Personen in Einelternfamilien mit Kind(ern) am häufigsten von Erwerbsarmut betroffen.
Neuenburg – In der Schweiz waren 2010 rund 120‘000 Erwerbstätige von Armut betroffen. Zwischen 2008 und 2010 ist die Armutsquote der erwerbstätigen Bevölkerung von 5,2 Prozent auf 3,5 Prozent zurückgegangen. Dies zeigt die neuste Publikation des Bundesamtes für Statistik (BFS) auf der Grundlage der überarbeiteten Armutsstatistik.
In der Schweiz waren 2010 3,5 Prozent aller Erwerbstätigen von Armut betroffen. Dies entspricht rund 120‘000 Personen. Im Vergleich zu 2008 (5,2 Prozent) ist die Armutsquote der erwerbstätigen Bevölkerung somit deutlich gesunken. Dies kann mit der positiven Arbeitsmarktsituation in den Jahren 2006 bis 2008 erklärt werden, da die Armutsquote jeweils mit einiger Verzögerung der Arbeitsmarktentwicklung folgt. Die mediane Armutslücke der Erwerbstätigen ging im beobachteten Zeitraum ebenfalls von 31,6 Prozent auf 18,9 Prozent zurück. Die Armutslücke misst den mittleren Abstand der Einkommen der armen Bevölkerung zur Armutsgrenze und gibt dadurch an, wie stark diese von Armut betroffen ist.
Alleinerziehende und Personen in unsicheren Arbeitsverhältnissen sind besonders betroffen
Mit einer Armutsquote von 19,9 Prozent sind Personen in Einelternfamilien mit Kind(ern) am häufigsten von Erwerbsarmut betroffen. Weitere besonders betroffene Gruppen sind alleinlebende Erwerbstätige (6,7 Prozent), Frauen (4,8 Prozent), Erwerbstätige ohne nachobligatorische Schulbildung (6,7 Prozent) und Personen in Haushalten mit nur einer/einem Erwerbstätigen (7,3 Prozent). Bei zwei Erwerbstätigen im Haushalt beträgt die Armutsquote dagegen lediglich 1,4 Prozent.
Die Einkommenssituation der Erwerbstätigen wird auch wesentlich durch die Arbeitsform und -bedingungen bestimmt. So sind Personen, die nur einen Teil des Jahres einer Erwerbstätigkeit nachgehen (7,4 Prozent) und überwiegend Teilzeitangestellte (5,2 Prozent) besonders von Armut betroffen. Dasselbe gilt für Selbständige ohne Angestellte (9,9 Prozent), Personen mit befristeten Arbeitsverträgen (6,3 Prozent), Erwerbstätige mit atypischen Arbeitsbedingungen wie Wochenendarbeit, Nachtarbeit und/oder fremdbestimmten unregelmässigen Arbeitszeiten (3,4 Prozent) sowie Personen, die im Gastgewerbe (7,7 Prozent) oder in privaten Haushalten (8,3 Prozent) tätig sind.
Schweizer Erwerbstätige sind weniger armutsgefährdet als der europäische Durchschnitt
Um die Situation in der Schweiz mit anderen Ländern vergleichen zu können, wird die international gebräuchliche Armutsgefährdungsquote verwendet. Im europäischen Vergleich liegt die Schweiz mit einer Armutsgefährdungsquote der Erwerbstätigen von 7,7 Prozent unter dem Durchschnitt der Europäischen Union von 8,4 Prozent. Bis auf Italien (9,4 Prozent) weisen die direkten Nachbarstaaten tiefere Armutsgefährdungsquoten aus als die Schweiz (Deutschland 7,2 Prozent, Frankreich 6,2 Prozent, Österreich 4,9 Prozent). Auch im Hinblick auf die materielle Versorgung, die durch die Quote der erheblichen materiellen Entbehrung gemessen wird, sind die Erwerbstätigen in der Schweiz gut gestellt: Die Quote der Schweiz liegt mit 1,1 Prozent deutlich unter dem Durchschnitt aller europäischen Länder (5,2 Prozent) und auch unterhalb derjenigen der direkten Nachbarländer (Italien 4,4 Prozent, Frankreich 3,6 Prozent, Deutschland 2,7 Prozent, Österreich 2,6 Prozent).
Die Armutsstatistik des BFS wurde überarbeitet
Die präsentierten Resultate stammen aus der gleichzeitig erscheinenden Publikation «Armut in der Schweiz: Konzepte, Resultate und Methoden», die erstmals eine umfassende Analyse zur Armut der Schweizer Wohnbevölkerung auf Basis der überarbeiteten Armutsstatistik darstellt und auch besonders auf die Situation der erwerbstätigen Bevölkerung eingeht. Neu basiert die Armutsstatistik auf der Erhebung über die Einkommen und Lebensbedingungen (SILC), die repräsentative Ergebnisse für die ständige Wohnbevölkerung der Schweiz liefert. Aufgrund der geänderten Datengrundlage sowie konzeptionellen Änderungen sind die Analysen zur Situation der erwerbstätigen Bevölkerung nicht vergleichbar mit der bis anhin durch das BFS publizierten Working-Poor-Quote. (BFS/mc/ps)