Wolfowitz neuer Weltbankpräsident – Organisation auf dem Prüfstand
Wolfowitz, dessen Nominierung zunächst weltweit Skepsis ausgelöst hatte, tritt am 1. Juni die Nachfolge von James Wolfensohn an, der nach zehn Amtsjahren in den Ruhestand geht.
Umfangreiche Überprüfung der Weltbankarbeit angekündigt Der neue Präsident kündigte unmittelbar nach seiner Bestätigung eine umfangreiche Überprüfung der Weltbankarbeit an. Dabei gehe es etwa um die richtige Balance zwischen Krediten und Beihilfen, die nicht zurückgezahlt werden müssen, sagte Wolfowitz. Zudem wolle er prüfen, ob die Weltbank eher Kreditgeber oder technischer Berater sein soll und ob die Bank Ländern mit mittleren Einkommen noch Kredite geben soll. Sämtliche Punkte reflektieren die US-Forderungen an die Weltinstitution. Washington will mehr Beihilfen und weniger Kredite, mehr technische Hilfe und weniger Kredite für Länder, die sich auch auf den Finanzmärkten finanzieren können.
Europa erwartet Ernsthaftigkeit
«Wir in Europa erwarten, dass er (Wolfowitz) mit der von ihm angekündigten Unabhängigkeit von der amerikanischen Regierung Ernst macht», sagte die deutsche Entwicklungsminister Heidemarie Wieczorek-Zeul in einer in Berlin veröffentlichten Stellungnahme.
Wolfowitz´ Ernennung hat in Europa «keine Begeisterung» ausgelöst
Vertreter von Hilfsorganisationen, die mit der Weltbank zusammenarbeiten, und Politiker haben Sorge, dass Wolfowitz der Weltbank als enger Vertrauter von Präsident George W. Bush den Stempel der US-Politik aufdrücken könnte. Er gilt als Vordenker der US-Strategie von Präventivschlägen gegen gefährliche Regime, wie sie im Irak umgesetzt wurde. Das mache ihn an der Spitze einer multilateralen Organisation inakzeptabel, hieß es. Bundeskanzler Gerhard Schröder räumte ein, Wolfowitz´ Ernennung habe in Europa «keine Begeisterung» ausgelöst.
Wolfowitz bedankt sich bei Mitgliedsländern
Wolfowitz bedankte sich für das Vertrauen der Mitgliedsländer. «Es ehrt mich, mit der Führung dieser höchstwichtigen internationalen Institution beauftragt worden zu sein», sagte er.
Im Chefsessel der Weltbank sitzt traditionell ein Amerikaner
Im Chefsessel der Weltbank sitzt traditionell ein Amerikaner, bei der Schwesterorganisation, dem Internationalen Währungsfonds (IWF), ein Europäer. Entwicklungsländer kritisieren diese Tradition seit Jahren. Vertreter von 108 Entwicklungs- und Schwellenländern forderten am Donnerstag noch einmal, Spitzenposten nach Qualifikation der Kandidaten und nicht nach deren Nationalität zu vergeben. Mit dieser Forderung können sie sich aber nicht durchsetzen. In den Finanzorganisationen werden die Stimmrechte nach Höhe der Beiträge verteilt. Die USA, Japan und Europa haben dadurch rund ein Drittel der Stimmen sicher und stemmen sich gegen eine Reform.(awp/mc/ab)