Wolfgang Werlé: «Wir sind zunehmend zum Konzept–Anbieter geworden»


Die Backwarenherstellerin Hiestand hat auch im 3. Quartal kräftig zugelegt. CEO Wolfgang Werlé erklärt im Moneycab-Interview die Hiestand-Erfolgs-Philosphie sowie seine Zielsetzungen für das nächste Jahr und äussert sich zu den Erwartungen des Aktienmarktes.

Von Patrick Gunti

Moneycab: Herr Werlé, die Hiestand Gruppe präsentiert Quartal für Quartal hervorragende Zahlen. Im 3. Quartal betrug die Umsatzsteigerung 20,6 %, in den ersten neun Monaten gesamthaft 20,1 %. Worauf ist dieser Erfolg zurückzuführen?

Wolfgang Werlé: Alle Hiestand–Märkte haben zu der sehr erfreulichen Umsatzsteigerung beigetragen. So sind wir in unseren Märkten aus eigener Kraft, also organisch, in den ersten 9 Monaten des Jahres 2004 um 9,2 % gewachsen. Einen wesentlichen Beitrag zum Wachstum leistete jedoch die im Februar 2004 getätigte Akquisition der Firma Back & Friends in Deutschland, welche mit 9,9 % zu Buche schlägt. Positive Währungs-einflüsse haben einen Effekt von 1 %. Neben dem sehr erfreulichen Wachstum in Deutschland konnten wir in Polen, Japan und Südostasien zweistellig wachsen und auch der Markt Schweiz zeigte ein erfreuliches Wachstum von 8 %.

Unser Erfolg ist grundsätzlich auf die konsequente Umsetzung unseres Hiestand Service Konzeptes zurück zu führen. Um unser Kernsortiment, den Hiestand Produkten, herum offerieren wir unseren Kunden eine Vielzahl von Produkten, welche bei ausgesuchten und von uns kontrollierten Produzenten zugekauft werden und unser Verkaufsortiment massgeblich erweitern. So können wir unseren Kunden im Bereich Tiefkühl – Backwaren praktisch jeden Wunsch bezüglich Produkten erfüllen. Wir sind also neben dem Produzenten von Tiefkühl–Backwaren zunehmend zum Konzept–Anbietergeworden. Zusätzlich bieten wir unseren Kunden eine umfassende Logistik–Leistung an und unterstützen noch stärker als bisher in Schulungsfragen, individuellem Werbematerial, Beratung beim Ofenkauf bis hin zur Ladeneinrichtung. Mit unserem Service–Konzept konnten wir die Partnerschaft mit unseren Kunden noch verstärken und das macht unseren Erfolg aus.

So wie das bisherige Geschäftsjahr verlaufen ist, werden Sie wahrscheinlich sogar die Jahresziele – 18 % Umsatzwachstum, 9,5 % EBIT-Marge und eine Konzernergebnis-Marge über 5 % – übertreffen. Stimmt diese Annahme und was bedeutet dies in Zahlen?

Nach heutiger Erkenntnis stimmt diese Aussage. Basierend auf der sehr guten Entwicklung der ersten 9 Monate können wir unsere gesetzten und kommunizierten Jahresziele für 2004 bestätigen. Das Jahr hat aber immer noch 3 Monate bis zum Ende und speziell die Monate November undDezember entscheiden, ob wir ein gutes oder ein sehr gutes Jahr haben. Ich hoffe auf ein sehr gutes Jahr mit leicht besseren Margen als kommuniziert, möchte aber heute noch keine Zahlen diesbezüglich nennen.

Der Hiestand-Aktienkurs ist in den letzten Monaten stetig gestiegen. Auf die neuesten Zahlen hat der Markt ziemlich verhalten reagiert. Wie wichtig und Einfluss auf Ihre Arbeit nehmend ist für Sie der Aktienkurs des Unternehmens?

Es ist richtig, der Aktienkurs von Hiestand ist in den letzten Wochen förmlich explodiert. Unser Aktienkurs spiegelt die Erwartungen des Marktes, der Investoren und Analysten wider. Und die Erwartungen sind berechtigt, bewegen wir uns doch in einem interessanten Markt mit erheblichen Wachstumspotentialen. Natürlich „schielt“ man als börsenkotiertes Unternehmen hin und wieder auf die Entwicklung des Aktienkurses. Er hat aber keinen Einfluss auf meine tägliche Arbeit. Wir müssen konsequent den eingeschlagenen Weg weiter verfolgen und für unsere stetig wachsende Kundenzahl hervorragende Produkte herstellen und vertreiben. Wir müssen unsere Kosten ständig unter Kontrolle behalten und Innovationsführer unserer Industrie bleiben. Wenn wir dies weiterhin tun, werden wir bei Hiestand erfolgreich bleiben. Der Aktienkurs wird das dann garantiert widerspiegeln.

In der Schweiz resultierte gegenüber der Vorjahresperiode ein Umsatzplus von 8 %. Wie werten Sie dieses Ergebnis?

Ich bin sehr zufrieden mit dem Wachstum des Marktes Schweiz in den ersten 9 Monaten dieses Jahres. Die Schweiz ist immer noch unser Hauptmarkt. Hier ein organisches Wachstum von 8 % zu erzielen ist eine stolze Leistung.

Wie Hiestand kommuniziert hat, verläuft das Projekt des Gemeinschafts-unternehmens „HiCoPain“ in Partnerschaft mit Coop plangemäss, sprich die erste von fünf Produktionslinien wird noch vor Ende Jahr in Betrieb genommen. Würden Sie uns das Projekt „HiCoPain“ etwas detaillierter schildern?

„HiCoPain“ ist ein Gemeinschaftsunternehmen von Hiestand und COOP. An diesem Unternehmen hält Hiestand 60 % und unser Partner COOP 40 %. Auf fünfProduktionslinien werden tief gefroreneGipfel, Zöpfe, Baguette, Brote und Brötchen hergestellt. Sitz von „HiCoPain“ ist Dagmersellen im Kanton Luzern. Unser Logistik – Partner, die Firma Galliker Transport AG ist Eigentümerin des Gebäudes, „HiCoPain“ ist Mieterin. Gemeinsam investieren Hiestand und COOP 50 Mio. Franken in den Ausbau und die Produktionstechnologie. Bereits im November wird die erste Produktionslinie zur Herstellung von Zöpfen in Betrieb gehen, der offizielle Beginn Produktion ist auf den 1. Januar 2005 festgelegt.

Was für ein Umsatzwachstum erwarten Sie bei voller Auslastung von „HiCoPain“?

Bei voller Auslastung von „HiCoPain“ und bezogen auf eine Jahresbasis erwarten wir ein Umsatzwachstum von ca. 70 Mio. Franken. Dieser Umsatz wird bei Hiestand voll konsolidiert.

Neben dem Schweizer Markt wird Ihnen vor allem das Geschäft in Deutschland Freude bereiten, wo im 3. Quartal sogar eine Steigerung von 42 % resultierte. Wie sieht es mit den anderen Märkten aus?

Wie schon erwähnt haben neben Deutschland und der Schweiz alle Hiestand–Märkte zum sehr guten Umsatzwachstum in den ersten neun Monaten beigetragen. So konnte Polen mit über 10 % die Umsätze steigern, Japan und die Hiestand–Gesellschaften in Südostasien sogar um über 13 %.

Im Frühling dieses Jahres haben Sie ehrgeizige Ziele präsentiert: Der Umsatz soll bis 2010 auf 1 Mrd. Franken ansteigen. Was sind die nächsten Schritte auf diesem Weg? Sind weitere Akquisitionen geplant?

Wir möchten nach wie vor in unseren bestehenden Märkten organisch wachsen. Im Jahr 2005 wird die Schweiz mit dem Start von „HiCoPain“ nochmals einen Quantensprung machen, das Wachstum in Deutschland erwarte ich in den nächsten Jahren so gegen 8 -10 %. Die übrigen Märkte ebenfalls.Für 2005 erwarte ich ein Umsatzwachstum der Gruppe im starken zweistelligen Bereich. Natürlich schauen wir nach Expansionsmöglichkeiten. Die Hiestand–Gruppe ist soweit stabilisiert. Umsatzwachstum geht Hand in Hand mit der Entwicklung auf allen Ergebnisstufen des Unternehmens. Da sind weitere, aber berechenbare und überschaubare Expansionsschritte angedacht. Das schliesst Akquisitionen nicht aus.

In einem Interview mit diesem Medium haben Sie vor rund eineinhalb Jahren gesagt, Hiestand habe unbegrenzte Möglichkeiten. Werden auch für Hiestand die USA zum Land der unbegrenzten Möglichkeiten? Für dieHiestand-Aktionärin IAWS sind die USA ja ein Kernmarkt.

Wir werden nach dem schmerzhaften Ausstieg aus den USA im 2001 nicht mehr auf eigenes Risiko in die USA zurückkehren. Unser Grossaktionär IAWS ist in USA und auch in Canada vertreten und baut seine Markt-stellung dort sukzessive aus. Es ist vereinbart, dass Hiestand diese Markt-stellung von IAWS nutzt und Hiestand-Produkte in die IAWS–Kanäle liefert. Es wird also auch wieder Hiestand-Produkte in USA geben, aber nicht mehr auf Risiko von Hiestand.

Letzte Frage: Lässt sich auch der CEO von Hiestand ab und zu den Sonntags-Zopf oder das Gipfeli vom Bäcker um die Ecke schmecken, oder kommen nur Hiestand-Waren auf den Tisch?
Natürlich essen wir zu Hause auch die hervorragenden Produkte vom Bäcker um die Ecke. Wir haben aber immer auch tief gefrorene Produkte von Hiestand zu Hause, um bei Engpässen immer gerüstet zu sein. Ich kann dann beim Aufbacken unserer Produkte, vor allem wenn wir Gäste haben, demonstrieren, wie einfach doch unsere Produkte zuzubereiten sind und wie köstlich die Hiestand–Ware schmeckt, wenn sie frisch aus dem Ofen kommt.


Moneycab Interviews Wolfgang Werlé 
CEO und Delegierter des Verwaltungsrates Hiestand Group (seit November 2001)
Geboren: 27. Februar 1948

Geburtsort: Sprendlingen (Deutschland)

Zivilstand: Verheiratet, zwei Kinder

Ausbildung:

1966-1969
Wirtschaftsgymnasium in Frankfurt

1969-1972
Studium der Betriebs- und Volkswirtschaft an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt

1972-1975
Studium der Betriebswirtschaft an derFachhochschule für Wirtschaft in Frankfurt


Berufliche Laufbahn:

1979-1982
Leiter des Werkes Nürnberg der LSG Lufthansa Service GmbH

1982-1987
Kolatas Spezialitäten GmbH in Münster Geschäftsführer, Gesellschafter

1988-1992
LSG Lufthansa Service GmbH, Frankfurt
Director Customer Service & Business Development

1992-1995
Geschäftsführer der Gate Gourmet International AG sowie der Gate Gourmet Holding AG, Glattbrugg

1.1.1996
Mitglied der Swissair-Konzernleitung
Geschäftsführer der Swissair Beteiligungen AG

1.1.1997
Leiter Konzernbereich SAirRelations

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