Washington – Das Wirtschaftswachstum in den USA hat sich im dritten Quartal überraschen stark beschleunigt. Von Juli bis September stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der grössten Volkswirtschaft der Welt auf das Jahr hochgerechnet um 3,1 Prozent, wie das US-Handelsministerium am Donnerstag in Washington in einer dritten Schätzung mitteilte. Damit erreichte die US-Wirtschaft im abgelaufenen Quartal die bisher höchste Dynamik im Jahresverlauf.
Im zweiten Quartal war die Wirtschaft noch um 1,3 Prozent und in den ersten drei Monaten des Jahres um 2,0 Prozent gewachsen. Wegen des Haushaltsstreits in den USA droht aber laut Volkswirten im Schlussquartal 2012 wieder eine Abschwächung. In einer zweiten Schätzung hatte das Ministerium für das dritte Quartal noch eine auf das Jahr hochgerechnete Rate von lediglich 2,7 Prozent ermittelt. Volkswirte hatten bei der dritten Schätzung eine Aufwärtsrevision auf 2,8 Prozent erwartet. Da amerikanische Wachstumszahlen auf das Jahr hochgerechnet werden, sind sie nicht unmittelbar mit Zahlen etwa aus Europa vergleichbar.
Privatkonsum legt über Erwarten zu
Notwendig wurde die Aufwärtsrevision im dritten Quartal vor allem, da der private Konsum mit annualisiert 1,6 Prozent stärker gewachsen war, als noch in der vorangegangenen Schätzung ermittelt. Im Vorquartal war er um 1,4 Prozent gestiegen. Der Konsum ist für rund zwei Drittel der Wirtschaftsleistung verantwortlich. Ökonomen erwarten jedoch im letzten Quartal des Jahres eine Abkühlung der Wirtschaftsdynamik. «Vor allem der Haushaltsstreit in den USA hat wohl die Investitionsneigung der Unternehmen belastet», sagte Bernd Weidensteiner USA-Experte bei der Commerzbank. «Eine Reihe der zuletzt veröffentlichen Wirtschaftsindikatoren habe bereits eine Abschwächung der Wachstumsdynamik signalisiert.» Das Wachstum könnte laut Weidensteiner im letzten Quartal bei auf das Jahr hochgerechneten 1,25 Prozent liegen.
Fikalklippe droht
Noch schlimmer könnte es im nächsten Jahr werden. Einigt sich US-Präsident Barack Obama nicht bis zum Jahresende mit den Republikanern im Kongress auf ein langfristiges Programm zur Verringerung des riesigen Haushaltsdefizits, steuern die USA im neuen Jahr auf die sogenannte «Fiskalklippe» zu. Das ist eine Kombination aus Steueranhebungen und massiven Ausgabenkürzungen, die dann automatisch wirksam werden. Experten warnen seit Monaten, dies könnte die US-Wirtschaft in eine Rezession treiben. Weniger als zwei Wochen vor Ablauf einer entscheidenden Frist ist noch kein Durchbruch in Sicht.
Einigung erwartet
Angesichts dieser Gefahren erwartet Commerzbank-Experte Weidensteiner jedoch eine Einigung. Sollte diese rasch erfolgen, werde das Vertrauen zurückkommen und sich das Wirtschaftswachstum wieder beschleunigen. «Die US-Notenbank wird jedoch auf dem Gaspedal bleiben», sagte Weidensteiner. Die Notenbank hatte in der vergangenen Woche ein neues Kaufprogramm für Staatsanleihen aufgelegt. Sie kauft ab Januar monatlich Anleihen im Wert von insgesamt 85 Milliarden US-Dollar, um so die Wirtschaft zu stützen. Frühestens im Sommer dürfte die US-Notenbank bei einer positiven Konjunktur- und Arbeitsmarktentwicklung ihrem Massnahmen zurückführen.
An den Finanzmärkten stieg die Risikoneigung der Anleger nach den Daten etwas an. So kletterte der Eurokurs auf ein Tageshoch von 1,3295 Dollar. Die als sicher geltenden deutschen Anleihen sind gestiegen. Die Aktienmärkte haben hingegen kaum reagiert.
Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe steigen etwas stärker als erwartet
Derweil sind die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe in den USA in der vergangenen Woche etwas stärker als erwartet gestiegen. Sie seien im Vergleich zur Vorwoche um 17.000 auf 361.000 Anträge geklettert, teilte das US-Arbeitsministerium am Donnerstag in Washington mit. Volkswirte hatten mit einem Anstieg auf 360.000 gerechnet. In der Vorwoche hatte die Zahl der Erstanträge bei revidiert 344.000 (zunächst 343.000) gelegen.
Im aussagekräftigeren Vier-Wochen-Schnitt fiel die Zahl um 13.750 auf 367.750 Anträge. (awp/mc/ps)