Videointerview: Obligationen halten sich in der Anlegergunst
Der Risikoappetit der Anleger ist nach dem Ende des Irak-Kriegs gestiegen. Obligationen sind dennoch nicht aus der Mode gekommen, so Anja Hochberg, Leiterin Zins- und Devisenanalyse der Credit Suisse.
Von Andreas Thomann, Redaktion Emagazine
Frau Hochberg, ist die Popularität von Obligationen nach dem zwischenzeitlichen Hoch wieder am Sinken?
Anja Hochberg: Der jüngste Zinsrutsch in den USA, wo die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihen in den letzten zwei Wochen sogar noch um fünfzig Basispunkte gesunken ist, weist eher auf das Gegenteil hin. Die Konjunkturaussichten bleiben weiterhin unklar. Auch die Zentralbanken stehen noch nicht vor dem Ende ihres Zinssenkungszyklus. Solange der US-Konjunkturmotor noch nicht hörbar angesprungen ist, dürfte es keine schnelle Flucht aus den Staatsanleihenmärkten geben.
Die amerikanische Notenbank (Fed) hat die Leitzinsen Anfang Mai nicht gesenkt, obwohl viele Beobachter davon ausgegangen waren. Wurde der Entscheid bloss aufgeschoben?
Da die vorhandenen Konjunkturindikatoren zum damaligen Zeitpunkt noch viel zu stark durch den Irak-Krieg verzerrt waren, ist die Credit Suisse nicht davon ausgegangen, dass das Fed die Zinsen bereits im Mai senken würde. Das Fed hat aber darauf aufmerksam gemacht, dass die Inflation stärker als gewünscht ausfallen könnte. Falls sich die Konjunktursituation nicht verbessern sollte, könnte das Fed aufgrund der japanischen Deflationserfahrung die Zinsen noch einmal senken.
Und wie sieht es bei der europäischen Zentralbank (EZB) aus?
Während in den USA alles von den nächsten Konjunkturindikatoren abhängt, hat die Europäische Zentralbank den Weg in Richtung Zinssenkung viel deutlicher eingeschlagen. Präsident Duisenberg hat klar gemacht, dass nur die ungenaue Datenlage einen Zinsschritt verhindert hat. In ihrer nächsten Sitzung im Juni wird die EZB die bereits für Mai vorgesehenen neuen Wachstumsprognosen liefern. Wir gehen davon aus, dass die EZB den sehr schwachen Wirtschaftsindikatoren, den fallenden Inflationsraten und auch dem starken Euro Rechung trägt und die Zinsen senken wird.
Sollten Anleger in Erwartung fallender Zinsen jetzt in den Bond-Markt einsteigen?
Mit dem jüngsten Zinsrutsch in den USA sind sehr viele schlechte Konjunkturindikatoren bereits mit eingeschlossen, was das Bond-Potenzial sehr beschränkt. Nur falls die USA sich wirklich japanischen Verhältnissen nähert, würde sich ein Neueinstieg in den mittlerweile hochbewerteten Staatsanleihen-Markt lohnen. Trifft jedoch unser Szenario eines mühsamen und steinigen Konjunkturaufschwungs ein, sollten wir selbst bei müder Wachstumsdynamik und fallenden oder flachen Inflationsraten eine allmähliche Loskoppelung vom rezessionstiefen Zinsniveau erleben. Dies drückt dann wiederum auf die Bond-Preise.
Wie werden sich die Zinsen langfristig entwickeln?
Langfristig dürften die grossen Volkswirtschaften den Weg zurück auf den Wachstumspfadmarkt finden, was bedeutet, dass die Zinsen wieder in einem eher normalen Bereich pendeln werden. Auf dem Weg dorthin werden uns jedoch hartnäckige Strukturprobleme, wie z.B. das Rentenproblem, die hohe Arbeitslosigkeit in der Euro-Zone oder die Osterweiterung, begleiten. Zudem ist in dieser Zeit von einer ausgeprägten Volatilität auszugehen, was heisst, dass wir mit einer hohen Schwankungsbreite rechnen müssen.
Welche Anlagestrategien lassen sich daraus ableiten?
Der Anleger kann von der ausgeprägten Volatilität an den Bond-Märkten auch in den nächsten Jahren profitieren. Wenn man die Obligationen z.B. hinsichtlich der Laufzeit und der Risikoklasse aktiv bewirtschaftet, bietet das aktive Trading-Umfeld über den gesamten Konjunkturzyklus attraktive Ertragsmöglichkeiten.
Was heisst das konkret?
Die Anleger sollten die Laufzeiten dem Zinssteigungszzyklus anpassen. Mit anderen Worten sollte man in Zeiten stark steigender Zinsen die Laufzeit eher verkürzen und in Zeiten eines eher flachen Zinsanstiegs auch längere Obligationen kaufen.
Welche Regionen bevorzugen Sie im Moment?
Der steinige Konjunkturaufschwung wird seinen Ausgangspunkt in den USA haben. Daher glauben wir, dass dort auch die Loslösung vom rezessionstiefem Zinsniveau zuerst stattfinden wird. Aus diesem Grund bevorzugen wir die Euro-Zone.
Videointerview
Andreas Thomann im Gespräch
mit Anja Hochberg.
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