«1:12»-Initiative ist für den Bundesrat ein Eigentor
Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann. (Foto: admin.ch)
Bern – Der Bundesrat ist der Meinung, dass die Volksinitiative «1:12 – Für gerechte Löhne» nicht hält, was sie verspricht. Sie will das Gefälle zwischen den höchsten und den tiefsten Löhnen verkleinern. Die angestrebten Ziele dürfte sich aber für viele Lohnbezüger als Eigentor erweisen, zeigt sich der Bundesrat überzeugt. Er empfiehlt ebenso wie das Parlament, die Initiative abzulehnen.
Eine Annahme der Initiative würde den Arbeitsmarkt und Wirtschaftsstandort Schweiz schwächen, zeigt sich der Bundesrat überzeugt. Die Initiative bedeute eine Abkehr von den Grundsätzen der schweizerischen Arbeitsmarktpolitik, die in erster Linie auf Verhandlungen und dezentrale Entscheide setzt statt auf starre gesetzliche Regelungen. Diese Politik habe der Schweizerischen Volkswirtschaft die Schaffung und die Sicherung von vielen guten Stellen bei einer sehr niedrigen Arbeitslosigkeit ermöglicht, so der Bundesrat. Europaweit stehe die Schweiz damit sehr gut da.
Abwanderung von Unternehmen befürchtet
Mit der Annahme der Initiative würde dieses bewährte System in Frage gestellt. Der Bundesrat befürchtet, dass bei einer Annahme der Initiative in der Schweiz ansässige Unternehmen das Land verlassen würden. «Grossunternehmen sind heutzutage sehr mobil, und die Standortkonkurrenz ist gross», hält die Landesregierung fest. Auch ausländische Unternehmen, die einen neuen Standort suchten, könnten durch die Einschränkungen für die hohen Löhne abgeschreckt werden und sich gar nicht erst in der Schweiz niederlassen. Die Schwächung des Wirtschaftsstandorts Schweiz würde auch kleinere und mittlere Unternehmen treffen, die oft als Zulieferer von Grossunternehmen arbeiten.
Tiefere Einnahmen des Staates und der Sozialversicherungen
Bei einer Annahme der Initiative wären bei den Einnahmen des Staates und der Sozialversicherungen hohe Ausfälle zu verkraften. Dies würde die Schweiz zu einem Zeitpunkt treffen, in dem das öffentliche Gemeinwesen zunehmenden Belastungen wie der Alterung der Gesellschaft ausgesetzt sei, so der Bundesrat. Die Einnahmenausfälle würden die bestehenden Finanzierungsprobleme der Sozialversicherungen vergrössern.
Ausserdem geht der Bundesrat davon aus, dass die mit der Initiative vorgeschlagene staatliche Regelung der Löhne mit grosser Wahrscheinlichkeit zu einer Reihe von Umgehungsaktivitäten führen würde. Um solche zu bekämpfen und um Rechtsunsicherheiten vorzubeugen, wären im Gesetz schwierige Abgrenzungsfragen zu lösen. Die Kontrolle, ob die neuen gesetzlichen Regeln eingehalten werden, würde wiederum einen erheblichen administrativen Aufwand für die Unternehmen und den Staat nach sich ziehen.
Abschliessend hält der Bundesrat fest, er habe die Lohnexzesse in der Wirtschaft wiederholt kritisiert und mit dem Aktien- und dem Rechnungslegungsrecht zudem Leitplanken zur Unternehmungsführung aufgestellt. Hingegen möchte er darauf verzichten, per Gesetz in die Festsetzung von Löhnen bei privaten Unternehmen einzugreifen. (WBF/mc/pg)