Die künftige Infrastrukturplanung hat sich deshalb auf weiträumige Umfahrungen von Agglomerationen auszurichten. Damit kann gewährleistet werden, dass der Verkehr über grosse Distanzen nicht durch den Lokal- und Regionalverkehr behindert wird, der aus den Dörfern und Städten verdrängt worden ist, um deren Kerne und Quartiere zu entlasten. Diese Umfahrungen hatte der Bundesrat bereits im Jahr 1960 in Aussicht gestellt.
94 Prozent des geplanten Netzes gebaut
Nach fast 50-jähriger Bauzeit waren Ende 2009 total rund 1’789 Kilometer (km) Nationalstrassen, was 94 Prozent der gegenwärtig geplanten Netzlänge (1’892 km) entspricht, in Betrieb. Von dieser Streckenlänge sind über 70 Prozent älter als 30 Jahre und zum Teil sanierungsbedürftig. Heute wickeln sich zudem fast zwei Fünftel des gesamten Strassenverkehrs auf dem Nationalstrassennetz ab. Es erstaunt deshalb wenig, dass auf den Autobahnen während mehr als 7’500 Stunden oder rund 312 Tagen pro Jahr wegen Verkehrsüberlastung Staus auftreten. Schon vor 12 Jahren hielt das Bundesamt für Strassen (ASTRA) in seinem Jahresstaubericht 1998 fest: «Die Überlastung auf dem Hauptnetz wird Verkehrsverlagerungen auf das untergeordnete Netz, das einen tieferen Sicherheitsstandard aufweist, verursachen. Dies führt zu erhöhtem Unfallrisiko und wird schliesslich zum Verkehrsinfarkt führen.»
Von solchen Verkehrszusammenbrüchen insbesondere betroffen sind Nationalstrassenabschnitte in den Agglomerationsräumen sowie zwischen den grossen Städten unseres Landes. Zählt man alle Staus auf sämtlichen Strassen zusammen, entstehen der Volkswirtschaft jährlich wiederkehrende Kosten in der Höhe von rund 1,5 Milliarden Franken. Diese Staus und Kosten fussen auf der Tatsache, dass auf dem Nationalstrassennetz so genannte Redundanzen (gleichwertige Ausweichrouten) fehlen: so etwa auf den Strecken Luterbach?Härkingen?Wiggertal, Baden?Zürich?Winterthur oder Genf?Lausanne.
Nationalstrassen sind zusammenhängende Ortsumfahrung
Es ist offensichtlich: Die Ansprüche und Vorgaben betreffend das Nationalstrassennetz werden ? was funktionstüchtige und leistungsfähige Verkehrsverbindungen für den Fernverkehr zwischen den grossen Metropolen sowie den einzelnen Landesteilen anbelangen ? bereits seit einigen Jahren nicht mehr erfüllt. Eine unter dem Eindruck des «Waldsterbens» und von «Smogepisoden» stehende Verkehrspolitik hat es seit rund einem Vierteljahrhundert versäumt, die Strasseninfrastrukturen so weiter zu entwickeln und in ausreichendem Umfang zur Verfügung zu stellen, dass das Verkehrssystem ordnungsgemäss sowie möglichst störungsfrei betrieben und unterhalten werden kann.
In dicht besiedelten Gebieten nehmen die Nationalstrassen einen Grossteil des Ziel-, Quell- und Binnenverkehrs auf. Sie stellen ferner die Erreichbarkeit der Wirtschaftszentren sicher, entlasten die innerstädtischen Strassen vom Verkehr und leisten damit einen namhaften Beitrag an den Erhalt wohnlicher sowie funktionsfähiger Städte und Agglomerationen. Allerdings haben stadtnahe Autobahnen heute die Funktion lokaler und regionaler Strassen übernommen. Dies hat zur Folge, dass der überregionale Verkehr vielfach behindert, ja sogar blockiert wird.
Anzahl vorgesehener Autobahnanschlüsse verdoppelt
Bereits bei der Planung des Nationalstrassennetzes vor rund einem halben Jahrhundert hatte der Bundesrat die Problematik einer übermässigen Verlagerung des Verkehrs aus dem örtlichen Strassennetz der Städte auf die Autobahnen und damit die Einschränkung deren Funktion als überregionales Hochleistungsstrassennetz erkannt. In seiner Botschaft vom 5. Februar 1960 über die Festlegung des Nationalstrassennetzes konstatierte er: Die Gestaltung der Anschlüsse und die Aufnahmefähigkeit des unmittelbar beeinflussten örtlichen Strassennetzes müsse Gewähr dafür bieten, dass sich der Durchgangsverkehr auf den Expressstrassen trotz der dichteren Folge und der verstärkten Benützung der Anschlüsse auf Stadtgebiet ohne unzumutbare Einschränkungen zügig sowie sicher abwickeln kann. Als das Nationalstrassennetz von der Bundesversammlung im Jahr 1960 beschlossen wurde, waren 230 Autobahnanschlüsse vorgesehen. Gegenwärtig verfügt das Nationalstrassennetz mit 420 Anschlüssen über fast die doppelte Anzahl. Auf einer Länge von nahezu 1’800 Kilometer ergibt dies im Durchschnitt alle vier Kilometer einen Anschluss. Deshalb dürfen die Nationalstrassen heute fraglos als zusammenhängende Ortsumfahrung bezeichnet werden.
Ergänzung durch weiter abliegende Umfahrungsstrassen
Auch wenn das auf dem Beschluss von 1960 beruhende Nationalstrassennetz nach 60 Jahren (!) etwa 2020 fertig gestellt sein wird, sind mit Blick auf die Wachstumsperspektiven (Bevölkerung, Wirtschaft, Verkehr) die Verkehrsinfrastrukturen in der Schweiz nicht zu Ende gebaut. Bereits bei der Planung stellte der Bundesrat in vorgenannter Botschaft entsprechende Netzerweiterungen in Aussicht: Der Bau von Städteumfahrungen erhalte erst dann seine Berechtigung, wenn die Kapazität der innerstädtischen Expressstrassen erschöpft ist. In dieser Phase soll das Expressstrassensystem durch allfällig notwendige weiter abliegende Umfahrungsstrassen ergänzt werden.
Mit dem Programm zur Beseitigung von Engpässen im Nationalstrassennetz ist besagte Phase eingeläutet worden. Die grössten Engpässe auf den Nationalstrassen sollen für den überregionalen Verkehr eliminiert werden. Weitere Schwachstellen sind von den Kantonen bezeichnet, vom Bund für den Moment jedoch zurückgestellt worden. Dabei ginge es heute darum, die planerischen Aufgaben an die Hand zu nehmen sowie die konkreten Vorstellungen darüber festzulegen, wie das Nationalstrassennetz im Jahr 2050 aussehen soll. Das Schwergewicht wäre analog dem Bahn-2000-Konzept ? eine Stunde Wegstrecke zwischen den Destinationen ? auf leistungsfähige und funktionstüchtige Hochleistungsstrassen zwischen den schweizerischen Metropolitanräumen zu legen. Zu diesem Zweck wären weiträumige Umfahrungen von Agglomerationen bereit zu stellen, damit dereinst gewährleistet werden kann, dass der Verkehr über grosse Distanzen nicht fortwährend durch den Lokal- und Regionalverkehr behindert wird, der aus den Dörfern und Städten verdrängt worden ist, um deren Kerne und Quartiere zu entlasten.
Nationalstrassennetz erfordert gegen 65 Mrd Franken
Die Vollendung des Nationalstrassennetzes, der ordentliche Ausbau, die Netzergänzungen sowie der Neue Netzbeschluss schlagen laut Hochrechnungen des Bundes mit insgesamt fast 33 Milliarden Franken zu Buche. Für die weitere bevorstehende Engpassbeseitigung auf den Nationalstrassen sind gemäss Bundesrat bzw. UVEK in Zukunft total rund 31,6 Milliarden Franken erforderlich. Summa summarum werden ? um die Leistungsfähigkeit und Funktionstüchtigkeit des Nationalstrassennetzes wiederherzustellen bzw. aufrecht zu erhalten ? künftig gegen 65 Milliarden Franken benötigt (siehe unten stehende Abbildung). Davon ist gegenwärtig knapp die Hälfte finanziert. (strasse schweiz/mc/ps)