US-Schluss: Kursrutsch nach neuem Höhepunkt der Finanzkrise
Vor allem die Probleme des Versicherungskonzerns AIG, der sich auf die Suche Finanzierungshilfen mache, bereite an der Börse Bauchschmerzen. Mit dem «Untergang» der Investmentbank Lehman Brothers, die am Morgen Antrag auf Gläubigerschutz (Chapter 11) gestellt hatte, hätten die Anleger unterdessen wohl bereits mehr oder weniger gerechnet. Dennoch zog die Nachricht den gesamten Sektor in Mitleidenschaft.
Der Dow Jones Industrial weitete in der letzten Handelsstunde seine Verluste noch einmal kräftig aus und verlor mehr als 500 Punkte oder 4,42 Prozent auf 10.917,51 Zähler. Der US-Leitindex schloss damit auf dem tiefsten Stand seit Juli 2006. Der marktbreite S&P-500-Index fiel um 4,65 Prozent auf 1.193,53 Zähler. An der NASDAQ verlor der Composite-Index 3,60 Prozent auf 2.179,91 Punkte. Der NASDAQ 100 gab 3,49 Prozent auf 1.705,46 Punkte ab.
Finanztitel wurden denn auch quer durch die Bank abgestraft. Die Aktien von Lehman Brothers Holdings verloren fast gänzlich an Wert und brachen um 94,99 Prozent auf 0,18 US-Dollar ein. Merrill Lynch sprangen nach dem Rettungsangebot der Bank of America zwar zeitweise bis auf 22,68 Dollar hoch, schlossen dann aber nur noch mit einem Plus von 0,06 Prozent auf 17,06 Dollar. Die Papiere der Bank of America, die der Übernahme für 50 Milliarden Dollar in Aktien zugestimmt hatte, fielen um 21,31 Prozent auf 26,55 Dollar.
Auch die Titel anderer Investmentbanken wurden in Mitleidenschaft gezogen. Ein Börsianer sprach von einer «Vertrauenskrise». «Die Frage ist nun, wer der nächste sein könnte.» Citigroup-Aktien verloren 15,14 Prozent auf 15,24 Dollar. Die grösste US-Bank, die zu den Gläubigern von Lehman Brothers gehört, versuchte am Montag ohne Erfolg ihre Investoren zu beruhigen. Goldman Sachs gaben 12,13 Prozent auf 135,50 Dollar ab. Die Investmentbank will am Dienstag ihre Quartalszahlen vorlegen. Analysten rechnen damit, dass sich die Bank weiter über Wasser halten wird.
Die Aktien der ebenfalls als Übernahmekandidat geltenden grössten US-Sparkasse Washington Mutual gaben um 26,74 Prozent auf 2,00 Dollar ab. Papiere der US-Bank Wachovia rutschten um 24,95 Prozent auf 10,71 Dollar ab. Auch hier trieb die Anleger vor allem die Sorge nach weiterem Kapitalbedarf um, sagten Börsianer.
Die Aktien des Versicherers American International Group (AIG) brachen schliesslich um 60,79 Prozent auf 4,76 Dollar ein. Anleger fürchten Börsianern zufolge, dass die Probleme des Versicherungskonzerns auf seine Geschäftspartner übergreifen könnten. Die Details zum Rettungsplan des Konzerns überzeugten allem Anschein nach noch nicht vollends an der Börse. Der von der Finanzmarktkrise schwer getroffene US-Versicherungsriese darf ab sofort Vermögenswerte seiner Töchter in Höhe von 20 Milliarden Dollar als Sicherheiten bei der Aufnahme neuer Darlehen verwenden, teilte der für die behördliche Aufsicht zuständige Gouverneur des Bundesstaates New York mit. Einem Bericht der «New York Times zufolge» hatte AIG bereits die US-Notenbank um einen Überbrückungskredit von 40 Milliarden Dollar gebeten. Damit solle eine Herabstufung des Kreditratings verhindert werden, das den Versicherer in weitere Finanzierungsschwierigkeiten stürzen würde. Das «Wall Street Journal» berichtete ausserdem, der Konzern wolle umfangreiche Sparten wie die weltweit führende Flugzeugleasing-Tochter ILFC verkaufen.
Auch abseits der Finanzbranche hatten einige Titel mit herben Kursverlusten zu kämpfen. So sackten die Titel von Take Two an der NASDAQ um 24,30 Prozent auf 16,57 Dollar ab, nachdem Electronic Arts (EA) nach einem monatelangen Kampf endgültig sein Übernahmeangebot zurückgezogen hatte. Electronic-Arts-Titel verloren 3,91 Prozent auf 43,23 Dollar. (awp/mc/pg/01)