US-Schluss: Erholungskurs nach Vortagesrutsch und Zinsentscheid

Volkswirte hatten zwar mit der Entscheidung der Fed gerechnet, Börsianer verwiesen aber auf Stimmen, die auch eine Zinssenkung nicht ausgeschlossen hätten. Infolge der Insolvenz von Lehman Brothers waren die US-Börsen am Montag um mehr als drei Prozent eingebrochen. Der Dow Jones Industrial ging mit einem Plus von 1,30 Prozent auf 11.059,02 Zählern aus dem Handel. Der marktbreite S&P-500-Index gewann 1,75 Prozent auf 1.213,59 Zähler. An der NASDAQ rückte der Composite-Index um 1,03 Prozent auf 2.202,36 Punkte vor. Der NASDAQ 100 kletterte um 0,90 Prozent auf 1.720,81 Punkte.


Indes hat die britische Grossbank Barclays einem Bericht der «Financial Times» zufolge mit Lehman Brothers das Geschäft zum Verkauf von Teilen der US-Investmentbank abgeschlossen. Barclays hatte am Vormittag offiziell eingeräumt, dass es Gespräche mit Lehman über den Erwerb einiger Vermögenswerte gibt. Die Aktien von Lehman Brothers fielen um 11,43 Prozent auf 0,19 US-Dollar. Der Finanzsektor zeigte sich am Tag nach dem grossen Einbruch der Bank- und Versicherungswerte uneinheitlich.


Auf der einen Seite standen die Aktien des Versicheres American International Group (AIG), deren Bewertung die Rating-Agenturen S&P, Moody’s und Fitch am Morgen um jeweils eine volle Stufe gesenkt hatte. Damit wird die Kreditaufnahme für den angeschlagenen Versicherungskonzern künftig deutlich teurer. Der Schritt aller drei Ratingagenturen erfolgte im Anschluss an staatliche Bemühungen um eine Lösung der Geldprobleme beim Versicherungskonzern. Die Aktien fielen um 21,22 Prozent auf 3,75 Dollar, konnten damit aber im Vergleich zum Handelsstart ihre Verluste begrenzen. Im vorbörslichen US-Handel waren die Aktien der AIG zuvor bereits massiv abgerutscht.


Titel von Goldman Sachs notierten nach Zahlen mit minus 1,84 Prozent bei 133,01 Dollar und konnten damit ihre Verluste im Handelsverlauf begrenzen. Im dritten Quartal erlitt die Investmentbank einen Gewinneinbruch und enttäuschte damit die Hoffnungen auf ein Abschneiden weit über den Erwartungen. Der Überschuss ging binnen eines Jahres von 2,854 Milliarden auf 845 Millionen Dollar zurück. Pro Aktie bedeutete das einen Rückgang von 6,13 auf 1,81 Dollar. Die Nettoerträge sanken von 12,33 auf 6,04 Milliarden Dollar. Der Rückgang, etwa im Investmentbanking, hätte schlimmer ausfallen können schrieb Analyst Miko Mayo in einer Studie vom Dienstag. Hauptfragen blieben das Geschäftsmodell der Investmentbank und ob das Institut für den weiteren Weg mehr Kapital und Liquidität benötige. Ein Händler sagte mit Blick auf die Daten: «Alle haben mit sehr guten Zahlen gerechnet, alleine um die Märkte zu beruhigen – jetzt waren die Ergebnisse wie erwartet und das enttäuscht.»


Auf der anderen Seite standen die Aktien der Bank of America, die am Vortag die US-Investmentbank Merrill Lynch übernommen hatte. Bank of America gewannen 11,30 Prozent auf 29,55 Dollar, während die Aktien von Merrill Lynch um 30,01 Prozent auf 22,18 Dollar ansprangen. Vor dem Hintergrund der Pleite von Lehman Brothers und möglicher weiterer Krisenfälle habe die Bank of America eine starke Investmentbank zu einem vernünftigen Preis erhalten, schrieb Analyst Joe Morford in einer Studie vom Montag. Allerdings bestehe die Gefahr, dass die US-Grossbank in der Kürze der Zeit noch nicht alle in den Merrill-Büchern schlummernden Risikopapiere im Volumen von mindestens 80 Milliarden US-Dollar berücksichtigt habe.


Washington Mutual sprangen nach einem Pressebericht zu einem möglichen Übernahmeinteresse von JPMorgan Chase um 18,00 Prozent auf 2,36 Dollar nach oben. Es werde erwartet, dass die US-Grossbank ein Angebot für die grösste US-Sparkasse abgebe, berichtet die britische Tageszeitung «Daily Mail» ohne Angabe von Quellen. Anderen Medienberichten zufolge befindet sich JPMorgan Chase jedoch derzeit nicht in aktiven Kaufsverhandlungen um Washington Mutual. Die Bank gilt wegen enormer Probleme im Zusammenhang mit der Kreditkrise ebenfalls als Übernahmekandidat.


Abseits des Finanzsektors gerieten die Aktien des Computerbauers Dell unter Druck und büssten 10,88 Prozent auf 15,98 Dollar ein. Der Konzern hatte zuvor einen Rückgang der Nachfrage prognostiziert. Dell-Kunden hätten ihre Investitionen zurückgefahren, hiess es weiter. Zudem senkte die UBS ihr Kursziel für Dell von 26 auf 20 Dollar, beliess das Votum aber auf «Neutral». Ebenfalls im Computersektor interessierten Hewlett-Packard. Der Computerkonzern kündigte am Vortag an, nach der erfolgreichen Übernahme des IT-Dienstleisters Electronic Data Systems (EDS) durch Stellenstreichungen Milliarden Dollar einsparen zu wollen. Die Titel sprangen um 6,79 Prozent auf 48,41 Dollar. (awp/mc/ps/01)


 

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