jahre verstaubten seine Bilder aus dem Algerienkrieg in Kisten, bevor sie nach seinem Tod veröffentlicht wurden. Die Schwarzweiss-Fotografien sind Zeugnisse eines zerrissenen Landes. Sie belegen unter anderem die sozialen Auswirkungen des Krieges, die gesellschaftliche Stellung von Männern und Frauen sowie die Zustände auf dem Land und in der Stadt. Für Bourdieu selbst waren die Feldstudien der Auslöser für seine Arbeit als Gesellschaftsforscher.


Reale Gesellschaftprobleme aus Sicht der Soziologie
Die Ausstellung bietet neben Momentaufnahmen aus der laufenden Forschung auch aktuelle Bezüge zu Bourdieus Studien. Im Mittelpunkt steht die Frage, welche Bedeutung die Sozialwissenschaften im Umgang mit gesellschaftlichen Problemen haben. «Der von Arbeitssuche und Gelegenheitsarbeiten bestimmte Tagesablauf und die von zufälligen Anstellungen bestimmte Einteilung der Wochen und Monate in Tage mit und ohne Arbeit sind deutliche Zeichen der Prekärität,» schrieb Bourdieu 1963 über die Situation in Algerien in Travail et travailleurs en Algérie. Wie sich bei dem gewaltsamen Übergang einer vorkapitalistischen in eine kapitalistische Gesellschaft «Ökonomien des Elends» bilden, die wiederum soziale Entwurzelung und Gewalt zur Folge haben, zeigt die Ausstellung in eindrücklichen Bildern.


Folgen für Wirtschaft und Politik
Bourdieus Fotografien deuten auch auf die gegenwärtigen wirtschaftlichen und sozialen Umwälzungen hin, von denen immer mehr Menschen betroffen sind: Symptome gesellschaftlicher Demobilisierung als Folge tatsächlicher oder drohender Arbeitslosigkeit und Verarmung ist längst auch in den kapitalistisch hochentwickelten Ländern wahrnehmbar.  In der Abschlussveranstaltung des Vortrags- und Filmprogramms vom 24. Februar diskutieren Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Gewerkschaften über die Folgen der aktuellen Prekaritätsdebatten für Forschung und Politik. Weitere Partner des Projekts sind die Fondation Pierre Bourdieu Genf, die Universitäten Konstanz und Lüneburg sowie das Palace und das Kinok Cinema St. Gallen.


Informationen
Eröffnung am Donnerstag, 29. Januar 2009, 18 Uhr
Einführung: Ulf Wuggenig, Leuphana Universität Lüneburg


Comedia Buchhandlung, Katharinengasse 20, 9004 St. Gallen
Ausstellungsdauer: 30. Januar bis 28. Februar 2009
Öffnungszeiten: Mo – Fr 9.30 – 18.30 Uhr, Do 9.30 – 20 Uhr, Sa 9.30 – 17 Uhr, Eintritt frei

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