«Dies ist ein Abend voller Stolz in der Geschichte dieses Kongresses», erklärte der sichtlich müde Demokratenchef im Abgeordnetenhaus, Steny Hoyer. Obama werde den Anhang zur Gesundheitsreform in der kommenden Woche unterzeichnen.
«Wir sind alle müde»
Die Republikaner, die geschlossen gegen das Gesetz und damit auch sein Änderungspaket waren, hatten im Vorfeld jeden möglichen Widerstand angekündigt. Als solcher wurde auch der Einspruch an zwei Punkten des Änderungspakets im Senat gewertet, der dafür sorgte, dass die entsprechenden geforderten Korrekturen wieder vom Parlament abgesegnet werden mussten. Mit 220 zu 207 Stimmen beendeten die Demokraten dort schliesslich den langen Krimi um die Reform, die Abgeordnete wie Senatoren nun schon über ein Jahr beschäftigt hat. «Wir sind alle müde, aber dies war ein Kampf um ein Gesetz, der eines Tages in die Rekordbücher kommt», sagte der Führer der Demokraten in Senat, Harry Reid. Seine Partei hatte dort schliesslich mit 56 zu 43 Stimmen das Änderungspaket zu dem Reformgesetz durchgesetzt.
Streit um Reform artet in Gewalt aus
Unterdessen hat sich der weiterhin erbitterte Streit um die Reform auch in Gewalt niedergeschlagen. In den Büros von vier Kongressmitgliedern wurden die Fensterscheiben eingeworfen, und ein Abgeordneter fand nach Medienberichten auf dem Rasen seines Hauses einen Sarg vor. Mindestens zehn Demokraten im Abgeordnetenhaus haben Morddrohungen erhalten und um Polizeischutz für sich und ihre Familien gebeten. In einem anderen Fall wurde die Adresse eines Parlamentariers ins Internet gestellt und dazu aufgerufen, am kommenden Wochenende vor seinem Haus zu protestieren. Die demokratische Führung zeigte sich besorgt über diese Auswüchse. Der republikanische Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, John Boehner, distanzierte sich von dem Vorgehen der radikalen Reformgegner. Mehrere Demokraten machten die Republikaner aber für die aufgeheizte Stimmung mitverantwortlich.
Morddrohungen
Morddrohungen erhielt unter anderem der Parlamentarier Bart Stupak, ein Abtreibungsgegner. Er hatte am Sonntag der Reformvorlage zugestimmt, aber erst nach Zusicherungen, dass vom Staat bezuschusste Krankenversicherungen auch künftig nicht für Abtreibungen aufkommen. In seinem Büro wurde eine Nachricht mit dem Wortlaut hinterlassen: «Sie sind tot. Wir wissen, wo Sie leben. Wir werden Sie kriegen.» Stupaks Parteikollegin Louise Slaughter erhielt bereits vorige Woche einen Anruf mit der Drohung, dass Heckenschützen losgeschickt würden, um Kinder von Unterstützern der Reform umzubringen. Der Konservative Boehner erklärte: «Ich weiss, dass viele Amerikaner wütend über dieses Gesundheitsgesetz sind, und die Washingtoner Demokraten hören einfach nicht zu», sagte er. «Aber (…) Drohungen und Gewalt sind inakzeptabel.»
Krankenversicherung für 32 Millionen Amerikaner
Am Sonntag hatte das Abgeordnetenhaus mit demokratischer Mehrheit eine Senatsvorlage verabschiedet, die als Hauptziel vorsieht, dass 32 Millionen bisher Unversicherte eine Krankenversicherung erhalten. Die Republikaner stimmten geschlossen mit Nein. Obama setzte das Gesetz zwar am Dienstag in Kraft – dabei waren aber die notwendigen Nachbesserungen schon erkennbar. Das Abgeordnetenhaus hatte die Modifizierungen gleich nach der Billigung der Senatsvorlage beschlossen – ein Schachzug der Demokraten, um es Gegnern in den eigenen Reihen zu ermöglichen, dem Senatsentwurf zuzustimmen. (awp/mc/ps/15)