Die Weltwirtschaft erwartet für das Jahr 2004 die lang ersehnte Erholung ihrer selbst. Konjunkturzahlen steigen in die Höhe. Trotzdem wären zu grosse Hoffnungen verfrüht, sagt Daniel Bloesch von der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich.
Von Martin Skalsky
Die Konjunktur könnte weltweit schon bald wieder anziehen. (keystone)
Nach Ansicht von Jean-Pierre Roth, Präsident der Schweizerischen Nationalbank, mehren sich die Anzeichen für einen wirtschaftlichen Aufschwung in der Schweiz. Gleichzeitig hat das Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München (ifo) am Dienstag eine Studie veröffentlicht mit der Überschrift: «Weltwirtschaftsklima verbessert sich». Positivere Konjunkturdaten in der Schweiz, ein höherer Einkaufsmanagerindex in Europa und womöglich gute Konjunkturdaten aus den USA: Geht es aufwärts?
Aufkeimende Hoffnung dank ifo-Studie
Die ifo-Studie der Universität München lässt die Hoffnung aufkommen, dass sich die Weltwirtschaft bald erholt. An der aktuellen Umfrage zur Weltkonjunktur im Juli 2003 haben sich 1’144 Experten von multinationalen Unternehmen oder international agierenden Institutionen aus 91 Ländern beteiligt. Der errechnete Weltwirtschaftsklima-Index konnte sich seit der vergangenen Befragung vor drei Monaten von 83,2 auf 91,3 Punkte steigern. Er liegt aber nach wie vor unter dem langfristigen Durchschnitt von 94,1 Punkten.
Europas Wirtschaft hinkt hinterher
Vor allem die Entwicklung in Europa läuft dem positiven Trend entgegen. Während in Nordamerika und in Asien der langfristige Durchschnitt des Wirtschaftsklimas wieder erreicht wurde, liegt der westeuropäische Klimaindex noch deutlich darunter. Dies, obwohl die Staatsverschuldung in einzelnen europäischen Ländern 2004 deutlich höher ausfallen wird, als erwartet. In Deutschland und Frankreich darf mit einem Defizit in Höhe von bis zu 4 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) gerechnet werden. Als Massnahme zur Konjunkturankurbelung wurde ein höheres Staatsdefizit in der Vergangenheit meist gern gesehen. Allerdings ist der Spielraum bei einer Höhe von 4 Prozent des BIP mehr als ausgereizt. Die betroffenen Länder können die Budgetkriterien nicht mehr erfüllen.KOF bremst Euphorie
Das KOF-Konjunkturbarometer der ETH Zürich zeigt ebenfalls nach oben. In Euphorie auszubrechen wäre allerdings viel zu verfrüht. Einerseits konnte sich der Index im Juli gegenüber dem Juni nur leicht verbessern. Andererseits basiert die erstmalige Tendenzwende auf der Tatsache, dass sich der Rückgang der Wirtschaft nicht so stark fortgesetzt hat. «Das kann als relative Verbesserung gewertet werden», sagt Daniel Bloesch von der KOF. Der Wirtschaft in der Schweiz geht es also trotz steigendem Konjunkturbarometer aktuell nicht besser. Es geht ihr aber auch nicht wesentlich schlechter.Trend noch nicht aussagekräftig
Als «Aufschwung» würde Bloesch die Zahlen des aktuellen Konjunkturbarometers denn auch nicht interpretieren wollen. Im Vergleich stieg der ifo-Indikator bereits zum vierten Mal in Folge. Da kann von einem Trend gesprochen werden. In der Schweiz ist ein solches positives Signal im Konjunkturbarometer noch ein bis zwei Mal nötig, um von eindeutig positiven Tendenzen sprechen zu können.Wirtschaft wittert Morgenluft
Dennoch: Die ganze Welt spricht von wirtschaftlichem Aufschwung. Einzelne Branchen wittern Morgenluft und hoffen nach teils sehr langen Durststrecken auf belebteres Geschäft. Auch Bloesch sieht für das kommende Konjunkturbarometer durchaus die Chance, dass es wieder höher ausfallen wird. Vor allem bei exportorientierte Unternehmen steigt die Zuversicht. USA als Konjunkturmotor
Entscheidend für die weltweite Konjunkturlage wird einmal mehr die Entwicklung in den USA sein. In der laufenden Woche werden vor allem der ISM-Einkaufsmanager-Index für das verarbeitende Gewerbe und die Veröffentlichung des Fed Beige Book am Mittwoch mit Spannung erwartet. Der ISM-Index soll wieder deutlicher über 50 Prozent liegen. Ein Stand des ISM-Index von über 50 Prozent signalisiert eine Expansion des Verarbeitenden Gewerbes in den USA, ein Niveau unterhalb dieser Marke weist auf eine Kontraktion hin. Erholung noch Zukunftsmusik
Nach der positiv verlaufenen Berichtssaison und dem deutlich nach oben revidierten US-Bruttoinlandsprodukt ist mit weiteren positiven Zahlen aus den USA und damit auch weiter mit einer optimistischen Stimmung an den Aktienmärkten zu rechnen. Schöne Aussichten. Der Berg ist allerdings noch längst nicht erklommen. Die Hoffnung auf bessere Geschäfte wird nicht das erste Mal geschürt. Tatsache aber ist, dass sich die Weltwirtschaft nach wie vor nicht in der Erholungsphase befindet. Doch träumen davon, das tut sie schon.Martin Skalsky (Swisscontent)
Konjunkturdaten Schweiz
Bruttoinlandprodukt
(1. Quartal 2003)-0,6%Arbeitslosenquote
(Juli 2003)3.6%Teuerungsrate
(August 2003)+0.5%Konsumentenstimmung
(3. Quartal 2003)-35PMI
(August 2003)50.0Prognosen Schweiz
(August 2003) Wirtschaftsinstitute
Defizitprognose für Deutschland korrigiert
Führende Wirtschaftsforschungsinstitute korrigieren derzeit ihre Defizitprognosen für Deutschland nach oben. «2004 wird die Neuverschuldung des Staates weit über drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) liegen», sagte Carsten-Patrick Meier, Konjunkturforscher beim Institut für Weltwirtschaft in Kiel (IfW).
Derzeit überarbeite das Institut seine Prognose vom Juni, als es von 3,2 Prozent Neuverschuldung ausgegangen war. Schuld sei vor allem die Lage am Arbeitsmarkt, die sich trotz der anstehenden Belebung der Konjunktur nicht nennenswert verbessern werde.
Auch das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung in München geht davon aus, dass sich Bund, Länder, Kommunen und Sozialversicherungen im kommenden Jahr höher verschulden müssen. «Die neue Marke wird deutlich über drei Prozent liegen», sagte Ifo-Konjunkturforscher Rüdiger Parsche. Auch das Ifo war bislang von 3,2 Prozent ausgegangen.
Finanzminister Hans Eichel (SPD) strebt indes an, das deutsche Defizit 2004 zu verringern – es soll von 3,8 Prozent in diesem Jahr auf weniger als drei Prozent im kommenden sinken. (awp/dpa/mc)