Abbauvorlagen würden vom Volk nicht mehr geschluckt. Wehren will sich die Linke gegen den Leistungsabbau bei der AHV und der Arbeitslosenversicherung. Bei der AHV geht es unter anderem um ein höheres Rentenalter. Ein solches ist nach dem Nein vom Sonntag für den Schweizerischen Gewerbeverband nun mehr einziges Mittel, um die entstehende Finanzierungslücke in der beruflichen Vorsorge zu schliessen. Er ist jedoch einsamer Rufer in der Wüste.
«Problem nur verschoben»
Schon eher gedenken die Parteien, das Loch bei den Pensionskassen mit Beitragserhöhungen zu füllen – zum Unmut der Wirtschaft. Das gefährde Arbeitsplätze, warnt der Wirtschaftsdachverband economiesuisse. Von bürgerlicher Seite her wird einhellig moniert, dass das Problem nur verschoben worden sei – zu Lasten der Jungen. Schuld am wuchtigen Nein von rund 1,64 Millionen Schweizerinnen und Schweizern sei das wirtschaftliche Umfeld und die Diskussion um hohe Saläre und Boni gewesen, kurz die Abzocker.
Versachlichung der Diskussion gefordert
Trotzdem herrscht Einigkeit darüber, dass Pensionskassen und insbesondere Lebensversicherer bei Verwaltungskosten und Vermittlungshonoraren transparenter werden müssen. Eine entsprechende Strukturreform wird derzeit vom Parlament bereinigt. Die Verlierer der Abstimmung verlangen nach dem emotionalen Abstimmungskampf, der von den Gegnern mit dem eingängigen Schlagwort «Rentenklau» geführt wurde, nach einer versachlichten Diskussion über die Zukunft der Zweiten Säule.
Burkhalter: Anpassung des Umwandlungssatzes nicht vom Tisch
An diese schliesst sich auch der Bundesrat an. Das klare Votum sei Ausgangspunkt für eine öffentliche Debatte, kommentierte Bundesrat Didier Burkhalter das Resultat seiner ersten Abstimmung, die er gleich verlor. Trotz des deutlichen Votums sei die Anpassung des Umwandlungssatzes nicht vom Tisch. Der Bundesrat wolle die Sozialwerke konsolidieren. Dabei müssten diese auf eine langfristig solide Basis gestellt werden. Die Lösungen müssten den sozialen Bedürfnissen gerecht werden. Ausserdem dürften sie das Gleichgewicht zwischen den Generationen und den Sozialpartnern nicht schwächen.
Luft dürfte für schwächste PKs dünn werden
Für die Gewerkschaft Unia heisst dies klar, dass den «Leuten ihr Rentenbetrag wichtig ist», wie Co-Präsident Andreas Rieger sagte. Sie könnten einen Abbau nicht verkraften. Allfällige Finanzierungslücken müssten also ohne Leistungsabbau geschlossen werden. Konkret dürfte mit dem jüngsten Volksentscheid für die schwächsten Pensionskassen die Luft dünner werden, ist Pensionskassen-Experte Werner Hug überzeugt. Eine Annahme der Vorlage hätten diesen Kassen mehr Spielraum gelassen, sich anzupassen. Nun werde die Marktbereinigung schneller erfolgen.
Neue Lagebeurteilung 2014?
Hug ist aber überzeugt, dass Beitragserhöhungen oder Leistungskürzungen mittelfristig keine valable Alternative zu einer Senkung des Umwandlungssatzes sind, um die Pensionskassen bei anhaltend höherer Lebenserwartung und tiefen Zinsen wieder ins Lot zu bringen. Auch mit höheren Geburtenraten oder der Zuwanderung von Ausländern liesse sich das Problem nicht lösen. «Diese Effekte wirken erst sehr langfristig. Entscheidend sind die Entwicklung der Lebenserwartung und die Zinssätze am Kapitalmarkt», sagte Hug. Bundesrat und Parlament sollten 2014 unter Berücksichtigung der dannzumal erkennbaren Entwicklung von Lebenserwartung und Kapitalmarktzinsen eine neue Lagebeurteilung vornehmen. Im Jahr 2014 sinkt der Umwandlungssatz von heute 7,0 auf 6,8%. (awp/mc/ps/01)