US-Steuerstreit: Noch keine Unterlagen übermittelt

Zwar haben die US-Steuerbehörden bereits im November die Zahl von 14’700 Selbstanzeigen offen gelegt. Doch gab sie nicht bekannt, wie viele davon UBS-Kunden betreffen. Diese Zahl ist relevant, denn bei insgesamt 10’000 Selbstanzeigen könnten sich die USA zufrieden geben. Von den im Abkommen geforderten rund 4’000 Daten wurden laut Bundesrat Hans-Rudolf Merz bisher keine an die USA geliefert, wie der Finanzminister am Samstag am Rande der FDP-Delegiertenversammlung in Bern erklärte. Die Eidgenössische Steuerverwaltung habe bisher Verfügungen erlassen und rund 600 Dossiers abgewickelt, «physisch wurden aber noch keine Unterlagen übermittelt», bekräftigte Merz gegenüber der Zeitung «Sonntag».


Bundesverwaltungsgericht: Ball liegt beim Parlament
Im Konflikt um die Herausgabe von UBS-Kundendaten an die USA sieht das Bundesverwaltungsgericht den Ball beim Parlament. Es habe es in der Hand, die Steuerhinterziehung zu einem Delikt zu erklären. Finanzminister Merz erwägt, das Abkommen mit den USA dem Parlament vorzulegen. Der Weg via Parlament sei eine der möglichen Massnahmen, erklärte Bundesrat Hans-Rudolf Merz am Samstag am Rande der FDP-Delegiertenversammlung in Bern. Konkreter wollte er sich nicht zu den Massnahmen äussern, bevor die Regierung am nächsten Mittwoch darüber beraten hat.


«Mehr braucht es nicht»
Es geht nun laut Merz darum, die tatsächliche Situation mit der rechtlichen Situation in Übereinstimmung zu bringen. Aus Sicht von Christoph Bandli, Präsident des Bundesverwaltungsgerichtes, hat es das das Parlament in der Hand, die Steuerhinterziehung zu einem Delikt zu erklären, was eine Datenherausgabe an die USA legitimiere. «Mehr braucht es nicht zur Lösung des Konfliktes», sagte Bandli der «SonntagsZeitung» in einem Interview. Der Bundesrat sei einfach nicht das zuständige Organ, um die Steuerhinterziehung dem Steuerbetrug gleichzustellen und damit das Bankgeheimnis auszuhebeln.


«Nicht einfach ein Gaga-Vorschlag»
Bandli hielt der Landesregierung aber zugute, dass ihre Interpretation «Hand und Fuss» habe – «das war nicht einfach ein Gaga-Vorschlag». Im Gegensatz zur Datenherausgabe der Finanzmarktaufsicht (FINMA), die klar illegal gewesen sei, handle es sich hier um eine juristisch heikle Frage, die man unterschiedlich beantworten könne, sagte Bandli. Der Bundesrat und seine Juristen seien unter «immensem Druck» gestanden und hätten verzweifelt nach einer Lösung im US-Steuerstreit gesucht. Auch Rechtsprofessoren, die den Bundesrat als Gutachter in seiner Meinung gestützt haben, sehen den Ball nun beim Parlament, so etwa Steuerrechtsprofessor René Matteotti.


Gutachter kritisiert Bundesverwaltungsgericht
Da der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichtes nicht anfechtbar sei, müsse nun der Gesetzgeber entscheiden, ob er der Auslegung des Bundesrates oder derjenigen des Gerichtes folgen wolle, sagte Matteotti der «NZZ am Sonntag». Der Gutachter kritisierte aber das Bundesverwaltungsgericht heftig. Dessen Urteil sei «widersprüchlich» und überzeuge methodisch wenig. Das Gericht habe «das Problem nicht gesehen» und mit Theorien operiert, statt sich mit dem Abkommenstext auseinanderzusetzen.


Rücktrittsforderungen  
Personelle Konsequenzen brauche es nach diesem Urteil aber nicht. «Das Gericht ist unabhängig und kann auch mal einen falschen Entscheid fällen. Dies gehört zu einer Demokratie», sagte Matteotti der «Zentralschweiz am Sonntag». Die UBS-Affäre war am Wochenende auch Thema an der Delegiertenversammlung der SVP in Stans. Parteipräsident Toni Brunner schob die Verantwortung für das «Debakel» der «schwachen» und «inkompetenten» Regierung zu und forderte die drei Bundesräte Merz, Widmer-Schlumpf und Calmy-Rey zum Rücktritt auf. (awp/mc/ps/01)

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