Wie digitale Verbriefungen den Weg für ein liquideres und effizienteres Finanzökosystem bereiten können
Dass bestimmte Anlageklassen mit Papierurkunde verbrieft werden, ist nicht mehr zeitgemäss. Die digitale Verbriefung von Vermögenswerten öffnet den Markt. Zugleich wird der Markt liquider, effizienter und diversifizierter.
Von Sebastian Otutuama, AQUATY
Private Equity ist ein wesentlicher Bestandteil des globalen Finanzökosystems und bietet Anlegern oft überdurchschnittliche Renditen. Allerdings steht dieser Markt vor drei grossen Herausforderungen: Manuelle, nicht-standardisierte Prozesse führen zu hohen Transaktionskosten und langwierigen Abläufen. Zudem mangelt es an Transparenz, was den Zugang zu genauen Informationen erschwert. Schliesslich bleibt der direkte Zugang zu privaten Kapitalmärkten aufgrund von Komplexität, Kosten und fehlender Digitalisierung meist Experten oder institutionellen Anlegern vorbehalten, was den Markt illiquide macht.
Was funktioniert die Verbriefung hin zu digitalen Assets?
Digitale Verbriefungen setzen genau hier an: Nahezu alle physischen oder finanziellen Vermögenswerte können digital verbrieft werden – etwa Unternehmensbeteiligungen, Kunstwerke, Immobilien, Infrastruktur oder Luxusgüter.
Die Grundlage bildet eine technische Infrastruktur, die den gesamten Investitionsprozess digitalisiert und Zeit sowie Kosten für die Emission digitaler Wertpapiere erheblich – teilweise um bis zu 90 Prozent – reduziert. Dadurch können Investoren ihre Energie auf Wachstum statt auf administrative Aufgaben richten.
Die Verbriefung, auch Securitization genannt, erfolgt in drei Phasen:
Strukturierung: Zunächst werden die Vermögenswerte strukturiert. Kunden wählen hierfür den Vermögenstyp (z. B. Immobilien, Risikokapital, Schulden), die Investmentform (Eigenkapital, Fremdkapital, Mischformen) und die gewünschte Rechtsstruktur aus. Die meisten Projekte erfordern die Gründung eines Special Purpose Vehicles (SPV). Das ist eine Zweckgesellschaft, die von der Muttergesellschaft mit dem Zweck gegründet wird, Vermögenswerte zu halten und Risiken zu minimieren. Denn sollte die Muttergesellschaft insolvent gehen, gelten die Vermögenswerte im SPV nicht als Haftungsmasse. Die Verbriefungsplattform erstellt daraufhin automatisch die erforderlichen Wertpapierunterlagen.
Emission: In einem zweiten Schritt wird der Vermögenswert in ein bankfähiges ISIN-Wertpapier umgewandelt. Die Technologie basiert dabei auf der Blockchain und bietet eine hohe Sicherheit, da sie sämtliche Transaktionen fälschungssicher und transparent aufzeichnet. Besitzverhältnisse lassen sich daher sicher und zügig nachvollziehen. Zugleich erfüllt die digitale Verbriefung sämtliche EU-Regulatorien.
Handel: Mit integrierten globalen Brokerage-Diensten sorgt die Plattform in einem dritten Schritt für sichere und regelkonforme Transaktionen in verschiedenen Märkten. Investoren können ihre Vermögenswerte über die Blockchain kaufen und verkaufen, und zwar ohne dass hierzu Intermediäre, wie etwa Notare oder Banken, notwendig sind. Im Gegensatz zu öffentlich gelisteten Aktien oder Anleihen werden die digital verbrieften Assets nicht in einem Wertpapierdepot, sondern in einer Wallet verwahrt. Dieses erlaubt es dem Inhaber, seine digitalen Vermögenswerte sicher zu speichern, zu verwalten und zu übertragen. Selbstverständlich erfolgen alle Transaktionen unter strenger Einhaltung der Know-Your-Customer (KYC) und Anti-Geldwäsche-Standards.
Warum ist Securitization sinnvoll?
Der digitalen Verbriefung liegen zwei inhärente Prozesse zugrunde: Erstens verändert sie den „Aggregatzustand“ der Vermögenswerte von illiquide zu liquide und macht sie handelbar. Zweitens ist der Vermögenswert dadurch standardisiert und strukturiert, sodass die Kosten pro Transaktion auf einen Bruchteil sinken. Tokenisierung macht den privaten Kapitalmarkt also sehr viel effizienter.
Diese beiden Eigenschaften digitaler Assets wiederum haben das Potenzial, den privaten Kapitalmarkt nachhaltig zu verändern, und zwar in dreierlei Hinsicht:
Securitization macht den Markt liquider
Der Markt für Sachwerte ist bekannt dafür, dass Güter nur beschränkt und zu bestimmten Zeitpunkten handelbar sind. Denken wir nur an eine Immobilie, bei der ein Verkauf schnell mehrere Monate dauert. Digitale Wertpapiere hingegen sind – zumindest in der Theorie – jederzeit handelbar. Praktisch gibt es zwar bis dato nur wenige Sekundärmärkte, sodass die Aussage nur eingeschränkt gültig ist. Dennoch lassen sich digitale Assets schon heute wesentlich schneller liquidieren als traditionelle Vermögenswerte. Dies bietet Investoren mehr Flexibilität und optimiert das Portfoliomanagement.
Securitization erlaubt eine grössere Diversifikation der Portfolios
Die vollständige Digitalisierung des gesamten Investitionsprozesses reduziert die administrativen Hürden und die damit verbundenen Kosten erheblich. Intermediäre entfallen und der Prozess wird gleichzeitig transparenter. Das wiederum senkt Investitionsbarrieren – Anleger können in kleinere und mehr Tickets investieren und ihr Portfolio diversifizieren. Und je breiter Privatanleger mit ihren Portfolios aufgestellt sind, desto weniger Klumpenrisiken sind sie ausgesetzt. Dies ermöglicht im Ergebnis also ein breiteres Engagement und ein besseres Risikomanagement.
Securitization macht den Markt für eine breitere Anlegerschicht zugänglich
Private Equity und andere Anlageklassen wie Kunst oder Luxusgüter waren bislang schwer zugänglich für Privatanleger. Die digitale Verbriefung ermöglicht durch kleine Ticketgrössen einen einfacheren Zugang und Handel solcher Vermögenswerte.
Noch ist die Demokratisierung des Kapitalmarkts eher Zukunftsmusik. Perspektivisch gehe ich jedoch davon aus, dass die Securitization Investitionsmöglichkeiten für eine grössere Bandbreite an Personen eröffnet – auch für solche, die bisher nicht in der Lage waren, direkt in die Vermögenswerte zu investieren. Niedrigere Einstiegshürden und geringere Kosten fördern dabei die Diversifikation von Portfolios und schaffen ein inklusiveres Finanzökosystem.
Digitale Assets eröffnen neue Möglichkeiten für Anleger
Im Mai 2024 kündigte der weltweit grösste Vermögensverwalter BlackRock an, Vermögenswerte im Wert von 10 Billionen US-Dollar zu tokenisieren. Das ist ein mutiger Schritt, und der Erfolg dieses Vorhabens könnte den Weg für eine neue Ära der Investitionen ebnen, in der digitale und traditionelle Finanzen zusammenwachsen, um einen integrativeren, effizienteren und transparenteren Markt zu schaffen. Die Finanzunternehmen HSBC und Northern Trust gehen davon aus, dass bis 2030 voraussichtlich 5 % bis 10 % aller Vermögenswerte durch Token abgebildet werden und das globale Marktvolumen von Token etwa 19,5 Billionen Dollar betragen wird.
Ich bin überzeugt: Effizienz, Flexibilität und der Zugang zu Liquidität sind im privaten Kapitalmarkt heute wichtiger denn je. Deshalb wird die digitale Verbriefung und der Handel von Vermögenswerten zu einem unverzichtbaren Bestandteil des Kapitalmarkts von morgen. Ein vollständig digitaler Syndizierungsprozess für Vermögenswerte jeder Art eröffnet enorme Chancen und wird die Zukunft der Kapitalmärkte entscheidend gestalten.
Über den Autor Sebastian Otutuama ist Mitgründer und Geschäftsführer von AQUATY, einer digitalen Plattform, die darauf abzielt, Investitionen in Privatmärkte effizienter, zugänglicher und liquider zu gestalten. In seiner Rolle ist er für die Pflege und Weiterentwicklung des umfassenden Produktsortiments von AQUATY verantwortlich, das den gesamten Investitionszyklus unterstützt. Sebastian Otutuama bringt umfangreiche Erfahrungen sowohl als Gründer als auch als Investor mit. Er hat einen Abschluss in Informatik von der Universität Paderborn und ist Absolvent der Founders Foundation. |