Wohnungsnot – und trotzdem kaum neue Mietshäuser


Die Hypothekarzinsen in der Schweiz bewegen sich zurzeit auf ihrem tiefsten historischen Stand. Trotzdem werden wenig neue Mietobjekte gebaut. In vielen Kantonen herrscht sogar wieder Wohnungsnot.


(pd)
Trotz tiefsten Hypozinsen wird kaum gebaut – ein Widerspruch? Beobachter und Akteure des Immobilienmarktes erklären dies mit dem Zusammentreffen von mehreren Faktoren: der Rezession, dem Bodenmangel, der Überreglementierung, aber auch der Unsicherheit über das zukünftige Mietrecht. François Cadosch, Vizepräsident des Schweizerischen Baumeisterverbands (SBV), glaubt: «Der Grund des Problems ist ein Mangel an Vertrauen in die Zukunft. Die potenziellen Investoren wissen nicht, was passieren wird, sie zögern es vor zu warten.


Aussergewöhnliche Unlust zu investieren
Dennoch ist Cadosch «sehr erstaunt» über das Ausmass der aktuellen Lethargie. In der Mitte der 1990er Jahre wurden bei Hypothekarzinsen von 5,5 bis 6 Prozent mehr neue Mietobjekte gebaut. Heute betragen die variablen Zinsen im Allgemeinen 3,25 Prozent. «Die Zinsen sind nicht alles. Heute sind sie niedrig, doch wie werden sie in fünf Jahren aussehen?», relativiert André Bender, Professor für Finanzplanung an der Universität Genf und Kenner des Immobilienmarktes.


Städte und Kantone blockieren
Für Bender sind vor allem administrative Zwänge der Grund für die Zurückhaltung. Im Klartext heisst das, die Städte und Kantone, die unter dem angespannten Immobilienmarkt am meisten leiden, konzentrieren sich zu sehr auf Reglemente, Quartierpläne oder Zonenpläne. «In Genf gibt es Projekte. Aber sie sind blockiert», bestätigt Bender. Hinzu kommt ein zusätzliches Problem. Die Investoren wollten in erster Linie ihre eigenen Fonds rentabel machen, sagt Christelle Bérard vom Informations- und Ausbildungszentrum für Immobilien (IAZI) in Bülach. Die Bauträger versuchen deshalb, häufige Mieterwechsel zu vermeiden, weil es dabei jedes Mal Schäden gibt. Kleine Wohnungen sind für Investoren unattraktiv
So werden kleine Wohnungen gemieden, bei denen die Mieter häufiger wechseln. Dies zeigen auch die Zahlen des Bundesamtes für Statistik (BFS): Im vergangenen Jahr wurden in der ganzen Schweiz nur 360 Einzimmerwohnungen gebaut. 1990 waren es noch 2010. Auch die Zwei- und Dreizimmerwohnungen waren in den 90er Jahren weniger gesucht. Im Gegensatz dazu ist die Konstruktion von sehr grossen Wohnungen mit sechs Zimmern und mehr seit 1996 konstant gestiegen. Mieter werden bald Eigentümer
Ein weiterer Grund für die Zurückhaltung der Investoren ist die letzte Revision des Mietrechts, die dem Volk im Februar 2004 vorgelegt wird. «Sie ist von zu vielen Unsicherheiten belastet und stellt weder uns noch den Schweizerischen Mieterinnen- und Mieterverband zufrieden», sagt Jacques Ansermet, Jurist der Fédération romande immobilière. Die Bauträger ziehen es als Konsequenz vor, Wohnungen, die zum Verkauf bestimmt sind, Appartmenthäuser (Besitz pro Stockwerk) oder Gemeinschaftsvillen zu bauen. Wenn es keine weiteren Anreize gibt, werden die niedrigen Zinsen die vielen Mieterinnen und Mieter am Ende dazu verleiten, selbst Eigentümer zu werden. (afx/scc/koj)


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