Matthias Vollbracht, Leiter Unternehmensanalyse von Media Tenor International, eröffnete den ersten Themenblock «Die Welt wächst zusammen – Internationale Kommunikation im Umbruch». Er machte sich stark für eine globale Planung von Kommunikationsprozessen. Die Umsetzung sollte aber in erster Linie lokal erfolgen. Weiterhin forderte er, dass die PR-Verantwortlichen die jeweiligen Themen-Agenden in den unterschiedlichen Ländern besser erkennen und für sich nutzen müssen. «Die globale PR konzentriert sich hauptsächlich auf die westlich orientierten Elite-Medien. China oder die arabischen Medien sind für viele PR-Treibende noch immer Terra incognita», kritisierte Vollbracht.
Hohes Mass an «Leadership» erforderlich
Ähnlich argumentierte Dr. Christof E. Ehrhart, Head of Corporate Communications and Vice President von EADS, der sich Moderator Sebastian Vesper vom PR Report in einem Interview stellte. «Für eine gute internationale Kommunikation braucht man ein Team in der Zentrale, das den Überblick behält», so Ehrhart. Er machte deutlich, dass internationale Kommunikationsarbeit ein hohes Maß an «Leadership» erfordert – Zielvorgaben formulieren oder das Management intern auf Fehlentwicklungen hinweisen. «Communicative Leadership braucht Empathie – nach innen und außen», resümierte Ehrhart.
«Glokalisierungs-Strategie»
Welche Fehler international kommunizierende Unternehmen machen können, zeigte Frank Roselieb, Leiter des Krisennavigators beim Kieler Institut für Krisenforschung. Er empfahl die Strategie der «Glokalisierung». Diese beinhaltet eine Mischung aus zentralen Elementen in der internationalen Hauptverwaltung sowie lokale Vorkehrungen in den nationalen Tochtergesellschaften. «Reputationspolster aufbauen. Einheitliche Kernbotschaften kommunizieren», fasste Roselieb seine Strategie zusammen.
Entscheider bei ihrer wichtigsten Präferenz abholen
Wie Zielgruppen erfolgreich definiert und erreicht werden können, demonstrierte Torsten Oltmanns, Global Marketing Director bei Roland Berger Strategy Consultants. Er gab den Rat, Entscheider anhand ihrer wichtigsten Präferenz zu klassifizieren – ihrem Job. «Wir adressieren in erster Linie karriere- und arbeitsaffine Themen, die 80 Prozent der Wachzeit von Entscheidern dominieren.» Dabei stellte er ein Modell vor, das Zielgruppen in Orchestermusiker, Solisten und Dirigenten aufteilt, und mit dessen Hilfe die passenden Botschaften erfolgreich kommuniziert werden können.
Social Media gewinnt zunehmend an Bedeutung
Den zweiten Themenblock des Tages «Quo vadis Nachricht – Internationale Medien- und PR-Trends» leitete Rod Nicolson ein, VP Online Services bei PR Newswire. Er stellte die grosse Bedeutung von Social Media für die internationale Kommunikation dar und erläuterte, wie Unternehmen diese Anwendungen erfolgreich einsetzen können. «There are new and changing audiences sourrounding us and we have to learn how to talk to them – as they want to talk to us. The chance to be successful here is to speak to them using their ways and channels. There is a hunger of consumers to participate», sagte Nicolson in seinem englischsprachigen Vortrag.
Digitalisierung wirkt sich auch auf PR-Arbeit aus
In welcher Form die zunehmende Digitalisierung der Medien Auswirkungen auf die PR hat, machte Jürgen De Graeve, Leiter Kommunikation Unternehmen bei der Audi AG deutlich. «Viele Journalisten verlassen heute nicht mehr ihre Redaktion, sondern arbeiten den ganzen Tag am Newsdesk. Sie telefonieren höchstens noch. Dieser Logik muss bei der Kommunikation Rechnung getragen werden.» Ausserdem wies De Graeve im Zusammenhang mit Blogs auf die grosse Diskrepanz zwischen sich schnell im Internet verbreitenden negativen Nachrichten und langwierigen Entscheidungsprozessen in grossen Unternehmen hin.
Gratis-Zeitungen weiter auf dem Vormarsch
Welche Rolle Gratiszeitungen mittlerweile im Ausland spielen, erläuterte Dr. Piet Bakker, Professor Cross Media Content von der School of Journalism and Communication Hogeschool in Utrecht und Associate Professor beim Department of Communication Science bei der University of Amsterdam. Er wies insbesondere darauf hin, dass der Stellenwert dieser Blätter in anderen europäischen Ländern wesentlich höher ist als in Deutschland. «At the end of 2008 more than 40 million copies of free dailies are distributed in 60 countries worldwide. Although most titles have distinct national features, free dailies tend to look more alike across different countries then paid papers, also because they target a similar – young and urban – audience. Apart from that, international networks of free dailies emerge, connecting titles across countries but even across continents», sagte Bakker.
Mehrzahl von Print- und Onlinenachrichten bald kostenfrei?
Spannende Zahlen lieferte Bertrand Pecquerie, Direktor des World Editors Forum (WEF), der die Ergebnisse des Newsroom Barometer 2008 vorstellte. Mehr als 700 Chefredakteure von Tageszeitungen aus allen Erdteilen sagen demnach voraus, dass die Mehrzahl von Print- und Onlinenachrichten in Zukunft kostenfrei erhältlich sein wird (56 Prozent). Während fast 90 Prozent glauben, dass die Zukunft integrierten Newsrooms gehört, prognostizieren mehr als zwei Drittel der Chefredakteure, dass die Bedeutung von Meinungs- und Analyseseiten in Zukunft weiter steigen wird.
Vermehrte Verknüpfung von Information und Technologie
Welchen Herausforderungen sich eine international tätige Nachrichtenagentur heute und in Zukunft stellen muss, beschrieb Malte von Trotha, Geschäftsführer der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Er wies darauf hin, dass das Informationsbedürfnis der Menschen immer umfassender wird, die einzelner Medien aber immer heterogener. «Die klassische Nachricht verliert inmitten der globalen Echtzeit-Kommunikation an ökonomischem Wert. Wir müssen also unser Kernprodukt in einer Weise neu definieren, dass es über unseren bisherigen Kernmarkt hinausreicht. Nur wer Information und Technologie weit über das bestehende Mass hinaus verknüpft, wird dabei erfolgreich sein», so von Trotha weiter.
«Nachrichten sind unverzichtbar»
Ähnlich argumentierte Chefredakteurin Annette Milz vom medium magazin. «Nachrichten sind unverzichtbar. Der Wert der Nachricht ist allerdings ganz stark geprägt von der Glaubwürdigkeit des Mediums.» Sie unterstrich, dass eine der grössten Herausforderungen für die Medienbranche die Bereitstellung kostenloser Inhalte im Internet ist. «Wir haben es mit einem Paradigmenwechsel zu tun, der da heißt: Kostenloskultur.» (news aktuell/mc/ps)
Alle Referenten des Internationalen Kommunikationsforums im Überblick:
* Dr. Piet Bakker, Professor Cross Media Content, School of Journalism and Communication Hogeschool, Utrecht und Associate Professor, Department of Communication Science, University of Amsterdam * Jürgen De Graeve, Leiter Kommunikation Unternehmen, Audi AG * Dr. Christof E. Ehrhart, Head of Corporate Communications and Vice President, EADS * Annette Milz, Chefredakteurin, medium magazin * Rod Nicolson, VP Online Services, PR Newswire * Torsten Oltmanns, Global Marketing Director, Roland Berger Strategy Consultants * Bertrand Pecquerie, Direktor, World Editors Forum (WEF) * Frank Roselieb, Leiter Krisennavigator, Institut für Krisenforschung * Malte von Trotha, Geschäftsführer, Deutsche Presse-Agentur (dpa) * Sebastian Vesper, Chefredakteur, PR Report (Moderation) * Matthias Vollbracht, Leiter Unternehmensanalyse, Media Tenor International