Xavier Comtesse: Stadt-Land Schweiz


Die Schweiz allein durch Kategorien wie „Stadt“ und „Land“, „Gemeinde“ und „Kanton“ zu beschreiben, erscheint immer abwegiger.


Von Xavier Comtesse, Directeur Romand, Avenir Suisse

In der Tat, wir leben in einer einzigartigen Collage, bestehend aus städtischen wie ländlichen Elementen, die ungleich, in neuen Ballungen, über das gesamte Territorium des Stadtlands Schweiz verteilt sind. Das Auftauchen von Ballungsräumen wie Glattal-Stadt (nahe Zürich), Métropole lémanique oder des insubrischen Dreiecks (im Tessin und Norditalien) ist der Beweis für die Dynamik dieser neuen räumlichen Entwicklung. Sie antwortet sowohl auf das Bedürfnis nach moderner wirtschaftlicher Entwicklung, wie auch auf die Lebensvorstellung der Bürger. Dieser Druck in der fortwährenden Wiederaneignung des Raumes wird neue Probleme für die Raumordnung, den Föderalismus und für die nationalen oder regionalen wirtschaftlichen Entwicklungsstrategien nach sich ziehen. Nehmen wir drei Beispiele: der Anschluss der Schweiz an das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz (Eisenbahn) ist kritisch; der Zugang der grossen Forschungseinrichtungen zum europäischen und weltweiten Netz ist lebenswichtig so wie auch eine über die Grenzen hinausgehende Zusammenarbeit notwendig für eine integrierte Gebietsentwicklung ist.

Was sich deutlich abzeichnet, ist die Hauptrolle dieser Ballungsräume als Standbein der wirtschaftlichen Entwicklung der Schweiz. Die grossen Ballungsräume, die Zürich / Zug, Basel und Genf / Lausanne als Stützpunkt haben, sind heute die einzigen, deren finanzielle Beiträge an den Bund positiv sind, alle anderen bekommen Geld! Diese mächtigen und dynamischen Strukturen verfügen jedoch, im Prinzip, über keinerlei offizielle Grenze, noch über Rechtspersönlichkeit. Sie haben, in gewisser Hinsicht, weder Entscheidungs-, noch Vertretungsmacht. Der schweizerische Föderalismus muss nach neuen Möglichkeiten suchen, den Zusammenhalt des Landes zu garantieren, ohne dabei das wirtschaftliche Entwicklungspotential zu gefährden.

Die Entwicklung und die Neuordnung des Raumes können nicht ohne das Verständnis der räumlichen Dynamik jener neuer Kräfte, die von den grossen und mächtigen Ballungsräumen ausgehen, konzipiert werden. Vor allem auch, weil diese über 75% des Hochschul- und Forschungspotentiales des Landes beherbergen. Die Macht des Raumes ist heute die der Intelligenz in Aktion. Wir sind von der Verwaltung des Quadratmeters zur Verwaltung des Quadratwissens übergegangen…

Übersetzung aus dem französischen durch Eubylon



Stadtland Schweiz
Die Beschreibung der heutigen Siedlungsstruktur in der Schweiz entzieht sich mehr und mehr den Kategorien von «Stadt» und «Land». Ein von Avenir Suisse veröffentlichter Sammelband unter dem Titel «Stadtland Schweiz» setzt sich jetzt mit dieser veränderten räumlichen Wirklichkeit auseinander. Damit stellt Avenir Suisse Grundlagen zur Wahrnehmung einer urbanen Schweiz sowie für einen Diskurs zu künftigen Fragen der räumlichen Entwicklung und der Agglomerationspolitik bereit.

Das Buch, an dem zahlreiche inländische und ausländische Autoren mitgearbeitet haben, liefert eine Bestandesaufnahme unter geografischen, städtebaulichen, soziologischen, politischen und ökonomischen Gesichtspunkten. Sein wesentliches Fazit: Das gegenwärtige schweizerische Raumgebilde fordert die institutionellen Rahmenbedingungen des Föderalismus heraus.

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Der Autor 
Xavier Comtesse
 
Dr. Xavier Laurent Comtesse (Jahrgang 1949) studierte an der Universität Genf Mathematik und doktorierte in Informatik. Comtesse arbeitete während je zehn Jahren in der Forschung und in Start-ups. Weitere zehn Jahre war er in der Bundesverwaltung tätig, zuletzt sieben Jahre lang als Wissenschafts-Attaché bei der Schweizer Botschaft in den USA. In dieser Funktion gründete und leitete er in Boston das Swiss House. Seit Anfang 2002 ist er Directeur romand von Avenir Suisse, einem Think Tank, welcher sich mit Themen der sozial- und wirtschaftspolitischen Entwicklung in der Schweiz befasst. Comtesse ist verheiratet und hat drei Söhne. 
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