Auch Anschuldigungen wegen Millionenzahlungen an das damalige Management der polnischen LOT wies der Ex-Konzernchef der zusammengebrochenen SAirGroup am Montag entschieden von sich.
Keine Entschädigungen ohne Gegenleistung
Zu Beginn der dritten Prozesswoche in Bülach standen die Verflechtungen mit der polnischen Fluggesellschaft LOT im Mittelpunkt. Die Staatsanwaltschaft wirft insbesondere dem Angeklagten Bruggisser vor, dem damaligen LOT-Kader ungerechtfertigte Zahlungen überweisen zu haben. Bruggisser, SAir-Kadermitglied Peter Somaglia und Jan Litwinski, der damalige Chef der polnischen Fluggesellschaft LOT, beteuerten ihre Unschuld. Es seien keine Entschädigungen ohne Gegenleistung erfolgt.
Aufbesserung durch Differenzzahlungen
Bruggisser bestätigte, dass der Lohn des damaligen LOT-Managements durch Differenzzahlungen aufgebessert worden war. Nachdem in Polen gesetzliche Bestimmungen (Kappgesetz) zu einer erheblichen Reduktion der Saläre geführt hatten, wollte die SAirGroup das Kader durch eine Lohnaufbesserung an sich binden. Im Gegenzug sollte das LOT-Kader mithelfen, der Qualiflyer-Group den Weg in den osteuropäischen Markt zu ebnen, nachdem die österreichische Austrian Airlines aus dem Verbund ausgestiegen war.
Spätere Verrechnung von Leistungen
Die SAirGroup hat den LOT-Konzenleitungsmitgliedern total 1,067 Mio CHF ausbezahlt. Das Geld war dem Konzern aber später durch die Verrechnung von Leistungen, die er ursprünglich hätte gratis erbringen müssen, wieder zugeflossen. Mit dem neuen Gesetz wäre etwa das Jahressalär des damaligen LOT- Konzernchefs Jan Litwinski von 250’000 auf 68’000 CHF gekürzt worden. Diese «drastische Salärkürzung» wäre in einer für die Gruppe enorm wichtigen Phase erfolgt.
Um einen Wechsel im Management zu Umgehen
Das Gesetz habe allein staatliche Institutionen betroffen. Um einen Wechsel des Managementes in die Privatwirtschaft zu verhindern, seien die Zahlungen erfolgt, sagte Bruggisser. «Es war für die SAirGroup die beste Lösung.» Weder die SAirGroup noch die LOT hätten einen Schaden erlitten, sagte Bruggisser, der sich am Montag mehrheitlich geduldig gab, zunehmend aber trotzig klang: «Ich sehe das Problem nicht.»
Das «Abwanderungsrisiko»
In der Tat habe ein beträchtliches Risiko bestanden, dass die besten Kadermitglieder abwanderten, sagte Litwinski, der im Laufe seiner Befragung wiederholt vom Polnischen ins Englische wechselte und die Fragen des Richters häufig ausweichend beantwortete. Wäre das Management abgesprungen, dann wäre das «eine Katastrophe» gewesen, sagte Somaglia. Das ganze Integrationsprojekt mit der SAirGroup und der Flugbetrieb der LOT wäre zusammengebrochen. Er empfinde es als «bemühend und peinlich» hier zu sitzen, sagte Somaglia. Er habe kein Verständnis für die Anklage.
285’000 CHF an Litwinski
Die SAirGroup hat auch finanzielle Zuwendungen im Umfang von weiteren 285’000 CHF an Litwinski gemacht. Es habe sich dabei ebenfalls um Beratungshonorare im Zusammenhang mit Osteuropa gehandelt, sagten Brugisser und Litwinski übereinstimmend.
«Ich weise alle Vorwürfe zurück…»
Am Montag wurde die persönliche Befragung von Philippe Bruggisser abgeschlossen. Im Anschluss an seine Befragung erklärte er gegenüber der «Tagesschau» von Schweizer Fernsehen SF, er habe nun während eineinhalb Tagen alle Fragen des Gerichts beantwortet. Er weise alle Vorwürfe zurück. Während seiner 23 Jahre bei der Swissair habe er immer versucht, sein Bestes zu tun. Leider sei es am Schluss anders herausgekommen. «Ich bedauere, dass so viele Menschen darunter gelitten haben und entschuldige mich bei diesen», sagte Bruggisser. (awp/mc/th)