Valentin Chapero, CEO Phonak: «Innovative Produkte, gekoppelt mit einer schlagkräftigen Vertriebsorganisation, sind die Erfolgsformel.»
Von André Schäppi
Moneycab: Herr Chapero, seit Sie vor drei Jahren zur Phonak geholt worden sind, ist es mit dem Unternehmen unaufhörlich aufwärts gegangen. Wie machen Sie das?
Valentin Chapero
: Bevor ich kam, hatten wir vielleicht ein wenig den Fokus verloren. Aber ich war überzeugt, dass wir ein enormes Potenzial bezüglich Mitarbeiter und Technologie haben. So war mir eigentlich klar, dass man mit einer grundlegenden Analyse, der daraus abgeleiteten Planung und der richtigen Implementation den Fokus wieder gewinnen kann. Insofern habe ich wohl den richtigen Weg eingeschlagen.Das tönt aber schon sehr bescheiden. Sind Sie nicht stolz, einen massgeblichen Beitrag geliefert zu haben?
(lacht) Doch, doch, ich bin sehr stolz. Schliesslich war das ein Stück harte Arbeit. Und der Erfolg, den wir sehen, ist ja genau das Ergebnis dieser Arbeit. Aber auch der beste CEO kann nichts ausrichten, wenn er nicht die nötige Unterstützung und die richtigen Leute und Produkte hat.
In den nächsten drei bis fünf Jahren peilen Sie eine Betriebsmarge zwischen 23% und 25% sowie einen Umsatz von 1 Mrd. CHF an. Haben Sie keine Angst, dass Sie dieses hohe Tempo nicht durchhalten?
Nein, sonst hätte ich diese Aussage nicht gemacht. Wir haben uns ja ein wenig Spielraum gelassen. Auf der anderen Seite sind drei bis fünf Jahre schon eine relativ lange Zeit.
Sie möchten die Ziele also schon früher erreichen?
Früher als drei Jahre wäre Science-Fiction, doch in diesem Rahmen sollte es möglich sein. Aber unsere Ausrichtung liegt auf der Profitabilität, denn Wachstum ohne Profitabilität ist kein interessantes Wachstum. Deshalb ist Wachstum um des Wachstums willen nicht unser Ziel.
Aber Ihre Konkurrentin, die ebenfalls börsenkotierte dänische William Demant, erwartet bereits dieses Jahr eine Ebit-Marge von 23,5 bis 24,5%., während Phonak erst bei einer Betriebsgewinnspanne von 18,8% angelangt ist. Bei der sportlichen Ausrichtung von Phonak muss das ein wenig hart sein.
Ja, denn offensichtlich ist das von uns avisierte Ziel mit einem Ebit von 23.5% durchaus realistisch und erreichbar. Natürlich gehen wir mit einem anderen Weg auf dieses Ziel zu und wollen damit sogar eine noch höhere Profitabilität als William Demant erreichen.
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Ihr Verwaltungsratspräsident, Andy Rhis, hat kürzlich in einem Interview erklärt, dass Sie die Phonak von Platz drei zur Nummer eins auf dem Hörgerätemarkt führen müssen. Wie lange denken Sie, brauchen Sie für diese Aufgabe und wo liegen die besonderen Herausforderungen?
Nummer eins heisst für mich nicht unbedingt Umsatz. Was wir wollen, ist Branchenbester sein bei Wachstum und Profitabilität. Das ist möglich, wenn man die richtigen Produkte, Vertriebskanäle und geografische Aufstellung hat. Und hier sind wir auf gutem Weg. 2003 haben wir beim Wachstum in Lokalwährung 18% zugelegt und 2004 10%. Dieses Jahr wollen wir wieder über 10% wachsen und das in einem Markt, der 4-6% wächst. Wir nehmen unseren Wettbewerbern also laufend Marktanteile ab. Obwohl ich mich mit einer Aussage zur Erreichung der Nummer eins schwer tue, denke ich, dass ein Zeitrahmen von fünf Jahren realistisch ist.
Sie haben früher gesagt, dass Sie im Vertrieb zulegen wollen.
Genau, daran arbeiten wir kräftig. Wir haben unsere Organisation verstärkt, was sich in höheren Vertriebs- & Marketing-Kosten niederschlägt. Wir brauchen eine schlanke und agile Vertriebsorganisation, da die immer schnelleren Produktinnovationen auch eine entsprechende Kundeninformation voraussetzt und bei zwei und weniger Jahren Produktlebenszeit müssen wir ein Maximum an Stückzahlen herausholen. Deswegen ist unser Fokus also ganz klar im Vertrieb, während wir bei Innovationen bereits Marktführer sind. So ist Savia mit Abstand das innovativste und leistungsfähigste Hörgerät auf dem Markt. Und wenn wir derart performante Produkte mit einer schlagkräftigen Organisation verbinden, ist das die Erfolgsformel.
Die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung haben 2004 CHF 48,7 Mio. bzw. 7,2% vom Umsatz betragen und liegen damit unter dem Vorjahreswert von 58,2 Mio. (Vorjahr 9,1% vom Umsatz).
Wesentlicher Grund für die höheren Kosten 2003 war die Bereitstellung der Palio-Plattform mit Investitionen in den Chip, das Design etc. Natürlich fallen derartige Kosten nicht jedes Jahr an.
Also kein Widerspruch zur erklärten Absicht von Phonak, mit Innovationen und Kreativität erfolgreich zu sein?
Nein, im Gegenteil. Wir geben jetzt effektiv mehr für die direkte Produktentwicklung aus als letztes Jahr.
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Phonak hat den Hauptsitz in Stäfa am Zürichsee, produziert aber immer mehr in China. Wie sieht die Zukunft aus?
Immer mehr nach China stimmt so nicht mehr. Das war während der Installationsphase in China richtig, als wir von 0 auf 50% unseres Ausstosses gegangen sind. Seitdem ist diese Zahl stabil. Wir haben immer gesagt, dass wir an beiden Standorten festhalten wollen mit je 50% Fertigungskapazität. Der Schwerpunkt in Stäfa liegt im kapitalintensiven automatisierten High-End-Bereich, während in China die arbeitsintensive präzise Handarbeit mit einer günstigen Kostenstruktur im Vordergrund steht.
Daran soll sich nichts ändern?
Nein, denn das macht auch aus Sicht der Risikoverteilung Sinn. Zudem ist es wichtig, dass die Entwicklung hier in Stäfa in der Nähe der Fertigung ist.
Einfache Produkte, die bereits am Markt eingeführt sind, werden zunehmend in China produziert. Nicht nur um Kosten zu sparen, sondern auch um vor Ort zu sein, wenn sich der chinesische Markt entwickelt. Welche Ziele verfolgen Sie für diesen Markt?
Natürlich war das ein Grund und wir haben damit zwei Fliegen auf einen Schlag erledigt, nämlich den Aufbau einer Low-Cost-Fertigung und der Aufbau eines Vertriebsapparates. Allerdings darf man den Markt China nicht überbewerten, denn der ist kleiner als beispielsweise Frankreich. Zwar haben wir Wachstumsraten im zweistelligen Bereich, aber wir starten von einem niedrigen Niveau.
Verkaufen Sie in China die günstigeren Produkte?
Ja, in China, wie übrigens auch in Südamerika und Osteuropa, sind vor allem Economy- und Business-Class-Produkte gefragt, obwohl wir auch High-End-Produkte verkaufen und zwar zu denselben Preisen wie etwa in den USA.
Sie haben geäussert, dass man sich vom reinem Gerätehersteller wegbewegen und etwa den Dienstleistungssektor ausbauen würde. Was meinten Sie damit?
Damit wollten wir signalisieren, dass wir uns im klaren sind, dass wir als Geschäftspartner interessant bleiben müssen und uns nicht auf Technologie und Innovation beschränken können. Dementsprechend müssen wir in diesem Bereich Dienstleistungen für unsere Partner anbieten.
Phonak produziert quasi die BMWs der Branche, für die die Patienten selber einen Teil der Kosten übernehmen müssen. Auch die neuste Entwicklung, das Savia-Hörsystem ist im Hochpreissegment angesiedelt. Werden Sie diese Ausrichtung weiter stärken?
Nein, wir wollen alle Marktsegmente abdecken, denn die Zeiten, in denen sich Phonak auf das Hochpreissegment beschränken konnte, sind vorbei.
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Aber gerade Savia, das jetzt sehr erfolgreich verkauft wird, ist im Hochpreissegment angesiedelt. Müsste man da nicht weiter auf dieser Erfolgswelle reiten?
Nein, denn unsere Partner verlangen 2-3 Anbieter, die ihnen das ganze Preisspektrum abdecken können. Mit denen wird dann 80-90% des Umsatzes gemacht. Wenn man kein vollständiges Portfolio anbieten kann, gehört man nicht zu diesen 2-3 Anbietern. Und mit der aktuellen Palio-Plattform, deren erste Ausprägung Savia ist, werden wir auch Produkte in den anderen beiden Preissegmenten anbieten können.
Für Oktober haben Sie die Lancierung neuer Produkte angekündigt. Grundlegende Neuerungen wie Savia werden dabei wohl kaum zu finden sein?
Das würde ich so nicht sagen, denn unsere Idee ist es nicht, ein Star-Produkt zu entwickeln, und dann drei Jahre nichts tun. Eine hohe Innovationsgeschwindigkeit ist für uns ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor. Wir müssen laufend neue Produkte auf den Markt bringen, die in ihrem jeweiligen Segment auch technologisch äusserst attraktiv sind. Dementsprechend kann man in den nächsten 6 bis 12 Monaten in allen Preissegmenten innovative Neuprodukte erwarten.
In welche Richtung entwickelt sich der Hörgerätemarkt technologisch?
Wesentliche Zielrichtung ist die Entwicklung immer einfacherer Geräte, bei einer gesteigerten Hörleistung und einem verbesserten Packaging (wie Grösse und Sichtbarkeit). Zudem versucht man, Zusatzfunktionen zu integrieren, wie etwa den Funkempfang. Ein anderes Beispiel ist die Integration von Bluetooth, wodurch das Hörgerät direkt mit dem Handy verbunden wird, ohne dass man es ans Ohr halten muss.
Müssten in Zukunft Hörgeräte nicht als Modeaccessoires konzipiert werden?
Versuche in diese Richtung gibt es schon seit Jahren. Einen wirklichen Durchbruch hat jedoch niemand geschafft. Das Hörgerät als Designobjekt zu positionieren ist zwar interessant, ich persönlich denke aber nicht, dass dies der Weg ist, um eine breite Akzeptanz zu erreichen. Die Leute müssen, ähnlich wie bei Brillen, akzeptieren, dass es kein Nachteil ist, ein Hörgerät zu tragen. Vielmehr wird die Lebensqualität dadurch wesentlich gesteigert.
Die Kriegskasse der Phonak ist sehr gut gefüllt und mit Blick auf die komfortable Eigenkapitalquote und die hohe Nettoliquidität könnte sich Ihr Unternehmen Übernahmen von 600 bis 700 Mio. CHF leisten? Da man als Hörgerätehersteller bereits gut positioniert ist, könnte dieser Schritt möglicherweise eher im Bereich Distribution erfolgen. Ist das so?
Ja, Tatsache ist, dass wir über relativ viel Ressourcen verfügen und diese auch einsetzen werden. Allerdings planen wir keine Akquisitionen in dieser Grössenordnung. Trotzdem sind wir optimistisch, dass wir bis Herbst über strategisch wichtige Akquisitionen berichten können. Es werden aber keine spektakulären sein.
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Ein Zusammenschluss mit Siemens würde keinen Sinn machen?
Es gibt aus meiner Sicht nur einen Grund mit einem grossen Mitbewerber zusammenzuspannen: Damit hätte man genügend Gewicht, um den Endnutzer direkt zu erreichen. Die Schwierigkeit in unserem Markt ist ja nach wie vor die breite Akzeptanz der Hörgeräte. Und anders als beispielsweise die Mobiltelefonanbieter verfügen auch die einzelnen Grossen in unserer Branche nicht über die entsprechenden finanziellen Ressourcen, um in breiter Front Werbung für Hörgeräte zu machen. Insofern wäre es schon von Vorteil, bei einem Zusammenschluss die kritische Masse durch Grösse zu erreichen.
Mit Europa und Nordamerika generiert Phonak rund 90% des Umsatzes. Besteht in diesen Regionen noch weiteres Potenzial?
Unserer Marktanteil in diesen Märkten beträgt momentan rund 17%. Aus meiner Sicht gibt es keinen Grund, weshalb wir nicht 20% erreichen könnten, denn wir haben durchaus die Absicht, in den entwickelten Märkten zu wachsen. Entwickelte Märkte haben nämlich kurzfristig ein höheres Potenzial als die wenig entwickelten und 1% Anteilgewinn in einem bestehenden Markt bringt mehr als 20% Anteilsgewinn in einem wenig entwickelten Markt wie China.
Also sind Europa und die USA die Wachstumsmärkte der nächsten Jahre für Phonak?
Ja, absolut.
Wie beurteilen Sie die Entwicklung des Geschäftes für 2005?
Die Geschäfte laufen gut. Vor allem das neulancierte Savia verkauft sich über den Erwartungen. Wenn die Entwicklung in diesem Rahmen weitergeht müssen wir unsere Ziele nach oben anpassen. Allerdings werden im Herbst eine ganze Reihe neuer Wettbewerbsprodukte auf den Markt kommen, insofern sind wir noch vorsichtig.
Phonak sponsert auch ein Radrennteam und nutzt es für die Werbung. Muss man, um im Hause Phonak erfolgreich zu sein, ein Velofan sein?
(lacht) Nein, sicher nicht. Wir haben einige sehr gute Mitarbeiter, die alles andere als sportlich sind. Auf der anderen Seite pflegen wir innerhalb der Phonak auch einige gemeinsame sportliche Aktivitäten und Radfahren gehört dazu, aber es ist kein Muss.
Valentin Chapero
Kurzportrait Phonak
Dank mehreren Marken und diversen Vertriebskanälen bietet die Phonak Gruppe heute eine vollständige Produktpalette an digitalen Hörgeräten, speziellen Hightech-Produkten und Funk-Kommunikationssystemen an. Mit weltweit über 2’700 Mitarbeitern gehört die Phonak Gruppe zu den drei Technologie-Marktführern in diesem Bereich.