von Patrick Gunti
Die SQL AG war schon vor dem Eintritt in die Infoniqa-Gruppe ein erfolgreicher Schweizer IT-Service-Provider. Was hat sie dazu bewogen, sich unter die Fittiche der Infoniqa-Gruppe zu begeben?
Langjährige Aktionäre, die nicht mehr im operativen Geschäft tätig waren, wollten sich aus dem Unternehmen zurückziehen. Bei der Nachfolgeregelung gab es zwei Optionen: ein Management-Buyout oder der Beitritt des Unternehmens zu einem grösseren Verbund. Wir haben uns für Letzteres entschieden, da ein Management-Buyout lediglich die Besitzverhältnisse geändert hätte. Der Beitritt zu einem Firmenverbund bietet hingegen die Chance eines Cross-Selling im Austausch mit den anderen Gruppen-Unternehmen. Diese Überlegung hat sich als richtig erwiesen. So können wir unseren Kunden im Rahmen unserer Information Management Angebotslinie zum Beispiel eine eigene ECM-Lösung aus der Infoniqa Gruppe anbieten. Ausserdem haben wir die Möglichkeit, unser Geschäft um den neuen Bereich des HR-Managements als Spezialdisziplin des Information Managements zu erweitern.
Wie sehen ihre bisherigen Erfahrungen aus?
Hinter der Infoniqa SQL AG liegen jetzt drei sehr erfolgreiche Jahre. Wir haben uns innerhalb der Gruppe bei Umsatz und Gewinn eine Spitzenposition erarbeitet. Finanziell, aber auch hinsichtlich Operations und Business, haben wir sicher die Erwartungen übertroffen und sind nicht zuletzt deshalb in der Infoniqa Gruppe bestens etabliert. Die neuen Produkte, die wir aus der Gruppe in unser Portfolio übernommen haben, finden trotz der schwierigen allgemeinen Marktsituation eine gute Akzeptanz. Im bestehenden Geschäftsbereich «Information Availability Lösungen» verfügen wir über eine breite Kundenbasis, die uns auch weiterhin gute Geschäftsmöglichkeiten bieten wird.
Wer sind Ihre wichtigsten Partner, welches Ihre wichtigsten Produkte?
Eine der wichtigsten Kooperationen verbindet uns mit der Symantec Corporation. Wir sind in der Schweiz im Bereich Information Availability ihr stärkster Partner, auch im europäischen Vergleich zählen wir zu den grössten Partnern. Wir setzen beim Vertrieb der Symantec-Produkte auf Kompetenz und Technologie, um den Kunden die konkreten Vorteile beim Einsatz aufzuzeigen.
Innerhalb der Infoniqa-Gruppe ist insbesondere die Partnerschaft mit der Kendox AG hervorzuheben, an der wir auch signifikant beteiligt sind. Kendox liefert uns die Enterprise Content Management-Lösung und ergänzt unser Produkt-Portfolio perfekt. Dadurch werden praktisch alle Kundenanforderungen an das Information Management erfüllt. Mit «engage!» und dem Kendox Digitalen Personal Dossier adressieren wir die Informationsbedürfnisse im HR-Management. Der HR-Prozess vom Bewerbungsportal, der Personalentwicklung und Information bis hin zum Personal Dossier mit rechtskonformer elektronischer Archivierung wird so abgedeckt.
Seit zwei Jahren sind wir auch in der Romandie vertreten, die von der schwierigen Wirtschaftslage stärker betroffen ist als die Deutschschweiz. Trotzdem konnten wir aufgrund operativer Massnahmen zur Optimierung des Vertriebs das vergangene Jahr positiv abschliessen und sind für 2010 sehr optimistisch.
«Unsere Lösungen ermöglichen ein kontrolliertes Datenwachstum, ohne die Datenverfügbarkeit und die Datenwiederherstellung zu beeinträchtigen.»
Wie viele Kunden betreuen Sie in der Schweiz, welche Unternehmen zählen dazu?
In der Deutschschweiz betreuen wir über 250 Kunden, davon 180 direkt und 70 über unsere Partner. Dazu kommen noch 40 Kunden in der Romandie. Unter anderem betreuen wir die Swisscom, die Post, einige Bereiche der Bundesverwaltung, Helsana, Migros, Actelion, die Bank Vontobel und die Credit Suisse. Wir können vor allem die Unternehmen gut unterstützen, bei denen die IT einen wesentlichen Beitrag zum Geschäftserfolg leistet. Gerade in der aktuellen Wirtschaftslage profitieren wir von der breiten Kundenbasis über viele Branchen hinweg.
Die Infoniqa SQL AG operiert in den Bereichen Datenübernahme, Datenverfügbarkeit, Informations- und Wissensmanagement, Datenarchivierung und Datensicherheit. Das sind genau jene Disziplinen, in denen Experten die grösste Entwicklung im Sinne neuer Collaboration- und Business Intelligence-Tools erwarten. Wie positionieren Sie sich innerhalb dieser Entwicklung?
Auf der Ebene der Infrastruktur sorgt bei den meisten Unternehmen nach wie vor das Datenwachstum für kontinuierliche Kostensteigerungen. Unsere Lösungen ermöglichen ein kontrolliertes Datenwachstum, ohne die Datenverfügbarkeit und die Datenwiederherstellung zu beeinträchtigen. Diese Arbeitsfelder erfordern nicht nur geeignete Produkte, sondern auch die Kompetenz, die Lösungen beim Kunden korrekt umzusetzen.
Bei Collaboration sehen wir die Entwicklung zu immer weiter verteilten Informationen, die zudem in einem bunten Mix aus strukturierten und unstrukturierten Daten, allgemeinen Informationen und Records vorliegen. Es werden also Werkzeuge benötigt, die diese Informationen zusammenführen und dem Nutzer vollständig und jederzeit verfügbar machen. Unsere ECM-Lösung von Kendox in Kombination mit MS SharePoint, MOSS und der Archivierungslösung Enterprise Vault von Symantec deckt diese Anforderungen voll ab.
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Bisher bestand die Überlebenschance der kleineren Anbieter darin, sich darauf zu spezialisieren, die Lücken in den Portfolios der grossen Standardsoftwareanbieter zu füllen, ihre Produkte anzupassen und Schnittstellen zu schaffen. Wird das auch in Zukunft der richtige Weg sein?
Die grossen Anbieter von Standardsoftware haben ein vitales Interesse daran, dass ihre Produkte den Kunden in den lokalen Märkten kompetent erläutert und vermittelt werden. Auch für diese Anbieter wird «Demand Creation» wichtig bleiben. Unsere Funktion, ganz spezielle Anforderungen optimal abzudecken und Verbindungen zu eigenen Lösungen zu schaffen, wird allerdings auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen.
Mit dem HR-Portal engage! hat sich die Infoniqa SQL AG in einem Segment etabliert, das sich einerseits vom übrigen Portefeuille unterscheidet und das sich andererseits durch unzählige sich konkurrenzierende Produkte auszeichnet. Warum expandiert Infoniqa SQL in den HR-Bereich?
Abgesehen vom Payroll-Segment gibt es nicht sehr viele Lösungen. Dort sind wir in der Schweiz aber auch gar nicht tätig. Für HR-Prozesse und HR-Informationsmanagement bieten wir mit dem Digitalen Personal Dossier eine fokussierte Lösung an. Sie kann als Einzel-Lösung oder als Ergänzung zu den HR-Lösungen grosser Anbieter wie z.B. SAP und Oracle eingesetzt werden. Es gibt noch ein grosses Potential bei der Automatisierung der HR-Prozesse, beginnend bereits bei Unternehmensgrössen ab 50 Mitarbeitern.
Die Infoniqa-Gruppe strebt in den kommenden Jahren ein kontrolliertes Wachstum an. Was bedeutet dies für die Infoniqa SQL AG?
In Deutschland und Österreich ist Infoniqa weit mehr in der fertigenden Industrie tätig und daher stärker von der gegenwärtigen Wirtschaftslage betroffen. Vor diesem Hintergrund ist die Buy-and-Build Strategie für den Moment sistiert. Alle Unternehmensteile der Infoniqa Gruppe konzentrieren sich nun darauf, das Geschäft mit den bestehenden Kunden zu forcieren und die Kundenbasis stetig auszubauen. Darüber hinaus wollen wir die Fähigkeiten unserer Mitarbeiter kontinuierlich weiterentwickeln. Im operativen Bereich streben wir durch kontinuierliche Verbesserungsprozesse eine Optimierung der Kosten an. Gleichzeitig gilt es, das Qualitätsbewusstsein und unsere Firmenkultur aufrechtzuerhalten.
«Unsere Lösungen adressieren essentielle Unternehmensbereiche, in die sie auch in schwierigen Zeiten investieren. Deshalb sind wir von der jeweiligen Wirtschaftslage nicht in dem Masse abhängig wie viele andere IT-Unternehmen.»
Der Schulungsbereich wurde in den vergangenen zwei Jahren stark ausgebaut. Wie wichtig sind die Schulungen für die Infoniqa SQL AG?
Der Schulungsbereich ist für uns sehr wichtig, um unseren Kunden das gesamtheitliche Angebot erhalten zu können. Da unsere Consultants auch Trainer in einzelnen Projekten sind, können sie hier das erworbene Wissen direkt weitergeben. Ein Trainer muss sein Wissen auf hohem Niveau aktuell halten. Davon profitieren wiederum Anbieter und Kunden in der Projektarbeit. Für uns sind Schulungen deshalb auch ein wichtiges Synergie-Geschäft.
Viele IT-Unternehmen beklagen den Mangel an ausgebildeten Informatikerinnen und Informatikern in der Schweiz. Wie sieht die Situation bei der Infoniqa SQL AG aus?
Viele junge Abgänger einer Fachhochschule oder einer ETH zieht es zu grossen Unternehmen wie IBM oder HP oder zu High-Tech Software Firmen. Wir sind allerdings überzeugt davon, dass wir diesen jungen Menschen mindestens ebenbürtige Arbeitsbedingungen bieten können. Das sind vor allem die vielfältigen Entfaltungsmöglichkeiten und Entscheidungsfreiheiten, aber auch die Betreuung der interessanten Top-Unternehmen im Kunden-Portfolio. Mitunter braucht es etwas länger, schliesslich finden wir aber immer wieder kompetente neue Mitarbeiter. Für uns hat das Charisma und die Vorbildfunktion der direkten Vorgesetzten zentrale Bedeutung. Denn junge qualifizierte Mitarbeiter suchen sich Unternehmen, die ihnen eine Perspektive bieten und in denen sie sich weiterentwickeln können. Nicht zuletzt müssen wir aber auch über die Höhe der Gehälter entsprechende Anreize setzen.
Wie sehen Sie das Jahr 2010 – wird es trotz anhaltender Krise ein gutes Jahr werden, oder wird die IT-Branche weiter zu beissen haben?
Unsere Lösungen adressieren essentielle Unternehmensbereiche, in die sie auch in schwierigen Zeiten investieren. Deshalb sind wir von der jeweiligen Wirtschaftslage nicht in dem Masse abhängig wie viele andere IT-Unternehmen. Die Lage wird von einem verschärften Wettbewerb geprägt sein und alle Wettbewerber vor grosse Herausforderungen stellen.
Herr Tschudin, besten Dank für das Interview.
Zur Person
Urs R. Tschudin ist seit 2003 Geschäftsführer und Verwaltungsrat der Infoniqa SQL AG und seit 2008 Chairman der Infoniqa Romandie SA. Im September 2009 wurde er als Investorenvertreter in den Aufsichtsrat der Infoniqa Holding AG gewählt. Zuvor bekleidete er die Stelle des CEO bei Veritas Software GmbH (heute Symantec) und war lange als Verkaufsingenieur bei Intergraph tätig. Der studierte Bauingenieur ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Er wohnt in Wädenswil. In seiner Freizeit fährt er Motorrad und erweist sich als Gourmet und ausgezeichneter Weinkenner.