Vincent van Gogh: Der Sämann

Der Japonismus, der Einfluss Japans auf die Malerei der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, spielt auch in der Entwicklung van Goghs eine bedeutende Rolle.







Weitere Bilder von Vincent van Gogh in der Sammlung Bührle.

Mehr als nur im ästhetischen Bereich wie bei Manet, Whistler und Degas ist Japan für van Gogh das Symbol einer fernen, heilen Welt, in der die Künstler noch in einer echten Gemeinschaft miteinander leben. Er kennt diese Welt wie auch die anderen Künstler seiner Zeit nur aus dem japanischen Farbenholzschnitt. Erstmals im Dezember 1885 in Antwerpen, wo er an der Akademie studiert, umgibt er sich an seinem Arbeitstisch mit japanischen Holzschnitten, wie er seinem Bruder berichtet. Noch intensiver kann er 1886/87 in Paris diesem Interesse für die japanischen Farbenholzschnitte huldigen, er kauft sie ein für Theo, er macht sogar eine Ausstellung von japanischen Holzschnitten im Café Tambourin, die auf jüngere Künstler wie Louis Anquetin und Emile Bernard nicht ohne Einfluss war. In dem hektischen Kunstbetrieb von Paris kann er jedoch seine Vorstellungen von den idealen Zuständen, die ihm die Kunst Japans widerzuspiegeln scheint, nicht verwirklichen. Das Land der aufgehenden Sonne, für ihn unerreichbar, soll ihm die Provence ersetzen, wo er eine Schule des Südens gründen will. In einem Brief aus Arles, September 1888 an seine Schwester, schreibt er, Japonaiserien habe er hier nicht mehr nötig, da er sich immer sage, er sei hier in Japan.


Der Sämann, Öl auf Jute, auf Leinwand aufgezogen. 73.5 x 93 cm, Vincent, Entstanden 1888 in Arles.


Wenn sich das Gleichbleibende und das Heilige begegnen

«Der Sämann», im Oktober 1888 in Arles entstanden, könnte aus einer solchen Stimmung gemalt sein. Westliches und Östliches vermählen sich in ihm. Der Sämann silhouettenhaft links, die Saat auswerfend, geheiligt in seinem ewig gleichbleibenden Tun durch den riesigen Ball der aufgehenden Sonne, ihm zur Seite in derselben Vordergrundsebene im Gegenlicht der Stamm eines Baumes, der von rechts diagonal das Bild teilt und erst die Weite der noch im violetten Dämmer liegenden Äcker fühlbar macht. Dieses in der japanischen Malerei alte Motiv eines einzelnen Baumstammes, das All der Natur symbolisierend, reicht von Sesshû über Kôrin und Ôkyô bis zu Hiroshige, dessen Pflaumenbaumgarten aus den «100 Ansichten von berühmten Orten in Edo» van Gogh in Paris kopiert hatte.

Es ist auch das dominierende Motiv in dem gleichzeitig in Pont-Aven von Gauguin gemalten Bilde «Die Vision nach der Predigt», das aber van Gogh kaum gekannt haben kann, als er den Sämann malte. (sb/mc/th)






Sammlung Bührle , Zollikerstrasse 172
Dienstag, Mittwoch, Freitag, Sonntag, 14 – 17 Uhr

Biografisches
Zuerst Kunsthändler in Brüssel, London, Paris. Scheitert am Studium der Theologie und wird Laienprediger im belgischen Kohlengebiet. Seit 1880 als Autodidakt Maler und Zeichner. 1882/83 im Haag. Dezember 1883 bis November 1885 ins Elternhaus in Nuenen. 1885 kurze Zeit Studium an der Antwerpener Akademie. 1886 bis Februar 1888 in Paris. Schüler im Atelier Cormon. Einfluss der Impressionisten. Bekanntschaft mit Toulouse-Lautrec, Seurat, Signac, Gauguin, Bernard. 1888 in Arles, hierauf in Saint-Rémy: Internierung in einer Heilanstalt. Mai 1890 in Paris; Übersiedlung nach Auvers in die Klinik von Dr. Gachet.
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