Zudem sei Fiat weit von der guten Kommunikation mit den Händlern entfernt, die bei Opel üblich sei. «Dort ist die Klage das Mittel der Händler, zu ihrem Recht zu kommen», kritisierte Bieling. Auch EU-Industriekommissar Günter Verheugen äusserte im Bayerischen Rundfunk Skepsis über einen Einstieg von Fiat bei Opel. «Mein erstes Gefühl ist doch das einer Überraschung.» Fiat sei ein direkter Konkurrent von Opel und «nicht gerade der europäische Autobauer, dem es am besten geht». Mit Blick auf die Verhandlungen über eine Allianz von Fiat mit dem US-Hersteller Chrysler sagte er: «Ich frage mich, woher soll dieses hoch verschuldete Unternehmen die Mittel hernehmen, um gleichzeitig zwei solche Operationen zu stemmen?»
Verärgerung in Italien
Der Turiner Autohersteller reagierte sichtlich verärgert: «Ich bin verwundert über den Ton und den Inhalt dieser Erklärungen», sagte Fiat-Chef Sergio Marchionne. Erneut habe Verheugen Meinungen geäussert, «die für die Autoindustrie nicht konstruktiv sind.» Er sei immer davon ausgegangen, dass ein verantwortlicher EU-Kommissar unabhängig von seiner Nationalität über den Dingen stehe, sagte Marchionne. Zu erwarten gewesen wäre aus seiner Sicht ein konstruktiver Dialog mit Europas Herstellern und keine «Todesurteile, einseitig auswählend, wer überleben müsse.»
«Zwei kranke Mütter im Spiel»
Opel-Betriebsrat und Gewerkschaft fürchten indes, dass die angestrebte Eigenständigkeit Opels mit Fiat nicht realisierbar ist. Der Einstieg der Italiener würde nicht «zu mehr Autonomie» führen, sagte IG-Metall-Bezirksleiter Armin Schild. «Das ist, was wir für dringend erforderlich halten, die unternehmerische Führung muss nach Rüsselsheim.» Mit Fiat und einer Minderheitsbeteiligung der derzeitigen US-Mutter General Motors (GM) «wären zwei kranke Mütter im Spiel»: «Das hält das stärkste Unternehmen nicht aus».
Dennoch Gemeinsamkeiten
Der Betriebsratsvorsitzende des Bochumer Opel-Werks, Rainer Einenkel, sagte am Freitag im Westdeutschen Rundfunk, wenn zwei Partner sich zusammenschlössen, dürfe nicht einer auf der Strecke bleiben. Man müsse «aufpassen, dass nicht über diesen Weg ein möglicher Konkurrent ausgeschaltet werden kann.» Er wies darauf hin, dass Fiat und Opel das gleiche Produkt-Portfolio haben. In vielen Punkten gebe es Gemeinsamkeiten. Der Markt sei jedoch nicht ohne weiteres zu vergrössern.
Magna vielversprechender Interessent
Schild begrüsste das Interesse des Autozulieferers Magna an Opel. «Ich glaube, dass Magna ein vielversprechender Interessent ist, aber ich weiss auch, dass es weitere vielversprechende Interessenten gibt», sagte er am Freitag im ZDF-«Morgenmagazin». Weitere Namen könne er aus Rücksicht auf die potenziellen Investoren nicht nennen.
Keine Vorfestlegung der Regierung
Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) stellte am Donnerstag im ZDF «heute-journal» klar, dass es bezüglich potenzieller Investoren noch keine «Vorfestlegung der Bundesregierung» gebe. «Wir haben noch nicht mal ein industrielles Konzept seitens Fiat oder eines anderen Investors, und das sollten wir abwarten.» Die Bundesregierung verkündete am Freitag, sie bestehe beim Einstieg eines Investors bei Opel auf ein zukunftsfähiges Konzept. Bundesregierung und Bundeswirtschaftsministerium achteten weiterhin auf den Erhalt der deutschen Standorte und Arbeitsplätze, machten Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sowie der Sprecher des Wirtschaftsministerium, Steffen Moritz, in Berlin deutlich.
Opel-Taskforce in Washington
Spitzenvertreter der Bundesregierung loten derzeit mit der US-Regierung die weiteren Zukunftschancen für den Autobauer Opel aus. Zu entsprechenden Gesprächen ist die von der Bundesregierung eingesetzte Verhandlungsgruppe nach Washington gereist.
Zukunftskonzept gefordert
Die IG Metall forderte ein Zukunftskonzept für Opel, an dem sich die Arbeitnehmer beteiligten. Dazu gehöre eine Bestandsgarantie für Opel als Technologiekonzern sowie der Verzicht auf Werkschliessungen und betriebsbedingte Kündigungen, sagte Schild. Diese Forderungen hatten auch die Arbeitnehmervertreter bei Opel aufgestellt. Die 25.000 Mitarbeiter in Deutschland verlangen zudem eine eigenständige europäische Opel AG mit Sitz in Rüsselsheim. Im Gegenzug wollen sie Einschnitte beim Lohn und bei den Arbeitszeiten akzeptieren. Opel hatte seine Überkapazitäten auf 30 Prozent beziffert und strebt Einsparungen von 1,0 Milliarden Euro an.
Reicher Scheich ist Wunschdenken
Der Automobilexperte Willi Diez warnte vor «Wunschdenken» in Bezug auf eine Rettung von Opel. Es sei utopisch zu hoffen, dass morgen ein reicher Scheich aus Abu Dhabi den Rüsselsheimern zu Hilfe eile. «Die Leute, die das glauben, die glauben auch an 1001 Nacht», sagte der Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft an der Hochschule Nürtingen-Geislingen. Der Autobauer habe nur mit einem industriellen Partner eine Chance. «Fiat und Opel könnte eine mögliche Konstellation sein.» Opel werde dabei zwar Federn lassen müssen, bekomme aber einen Weg in die Zukunft geboten, über den man froh sein sollte. «Die Uhr bei Opel tickt.» (awp/mc/ps/19)