Bern – Mit Bauernbrunchen, Feuerwerken oder zumindest feurigen Reden hat die Schweiz am Montag sich selbst gefeiert. Die Bundesräte waren im ganzen Land unterwegs und hielten nationale Mythen und Werte hoch – wichtige Elemente in Zeiten des Terrors im Ausland.
«Die Anschläge stellen auch uns auf die Probe», sagte Bundesrätin Simonetta Sommaruga in Steckborn TG, nahe der deutschen Grenze. Niemand bleibe nach den Terrorattacken unberührt, sagte die Justizministerin. «Das Vertrauen der Menschen in den Lebensraum, insbesondere den öffentlichen Raum, wird bedroht.»
Begegnet werden müsse dem Terror mit Solidarität statt Abgrenzung. Sommaruga kritisierte politische Forderungen, «die darauf abzielen, die Rechte von Minderheiten zu beschränken, Menschen auszugrenzen, unsere Gesellschaft zu spalten». Vielmehr solle die Schweiz weiterhin international Verantwortung übernehmen, sagte Sommaruga.
«Nicht nur zuschauen»
In die gleiche Kerbe schlug Aussenminister Didier Burkhalter: «Die Freudenfeuer, die am 1. August in den Dörfern entzündet werden, erinnern an jene Feuer, die die Bewohner der Talschaften früher auf den Gipfeln der Hügel anzündeten, wenn sie ihre Mitbrüder um Hilfe riefen.» Damit seien die Feuer ein fassbares Zeichen der Solidarität in der Schweiz.
In der zunehmend instabiler werdenden Welt, namentlich auch in der grössten Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg, könne und müsse die Schweiz eine positive Rolle spielen, davon sei der Bundesrat überzeugt, sagte Burkhalter. Die Schweiz dürfe nicht nur zuschauen.
Erste Bundesratsrede in Schaffhausen
Bundesrätin Doris Leuthard sprach derweil den Bürgerinnen und Bürgern Mut zu. Zwar sei die Welt des 21. Jahrhunderts «kein Streichelzoo» und die Schweiz nicht gefeit vor «perfiden Anschlägen». Doch sei die Schweiz eine Erfolgsgeschichte. «Darauf lässt sich bauen.»
Das Land sei stark, weil es offen sei, «weil man bei uns diskutiert, einander zuhört, Vor- und Nachteile abwägt, nach den überzeugendsten Argumenten sucht, weil man langfristig denkt». Dazu brauche es Vertrauen, auch in die Institutionen. Leuthards 1.-August-Rede in Schaffhausen war die erste eines Regierungsmitglieds im gesamten Kanton seit der Gründung des Bundesstaats im Jahr 1848.
Gründungsmythen leben
Eine weitere Premiere gab es im Sportzentrum in Tenero TI, wo Verteidigungsminister Guy Parmelin zu seiner ersten bundesrätlichen Bundesfeierrede antrat. Er erinnerte in seiner Ansprache an die Gründungsmythen der Schweiz – sie zeigten, wie wichtig die Freiheit als Bindeglied zwischen den Sprachgemeinschaften und den Kantonen stets gewesen sei.
Die Schweiz sei nicht nur ein winziger Fleck auf der Weltkarte, sagte Bundespräsident Johann Schneider-Ammann in seiner Radioansprache zum 1. August. Vielmehr sei sie eine «erfolgreiche und geschätzte Partnerin».
Schneider-Ammann verwies auf die drei Pfeiler, welche die heutige Schweiz stark machten: Bildung, Innovation und Unabhängigkeit. Alle drei seien Schlüssel zu Wohlstand und Perspektiven. Das gute Bildungssystem der Schweiz mache die Schweiz zum Chancenland, sagte Schneider-Ammann. Dank dem offenen Bildungsweg mit Berufslehre, Fachhochschulen und Universitäten könne jeder weit kommen.
Parallelen zu Gotthelf
Die Feiern zum Nationalfeiertag begannen vielerorts bereits am Tag vor dem 1. August. Bundesrat Alain Berset sprach anlässlich der Eröffnung des Landesmuseum-Neubaus in Zürich. Der Anbau sei ein Beispiel für eine neue Zukunftsdimension, die auch die Schweiz brauche. «Eine selbstbewusste, aber respektvolle Erweiterung unseres Selbstverständnisses täte uns jedenfalls gut», sagte er.
Bundesrat Ueli Maurer stellte Jeremias Gotthelfs Novelle «Die schwarze Spinne» in den Mittelpunkt seiner 1. August-Rede. Drei Kernbotschaften Gotthelfs seien heute wieder erschreckend aktuell, betonte Maurer. Diese lauteten: «Versprechen von magischer Hilfe haben immer einen Haken, über kurz oder lang wird die Rechnung präsentiert; Werte haben eine Wert; unser Land lebt von engagierten Bürgern.»
Boom auf Bauernbrunches
Neben den vielen Reden kam am 1. August auch das leibliche Wohl nicht zu kurz. Rund 360 Bauernfamilien luden zum Brunchen ein. An langen Tischen und in geselliger und lockerer Atmosphäre verköstigten sich die rund 140’000 Gäste mit Zopf, Brot, Konfitüre, Joghurt, Müesli, Käse- und Fleischplatten, Rösti oder Spiegeleier.
Traditionellerweise für alle geöffnet waren auch die Türen im Parlamentsgebäude in Bern. Auch dieses Angebot stiess laut den Organisatoren auf grosses Interesse. Insgesamt 3254 Personen besuchten das Bundeshaus.
1400 Personen auf der Rütliwiese
Neben zahlreichen Feuerwerken in verschiedenen Städten fand auf der Rütliwiese die traditionelle 1.-August-Feier statt. 1400 Personen wohnten am Nachmittag der Rede von Carla Del Ponte bei. Die 69-jährige Tessinerin war die erste Persönlichkeit aus der italienischen Schweiz, die auf dem Rütli die 1.-August-Rede halten durfte.
Die ehemalige Bundesanwältin, Chefanklägerin am internationalen Strafgerichtshof der UNO in Den Haag und Botschafterin zeigte sich zuversichtlich, dass die Schweiz ihre Herausforderungen meistern könne, wenn sie sich ihre Fähigkeit zur Offenheit beibehalte. (awp/mc/ps)