Walter Knabenhans, CEO Julius Bär: «Wir müssen sicher noch in der Wachstumsregion Asien präsenter sein»

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: Herr Knabenhans, nach fast fünf Jahren an der Spitze der Julius Bär und im Alter von 55 Jahren verlassen Sie Ende Jahr die Bank. Wo zieht es Sie hin, welche Träume möchten Sie sich noch erfüllen?

Walter Knabenhans: Die vorhandene Zeit werde ich sicher benutzen, um zu reisen und neue Länder zu entdecken. Gleichzeitig möchte ich mich mit gewissen Themen intensiver befassen und werde dazu auch wieder die eine oder andere Vorlesung an verschiedenen Universitäten besuchen.


Zum Abschluss konnten Sie ein Resultat vorlegen, das sehr zwiespältig stimmt. Dem an sich erfreulichen Zufluss von fast 9 Milliarden neuen Kundengeldern durch institutionelle Mandate und Anlagefonds stehen 6 Milliarden Abgänge im Private Banking gegenüber. Während die 5.5 Milliarden aus dem Verkauf des USA Private Bankings an die UBS resultieren, überraschen die 500 Millionen an zusätzlichen Abgängen im Private Banking. Wie sind diese Abgänge zu erklären in einem Umfeld, in dem die Mitbewerber rekordhohe Zuwachszahlen melden?

Bei der genannten Zahl handelt es sich um eine Nettozahl. Die Zuflüsse von neuen Geldern dokumentieren klar, dass Julius Bär nach wie vor eine attraktive Adresse ist. Leider fliessen aber immer noch zu viele Gelder ab, was in einem Nettoabfluss resultiert. Im ersten Halbjahr führte insbesondere die Vereinheitlichung der Aktienkapitalstruktur zu Umschichtungen.

«Wir sind davon überzeugt, dass Julius Bär auch künftig unabhängig bleiben wird. Ein eigentliches Bollwerk für Übernahmen, insbesondere feindliche Übernahmen, stellt unsere Marke dar, die nicht ohne grosse Verluste übertragen werden kann.» Walter Knabenhans, CEO Julius Bär

Mit einem Kundenvermögen von 60 Milliarden sind Sie im Private Banking in einer kritischen Grösse. Ihre eigene Vorstellung liegt bei mittelfristig 100 Milliarden verwalteten Kundenvermögen. Wie und in welchen geografischen Regionen wollen Sie diesen Zuwachs erreichen?

Neben der intensivieren Bearbeitung der Märkte, in denen wir bereits aktiv sind, müssen wir sicher noch in der Wachstumsregion Asien präsenter sein. Bei diesem wichtigen Schritt werden wir vom umfassenden Know-how von Alex Widmer und Thomas Meier sicher profitieren können.


Sowohl im Private Banking (PB) als auch im Asst Management (AM) ist der Aufwand mehr gewachsen als der Ertrag (PB: Ertrag +24%, Aufwand +27 %; AM: Ertrag +41%, Aufwand +48%). Dies wiederum drückt auf die Margen. Wie können Sie diese Entwicklung stoppen und die Kosten reduzieren?

Neben den verschiedenen Wachstumsinitiativen haben wir im Private Banking ein umfassendes Projekt eingeleitet, um die Ertragsseite zu verbessern.


Mit der neuen Informatik Plattform von Avaloq, welche Sie im Jahre 2006 einführen wollen, sollen Prozesse vereinfacht und im Endeffekt Kosten reduziert werden. Zuerst werden dafür aber Investitionen von 120 Millionen Franken fällig. Welche konkreten Einsparungen werden mit dieser Investition verbunden sein?

Aufgrund der neuen Plattform resultieren ab 2007 signifikante Einsparungen. Netto sollte die Erfolgsrechnung nach Projektende um jährlich durchschnittlich mindestens CHF 10 Mio. entlastet werden.


Nach dem Verkauf des USA Private Banking an die UBS wird nun auch das Joint Venture mit der Credito Valtellinese in Italien beendet, ein angestrebtes Joint Venture in Asien kommt nun doch nicht zustande. Welche Ziele haben Sie mit dem internationalen Bereich des Private Bankings und werden Sie die Ziele in Asien im Alleingang realisieren müssen?

Asien ist sicher die Region, in der wir eine Präsenz anstreben. Zusätzlich werden wir in Deutschland noch dieses Jahr vor Ort unsere Aktivitäten aufnehmen. Ebenso wollen wir unsere Tätigkeiten in Osteuropa, aber auch in Süd- und Lateinamerika ausbauen. Für die intensivere Marktbearbeitung in Osteuropa haben wir unseren Standort Genf personell verstärkt. In Argentinien konnten wir bereits ein entsprechendes Team einstellen. Zudem sind wir in Verhandlungen mit Teams für Brasilien und Uruguay.


Nach der Einführung der Einheitsnamensaktie und der damit verbundenen Reduktion des Aktienanteiles der Familie Bär (der Familienpool hält noch 6% der Aktien) wurden vermehrt Übernahmegerüchte laut. Die starke Eigenkapitalbasis von 1.6 Milliarden Franken (BIZ Tier 1 Ratio von 17.4%), das brach liegende Potential im Privat Banking Bereich und die verbesserungsfähige Kostenstruktur dürften die Julius Bär noch anfälliger für eine Übernahme machen. Wie sehen Sie die Chancen mittelfristig für einen erfolgreichen Alleingang der Julius Bär?

Wir sind davon überzeugt, dass Julius Bär auch künftig unabhängig bleiben wird. Ein eigentliches Bollwerk für Übernahmen, insbesondere feindliche Übernahmen, stellt unsere Marke dar, die nicht ohne grosse Verluste übertragen werden kann. Schliesslich ist aber vor allem ein überdurchschnittlicher Leistungsausweis und damit einhergehend eine überdurchschnittliche Kursperformance das wirksamste Instrument gegen Übernahmen. 


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Im boomenden Markt Asiens ist die Julius Bär gegenüber ihren Konkurrenten noch schwach vertreten. Die Ausbaupläne sehen jedoch vor allem im gesättigten Markt Europa in Deutschland (Frankfurt, Stuttgart, Düsseldorf, Hamburg, München) mit 50 neuen Mitarbeitern in der nächsten Zeit eine massive Erweiterung vor. Weshalb gerade diese Investition in Deutschland?

Deutschland ist der wichtigste Auslandmarkt für Julius Bär. Zudem machen regulatorische Vorschriften für das Private Banking eine lokale Präsenz unabdingbar. Deshalb wollen wir eine entsprechende Präsenz sowohl im Private Banking als auch im Asset Management, das bereits seit einiger Zeit vor Ort tätig ist, haben. Zusammen werden in beiden Bereichen mit der Zeit rund 50-70 Mitarbeiter tätig sein. 
 
Bei den Rückstellungen gegenüber dem letzten Jahr fällt die massive Steigerung von 9.3 auf 22.9 Millionen Franken auf. Ist nach dem Verkauf des Amerika-Geschäftes noch mit einer Prozessflut zu rechnen oder wozu dienen die Rückstellungen?

Nein, mit einer Prozessflut ist nicht zu rechnen. Die Rückstellungen dienen der Abdeckung der normalen Risikobeurteilung wie wir sie laufend vornehmen. Potentielle Gerichtsfälle betreffen weder Class-Action- noch IPO-Klagen.


Bei den Salären und Gratifikationen gab es einen Mehraufwand von 28.4 Prozent (von 186 Millionen Franken auf 238 Millionen Franken). Weder der Erfolg des Private Bankings, noch des Handelsgeschäftes (-32.8%) lassen diesen Anstieg vermuten. Woher stammt der Mehraufwand?

Insbesondere höhere Bonusabgrenzungen für das sehr erfolgreiche amerikanische Asset Management sowie zusätzliche Kosten in Höhe von CHF 29 Millionen Franken im Zusammenhang mit dem Verkauf des US Private Banking-Geschäftes trugen zum Kostenanstieg bei.


In Ihrer Zeit als CEO haben Sie sowohl das Ende der Börseneuphorie als auch eine Erholung bei den betreuten Kundenvermögen erlebt. Was sind für Sie die wichtigsten Entscheide, die Sie in dieser Zeit gefällt haben und was würden Sie heute anders machen, wenn Sie eine Korrektur anbringen könnten?

Grundsätzlich ist es uns gelungen, die Kosten nachhaltig zu senken und die Gruppe in sehr schwierigen Märkten strategisch neu auszurichten. Damit konnten wir eine tragfähige Grundlage für eine erfolgreiche Entwicklung der Gruppe legen, wie auch das heutige Rekordergebnis bezüglich der betreuten Kundenvermögen zeigt. Im Nachhinein könnte man sicher an der einen oder anderen Stelle gewisse Dinge anders machen, das ist aber rein hypothetisch.


Welches sind für Sie die wichtigsten Entwicklungen in den nächsten drei Jahren im Private Banking und wie fit ist der Bankenplatz Schweiz, um diese Entwicklungen positiv nutzen zu können?

Die globale Kundenbasis wird weiter wachsen. Insbesondere Anbieter mit einer starken Brand und hervorragendem Service-Angebot werden davon überdurchschnittlich profitieren können. Der Bankenplatz Schweiz wird für einen guten Teil des Wachstumspotenzials ausgezeichnet positioniert sein.

Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei, wie sehen diese aus?

Persönlich wünsche ich mir Gesundheit und Gelassenheit. Für Julius Bär die erfolgreiche Umsetzung der Wachstumsstrategie.




Walter Knabenhans

Jahrgang 1950, schweizerischer Staatsangehöriger
Dipl. Bauing. ETH Zürich, 1975
Lic. oec. publ. Universität Zürich, 1978
1978?1994 Credit Suisse, diverse Funktionen
1994?1996 Credit Suisse Financial Products, London, Managing Director and COO
1997?1998 Credit Suisse Group, Managing Director and Chief Risk Officer, Mitglied der Erweiterten Geschäftsleitung
1998 Eintritt in die Julius Bär Gruppe als Vizepräsident der Konzernleitung und Leiter der Sparte Trading
Seit 2001 Präsident der Konzernleitung und Chief Executive Officer der Julius Bär Holding AG

Julius Bär
Julius Bär konzentriert sich als führende Schweizer Privatbank auf das Private Banking und das Asset Management. Ein umfassendes, alle Bereiche der Vermögensverwaltung abdeckendes Dienstleistungs- und Produktangebot sorgt dafür, dass Kunden aus aller Welt Julius Bär per Mitte 2005 Vermögenswerte von CHF 151 Milliarden anvertraut haben. Julius Bär nimmt zudem eine bedeutende Stellung im Anlagefondsgeschäft ein. Als dritter Geschäftsbereich bietet der Wertschriften- und Devisenhandel privaten ebenso wie institutionellen Kunden massgeschneiderte Produkte und Dienstleistungen an.

Die Unternehmen der Gruppe sind in der Julius Bär Holding AG zusammengefasst, deren Aktien an der SWX Swiss Exchange kotiert sind. Die Börsenkapitalisierung beträgt rund CHF 4,0 Milliarden.

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