Dr. Jürg Werner, seit 2012 CEO der Metall Zug AG, strebte ursprünglich eine Forscherkarriere an. Führung war für ihn lange Zeit kein Thema. Wie er dennoch an die Spitze einer Unternehmensgruppe mit rund 5’000 Mitarbeitenden aufstieg und worauf es ihm als Leader heute ankommt, erzählt er im Interview mit Nicole Heimann.
Von Nicole Heimann
Schon früh habe er gemerkt, dass ihn Technik fasziniert. «In der dritten Primarklasse habe ich mein erstes Radio gebaut», erinnert sich Jürg Werner. So war es kaum verwunderlich, dass es den jungen Mann nach dem Studium der Elektrotechnik an der ETH Zürich in die Forschung zog. Er habe es spannend gefunden, immer wieder etwas Neues anzufangen, auch jenseits der Technik. «Ich finde viele Sachen faszinierend. Je mehr man sich mit etwas beschäftigt, desto interessanter wird es», erzählt Werner und man spürt deutlich den Forschergeist in ihm.
Ebenso klar wie sein Interesse an Forschung und Technik war für Werner in seinen jungen Jahren, dass er nie eine Führungsposition übernehmen wollte. Dies hing auch mit seinem Vater zusammen, der Direktor in einer Druckerei gewesen war. Nach mehrjähriger Forschungstätigkeit und Dissertation an der ETH nahm Werner eine Stelle bei Bell Communications Research (Bell Labs) in den USA an.
«Wenn schon Industrie, dann richtig»
Als seine erste Ehe scheiterte, kam er in die Schweiz zurück. Hier fand er allerdings nicht die Bedingungen vor, wie er sie von Bell kannte, wo allein 5000 Leute in der Forschung arbeiteten. Obwohl er zwei Jobangebote von IBM-Research erhielt, wechselte er 1989 in die Industrie. Nach dem Motto «Wenn schon Industrie, dann richtig» ging er in die Entwicklung der Cerberus AG, dem damaligen Weltmarktführer für automatische Brandmelder und Intrusion.
Nach einigen Jahren – Werner war inzwischen Leiter der Entwicklung Brandmelder – bot ihm ein Headhunter die Stelle als Entwicklungs-direktor bei V-Zug an. «Schauen Sie es sich doch mal an», habe der Headhunter am Telefon gesagt, wartete aber bereits vor der Tür, um ihn direkt nach Zug zu bringen. So sei Werner zu V-Zug gekommen, wo er 14 Jahre die Entwicklung leitete und 2010 zum CEO berufen wurde.
«Es gibt nicht ‘die’ Vorbereitung für einen CEO»
Trotz seiner Vorliebe für die Forschung hatte sich Werner für eine Führungsaufgabe in der Industrie entschieden. Aber auch hier wollte er kreativ sein und zusammen mit anderen Leuten etwas erreichen. «Darum bin ich dann trotzdem in die Führung gegangen», erinnert er sich.
Theoretisch sei er durchaus auf die neue Aufgabe vorbereitet gewesen. Nicht zuletzt habe er ja ein Nachdiplom-Studium in Unternehmensführung absolviert. Was ihn jedoch unvorbereitet traf, war die Situation. Diese sei aber immer einzigartig und man könne sich kaum darauf vorbereiten. «Darum gibt es vielleicht gar nicht ‘die’ Vorbereitung für einen CEO», glaubt Werner heute.
«Ich musste meinen eigenen Weg finden»
Die Anfangsphase bei V-Zug sei sehr intensiv gewesen, auch weil sein Vorgänger das Unternehmen stark geprägt hätte. «Ich musste meinen eigenen Weg finden und zu meiner Persönlichkeit stehen», so Werner. Kannte er bisher v.a. die Innensicht eines Unternehmens, hatte er als CEO erstmals Einblick in die Kundenperspektive. Hier habe er am meisten dazugelernt.
Neu sei für ihn ausserdem die grosse Verantwortung gewesen. «Man ist verantwortlich für den gesamten Betrieb, alle Mitarbeiter und die Familien, die dahinterstehen», erinnert sich Werner. Dies sei für ihn umso herausfordernder gewesen, da sich das Unternehmen seinerzeit in einer schwierigen Phase befunden habe. Der junge CEO musste feststellen: «Die Haltung ändert sich, wenn man die Gesamtverantwortung trägt.»
Wichtig sei für ihn gewesen, nicht mit einem vorgefertigten Konzept zu starten. Er habe zuerst geschaut, wo liegen die Stärken der Mitarbeitenden, wie kann man sie motivieren und inspirieren. Neben dem nötigen Handwerkszeug für die strategische Führung hält Werner eine gewisse «Tauchtiefe» für wichtig. Das Niveau müsse man im Gespräch mit Mitarbeitenden oder Kunden flexibel anpassen können. «Es reicht nicht, auf der Powerpoint-Ebene zu bleiben», ist sich Werner sicher.
Um eine Vision zu entwickeln, sollte man allerdings zum richtigen Zeitpunkt wieder auftauchen und abheben. Die Kunst sei zu wissen, wann man loslassen müsse, weiss Werner aus eigener Erfahrung. Dies galt insbesondere nach seinem Wechsel auf den CEO-Posten der Metall Zug Gruppe. Dieser ist sehr strategisch ausgerichtet und Werner – der in seinen vorherigen Positionen stärker operativ tätig war – musste erst die richtige Balance von Festhalten und Loslassen finden. «Ich musste lernen, dass es nicht immer nur einen Weg gibt», erinnert sich Werner.
Keine politischen Ränkespiele!
Solide Bodenhaftung, ganzheitliches Denken sowie Offenheit gegenüber verschiedenen Lösungsansätzen seien aber nur ein Teil der Kompetenzen eines CEOs. Noch wichtiger für eine erfolgreiche Leadership seien Verlässlichkeit und Vertrauen, ist sich Werner sicher. Beides dürfe man aber nicht nur einfordern, sondern müsse es selber schaffen und leben. Insbesondere politische Ränkespiele hätten in einer Unternehmenskultur nichts verloren. «Wenn jemand regelmässig gute Leistungen erbringt, muss das ein Vorgesetzter sehen. Sonst entsteht ein schädlicher Wettbewerb zwischen den Mitarbeitenden. Politik sollte man aus dem Unternehmen verbannen», ist der CEO der festen Überzeugung.
Neben Integrität und Glaubwürdigkeit setzt Werner bei seiner Führungsarbeit auch auf Kreativität. «Man soll die Leute fordern, aber auch begeistern können.» Ganz besonders gut erinnert er sich an ein Crash-Projekt bei V-Zug, bei dem in eineinhalb Jahren der Combi-Steamer von Grund auf entwickelt wurde. «Das war eine spannende Phase, ein super Projekt, an das sich heute noch viele Mitarbeitenden erinnern. Ich denke, solche gemeinsamen Erfahrungen hinterlassen ihre Spuren», erzählt Werner nicht ganz ohne Begeisterung.
Gemeinsam erfolgreich sein
Es sind diese Erfolgserlebnisse, aus denen der ehemalige Forscher seine persönliche Erfüllung als CEO schöpft. «Es gibt mir viel, wenn wir zusammen Erfolge haben, mit der Mannschaft weiterkommen, Ziele erreichen. Wir sind ein Konzern, der im Premiumbereich arbeitet. Wir sind innovativ, vieles dreht sich um Präzisions- und Spitzentechnologie. Wenn man hier gemeinsam etwas erreichen kann, das fasziniert und treibt an.» Offenbar hat Werner einen Weg gefunden, als CEO bei V-Zug den Forscher in ihm lebendig zu halten.
Aber es sind nicht nur Neugier und Technikbegeisterung, die den CEO auszeichnen. Zu seinem Mindset gehört auch eine gehörige Portion Understatement. «Sehr oft sagt man, es sei die Führung, der CEO, auf den es ankommt. Wenn man aber genauer hinschaut, sind es ein paar gute Leute darunter, die den Unterschied machen», so Werner, der sich darauf freut, später einmal mehr Zeit zu haben, wieder selber kreativ zu sein. Einmal Forscher, immer Forscher!
Über Nicole Heimann & Partners AG
Nicole Heimann & Partners AG hat sich exklusiv auf das professionelle Coaching von High Level, High Performance Individuen und Teams spezialisiert mit dem Ziel, authentische Leadership Alliances in Unternehmen zu etablieren. In ihrem Buch «How to develop the Authentic Leader in you» zeigt Nicole Heimann den Wert von authentischer Führung in unserer Wirtschaft. Die Einnahmen des Buches gehen direkt an die Bullens Heimann & Friends Stiftung.