120’000 gültige Unterschriften für Konzernverantwortungs-Initiative
Bern – Die Konzernverantwortungsinitiative dürfte an die Urne kommen: Die Initianten haben sie am Montag mit rund 120’000 gültigen Unterschriften eingereicht. Das Begehren will Schweizer Konzerne verpflichten, Menschenrechte und Umwelt auch im Ausland zu respektieren.
Ziel sei, die Verantwortung der Schweiz ernst zu nehmen und ihren guten Ruf zu bewahren, riefen die Initianten am Montag in Erinnerung. Die Sammelfrist war am 21. Oktober abgelaufen. Voraussetzung für das Zustandekommen einer Initiative sind 100’000 beglaubigte Unterschriften.
Hinter der Initiative steht eine breite Koalition aus inzwischen rund 80 Menschenrechtsorganisationen und Hilfswerken. Dazu zählt Brot für alle, Fastenopfer, Alliance Sud, Amnesty International Schweiz oder die Erklärung von Bern. Dem Initiativkomitee gehören auch alt Bundesrätin Micheline Calmy-Rey, der ehemalige IKRK-Präsident Cornelio Sommaruga und alt Ständerat Dick Marty an.
Sorgfaltsprüfung
Die Initianten fordern, dass globale Konzerne mit Sitz in der Schweiz einem zwingenden Regelwerk unterstellt sind, wenn es um die Durchsetzung von Menschenrechten und Umweltschutz bei ihren weltweiten Tätigkeiten geht. Die Initiative orientiert sich dabei an den im Jahr 2011 verabschiedeten UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte.
Herzstück der Initiative ist die sogenannte Sorgfaltsprüfungspflicht, die eingeführt werden soll. Diese sieht vor, dass Schweizer Konzerne künftig ihre Aktivitäten und jene ihrer Tochter- und Zulieferunternehmen auf Risiken für Mensch und Umwelt prüfen, diese mit geeigneten Massnahmen beheben und öffentlich darüber berichten müssen.
Kommt ein Konzern seiner Sorgfaltsprüfungspflicht nicht nach, soll er auch für allfällige Schäden haften, die seine Tochterfirmen im Ausland verursacht haben.
Für die Schweizer Wirtschaft sei die Reputation der Schweiz ein wichtiges Gut, schreiben die Initianten. Für Konzerne, die vom guten Schweizer Ruf profitieren, sollte auch klar sein, dass sie international anerkannte Menschenrechte und Umweltstandards respektieren. Leider sei dies heute noch nicht überall selbstverständlich.
Die freiwilligen Massnahmen der Konzerne genügen aus Sicht des Komitees nicht. Als jüngste Beispiele für problematische Tätigkeiten von Schweizer Konzernen nennen sie etwa Sklaverei bei der Crevetten-Fischerei, Kinderarbeit im Kakaoanbau und Menschenrechtsverletzungen beim Goldabbau. Deshalb brauche es «verbindliche Leitplanken».
«Starre Verrechtlichung»
Das sieht die Wirtschaft anders: Die Initiative sei unnötig, kontraproduktiv und gefährde den Wirtschaftsstandort, teilte der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse am Montag mit. Sie bedeute einen «bedauernswerten Rückschritt» im etablierten Dialog zwischen Unternehmen und NGOs.
Die Initianten setzten statt auf eine Partnerschaft zwischen Staat, Unternehmen und NGOs auf einen konfrontativen Weg, bei dem Klagen und Gerichtsprozesse im Vordergrund stünden. Dies führe zu einer starren Verrechtlichung und zu einer automatischen Haftung ohne Verschulden. Der Verband kündigte an, die Initiative bekämpfen zu wollen.
Beliebt beim Volk
Mitte März 2015 hatte das Parlament eine Kommissionsmotion für mehr Unternehmensverantwortung nur knapp abgelehnt. Die Volksinitiative nimmt nun einen neuen Anlauf zum Erreichen dieses Ziels.
Eine erster Stimmungstest in der Bevölkerung lässt aufhorchen: Laut einer Umfrage wird das Anliegen der Initiative von einer grossen Mehrheit der Schweizer Bevölkerung geteilt. 89 Prozent der Befragten waren der Ansicht, Schweizer Konzerne sollten verpflichtet werden, die Menschenrechte und die Umwelt auch im Ausland zu respektieren.
Besonders starke Unterstützung geniesst das Anliegen offenbar in der Westschweiz. Die Umfrage hatte das Marktforschungsinstitut Demoscope im Auftrag der Initianten bei rund 1000 Personen durchgeführt. Die Resultate wurden im Juli veröffentlicht. (awp/mc/ps)