Der Berner Banken-IT-Dienstleister und Softwarehersteller RTC (Real-Time Center) kann sich derzeit vor negativen Schlagzeilen kaum retten. Dass vor einem Monat die Migros Bank angekündigt hat, auf die Bankensoftware Finnova wechseln zu wollen und damit eine jahrzehntelange Partnerschaft mit RTC aufgelöst hat, war ein harter Schlag. Vergangenen Freitag wurde nun bekannt, dass die drei Ostschweizer RBA-Banken Alpha Rheintal, Bank CA St. Gallen und swissregiobank ebenfalls auf Finnova wechseln wollen. Was alle gemeinsam haben: Sie sind nicht zufrieden mit dem Stand der Neuentwicklung der RTC-Bankensoftware IBIS (Integriertes Bankeninformationssystem).
Spekulationen um RTC-Erneuerungsprojekte
Seit zwei Jahren laufen bei RTC zwei Erneuerungsprojekte. Dabei soll die Wertschriftenlösung der Privatbank Maerki Baumann, «Legando», und das Frontsystem von IBM, «OTMS», in IBIS integriert werden. Seit längerem ist in Branchenkreisen die Rede davon, dass dieses Projekt zu scheitern drohe. RTC hat bis jetzt stets beteuert, man sei «auf Kurs». RTC-Chef René Brazerol räumt heute gegenüber inside-it.ch ein, dass es Verzögerungen gibt. «Wichtiger als der Launch-Termin für die neue Version ist aber die Stabilität der Software», so Brazerol. Derzeit sei eine Planungsüberarbeitung im Gange. Wann die Integration von OTMS und Legando abgeschlossen sein wird, konnte oder wollte Brazerol nicht sagen.
Finanz-Logistik AG will Öffnung
Jedenfalls scheinen einige Banken nicht mehr länger darauf warten zu wollen. Wie die Zukunft für IBIS und damit für RTC aussieht, dürfte am 11. Dezember entschieden werden. Dann nämlich findet die RBA-Pool-Mitgliederversammlung statt. Der RBA-Verbund gehört mit seinen 51 Banken zusammen mit den Kantonalbanken in Aargau, Bern und Basel zu den wichtigsten (verbliebenen) Kunden von RTC bzw. IBIS. Der Verbund ist derzeit mit 5 Prozent an RTC beteiligt. Die Partnerschaft zwischen RBA und RTC besteht nun schon seit über zehn Jahren. Bedingung für alle RBA-Banken war und ist: Sie müssen IBIS einsetzen. Die Finanz-Logistik AG, die der RBA-Service sowie den drei Ostschweizer RBA-Banken gehört, möchte diese Ehe nun annullieren.
«Die Ostschweizer Banken setzen sich für eine Öffnung dieser engen Bestimmungen ein, damit sie auch nach dem Entscheid zu Gunsten der Finnova-Plattform Mitglieder im RBA-Verbund bleiben können», so die Finanz-Logistik AG am vergangenen Freitag. Im Dezember soll über den Antrag der drei Banken abgestimmt werden, dass auch alternative Informatik-Plattformen anstelle der heute genutzten IBIS-Lösung zugelassen werden.
«… am Veränderungs- und nicht am Auflösungsprozess der Gruppe interessiert»
Es stellt sich die Frage, weshalb die drei Banken überhaupt im RBA-Verbund bleiben wollen. Sie könnten ja ganz einfach aussteigen und jene Lösung einführen, die sie möchten. So geschehen Ende 2005, als elf Regionalbanken aus dem Verbund austraten, um Finnova einzuführen. Stephan Weigelt, Verwaltungsratspräsident der Finanz-Logisik AG sowie Vorsitzender der Geschäftsleitung der Bank CA St. Gallen, weist darauf hin, dass es noch weitere Bereiche gibt, in denen im RBA-Rahmen zusammengearbeitet wird und wo auch künftig Kooperationen Sinn machen. Gemeint sind zum Beispiel Tätigkeiten der Zentralbank (Geldanlage, -aufnahme, Zahlungsverkehr), Vorsorgeprodukte, Marketing, Ausbildung. «Wir sind am Veränderungs- und nicht am Auflösungsprozess der Gruppe interessiert», so Weigelt gegenüber inside-it.ch.
Mit ein Grund für den Verzicht auf einen Ausstieg aus dem RBA-Verbund dürfte die Tatsache sein, dass drei Regionalbanken alleine viel mehr Geld für die Einführung einer neuen Plattform in die Hand nehmen müssten. Die Hoffnung scheint zu sein, dass möglichst viele Banken auf Finnova wechseln, damit Ressourcen und Erfahrungen genutzt werden können, die in der Gruppe zu günstigeren Preisen führen könnten. Die Finanz-Logisik AG hat sicherlich ein Interesse daran, dass RBA-Banken flexibler werden, denn mit dem Wechsel der drei Ostschweizer Banken baut man ja auch Finnova-Kompetenzen für die restlichen Kunden auf.
Valiant und Clientis wollen nur eine IT-Plattform
Zwei Mitglieder des RBA-Verbunds werden am 11. Dezember das Zünglein an der Waage sein. Die mit Abstand gewichtigste Stimme im RBA-Pool hat mit nahezu 50 Prozent die Valiant-Bank. Die Aussage von Valiant-CEO und RBA-Verwaltungsrat Kurt Streit ist klar: «Zurzeit ist IBIS vom wirtschaftlichen und funktionalen Standpunkt her eine konkurrenzfähige Lösung», sagt er gegenüber inside-it.ch. Die Frage nach der Zukunft sei zwar noch offen, doch grundsätzlich warnt Streit vor einer «Mehr-IT-Lösung». Da die RBA-Banken eng zusammenarbeiten, würden durch die verschiedenen Schnittstellen hohe Mehrkosten entstehen.
Ebenso klar ist die Aussage des zweitgrössten Schwergewichts innerhalb des RBA-Verbunds: Die Clientis-Gruppe mit 29 Banken. Direktor Hans-Ulrich Stucki sagt gegenüber inside-it.ch, dass es noch zu früh ist, um zu sagen, ob man für oder gegen die Öffnung stimmen werde. «Es ist sinnvoll, dass wir auf der gleichen IT-Plattform arbeiten», sagt auch er. Stucki betont, dass IBIS «relativ stabil» läuft. Es gehe jetzt darum, wie sich die Plattform entwickeln werde. Am 11. Dezember müssten sich die RBA-Mitglieder für oder gegen die Öffnung entscheiden. Eine Zwischenlösung gebe es nicht. Die Clientis Bank ist Kunde der Finanz-Logistik AG, die mit den drei Ostschweizer Banken Finnova mit ins Spiel gebracht hat. Es darf deshalb angenommen werden, dass die Clientis Bank nicht abgeneigt wäre, das Know-how der Finanz-Logistik AG ab sofort nutzen zu können. Weigelt von der Finanz-Logistik AG sagt, falls – rein hypothetisch – sich die Clientis Bank für eine Öffnung entscheiden sollte, müsse man die IBIS-Strategie möglicherweise in Frage stellen.
Wer trägt die Kosten?
Wird der RBA-Verbund einer Öffnung zustimmen, könnte dies das Ende für IBIS bedeuten. Die Kosten für die Neuentwicklung müssten die restlichen Nicht-RBA-Kunden von RTC tragen. Mit dem Ausstieg der Migros Bank sind jedoch viele finanzielle Mittel verloren gegangen. Hanspeter Merz, Sprecher der Berner Kantonalbank (BEKB), sagt klar, dass ein Wechsel auf eine andere Plattform nicht in Frage kommt. Ob die Treue der BEKB und gewiss auch anderer RTC-Kunden den möglichen Ausstieg des RBA-Verbunds kompensieren mag, steht allerdings in den Sternen.
Fest steht jedenfalls, dass die Migros Bank nach dem Ausstieg keine Kosten mehr trägt. Hie und da war zu hören, die Migros Bank habe 25 Prozent der IBIS-Kosten getragen. Der Präsident der Geschäftsleitung Harald Nedwed kann gegenüber inside-it.ch keine genauen Angaben machen, sagt aber: «Die in der Öffentlichkeit kursierende Zahl von 25 Prozent ist gegenüber dem effektiven Wert eher zu tief als zu hoch.» (Maurizio Minetti/Inside-IT/mc)