Xavier Comtesse: Ein Schweizer Beitrag zur Revolution im Knowledge Management


Vor 15 Jahren stellte der Schweizer Etienne Wenger an einer Konferenz in San Diego (USA) das Konzept der „Community of Practice“. Inzwischen hat Wengers Idee das Wissensmanagement in Unternehmen auf der ganzen Welt revolutioniert.


Von Xavier Comtesse, Directeur Romand, Avenir Suisse


Drei Merkmale prägen unserer heutiges Verständnis von Lernen und Erkenntnissen: Erstens ist Wissen heute mehr denn je der massgebliche ökonomische Motor für die Entwicklung unserer Wirtschaft. Die Unternehmen arbeiten heute hart daran, aus dem Wissen ihrer Mitarbeiter einen Nutzen zu ziehen.

Man spricht deshalb von „Knowledge Management“ als einen Bestimmungsfaktor für den Produktivitätsgewinn und für die Wettbewerbsfähigkeit einer Organisation. Der Umgang mit Wissen hat denn auch in den letzten Jahren viele Formen hervorgebracht, von ad-hoc gebildeten Arbeitsgruppen über das computergestützte Aneignen von Wissen bis hin zu Einheiten, die sich wissensbasiert und gezielt an den Bedürfnisse der Kunden orientieren.

Zweitens: Wenn wir über Wissen sprechen, müssen wir individuelle Kenntnisse und das akkumulierte Know-how einer Gruppe unterscheiden, den wir auch als kollektive Intelligenz bezeichnen können. Diesen Begriff hat von mehr als 20 Jahren der französische Philosoph Pierre Levy eingeführt, der damit den damaligen Zusammenschluss der Schweizerischen Uhrenindustrie beschrieb.

Und Drittens müssen wir uns der Bedeutung und der Dynamik von Wissen bewusst sein. Tatsächlich besteht die Notwendigkeit, Wissen laufend zu aktualisieren und Erkenntnisse immer wieder neu zu gewinnen.Wenn wir ein Inventar des Wissen zu einem bestimmten Zeitpunkt vornehmen, vergleichbar mit der Veröffentlichung eines grossen Lexikons, wird klar, dass das, was gestern gültig war, nicht immer auch heute noch gilt.


Dr. Etienne Wenger
In seiner Arbeit „Community of Practice“ hat Etienne Wenger sehr gut diese drei zentralen Merkmale des Wissens definiert. In diesem Konzept beschreibt Wenger die Fähigkeit einer Gruppe formlos an die Lösung eines Problems heranzugehen, und dabei das Wissen und die Kenntnisse Einzelner auszutauschen. Kennzeichnend hierfür ist, dass sich die Teilnehmer nicht an formellen Team-Sitzungen treffen, sondern ihre Beiträge per E-mail einbringen. Dieser Austausch von Know-how trägt entscheidend dazu bei, dass individuelles Wissen nicht verloren geht, sondern verbreitert wird!
Hier zeigt sich auch der Nutzen des Teilens: Das Endergebnis ist grösser geworden.

Die „Community of Practice“ wurde erstmals innerhalb des Xerox-Konzerns in grossen Stil umgesetzt und damit populär. Legendär ist das Beispiel des Reparaturwesens bei den Xerox-Photokopierern: Die Spezialisten teilten ihr Wissen mit Kollegen und gaben innerhalb ihrer Gruppe innert sehr kurzer Zeit weltweit Antworten auf Fragen ihrer Kollegen. Die Prozesse konnten so entscheidend verbessert werden.

Xerox war das ersten Unternehmen, das sich auf systematische das „Knowledge Management“ zu nutze machte. Heute bauen praktische alle Grosskonzerne auf diesem Konzept auf, etwa Daimler-Chrysler, Shell oder Scheider Electric, um nur ein paar zu nennen. Das Wissen im Unternehmen ist heute dynamisch, externalisiert, und eine echte Kraft für den Fortschritt des Unternehmens.

Etienne Wenger, der vor 50 Jahren im Neuenburg auf die Welt kam, hat mit seinem unscheinbaren Beitrag einen ungemein wichtigen Beitrag für die Entwicklung von Unternehmen in aller Welt geleistet. Es wäre an der Zeit, sein Werk entsprechend zu würdigen.


Der Autor 
Xavier Comtesse
 
Dr. Xavier Laurent Comtesse (Jahrgang 1949) studierte an der Universität Genf Mathematik und doktorierte in Informatik. Comtesse arbeitete während je zehn Jahren in der Forschung und in Start-ups. Weitere zehn Jahre war er in der Bundesverwaltung tätig, zuletzt sieben Jahre lang als Wissenschafts-Attaché bei der Schweizer Botschaft in den USA. In dieser Funktion gründete und leitete er in Boston das Swiss House. Seit Anfang 2002 ist er Directeur romand von Avenir Suisse, einem Think Tank, welcher sich mit Themen der sozial- und wirtschaftspolitischen Entwicklung in der Schweiz befasst. Comtesse ist verheiratet und hat drei Söhne. 
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