Wo bleibt der Mensch in der Umsetzung der digitalen und globalen Veränderungen? Wie kann die Dynamik der Veränderungen gewinnbringend für alle Mitarbeitenden gestaltet werden? Mit diesen Fragestellungen richtet die Schweizerische Gesellschaft für Organisation und Management SGO an ihrer 43. Herbsttagung den Blick in die Zukunft.
Die Frage nach einer künftigen kooperativen und sinnstiftenden Arbeit sei zu wichtig, um sie an die Investoren zu delegieren, meinte Andreas Wenger, Präsident des SGO Vereins, in seinen Eröffnungsworten.
Die rund 150 Teilnehmenden blicken jedoch eher zuversichtlich in die Zukunft und sind überzeugt, dass im Titel der SGO-Tagung „Humanisierung gewinnt?!“ das Fragezeichen ruhig weggelassen werden könnte, wie die Kurzumfrage der Moderatorin Christine Maier zeigte.
Dass der Mensch künftig wieder mehr im Zentrum stehen werde, zeigte Tristan Horx, Trendforscher vom Zukunftsinstitut Frankfurt / Wien in seinem Referat auf. Jeder Trend werde von einem Gegentrend gefolgt und finde schliesslich zu einer Synthese. Die Digitalisierung – oder um den von ihm bevorzugten Begriff Konnektivität zu verwenden – werde vom Trend der individuellen Achtbarkeit abgelöst, um in der Resonanz, also in harmonischen Schwingungen zu enden. Die Dichotomie Real versus virtuell werde sich auflösen. Das Digitale und Reale ineinander übergehen und sich ergänzen. So mache es in der konkreten Umsetzung durchaus Sinn, die Backend-Prozesse möglichst zu digitalisieren, Frontend aber die Prozesse zu humanisieren.
Zum Sinn referierte Theo Wehner, Professor der ETH Zürich. „Vergessen sie es, den Sinn zu suchen“, rät er, denn die Sinnhaftigkeit einer Tätigkeit werde von jedem einzelnen intrinsisch hergestellt. Entsprechend bestehe kein Anspruch an die Führung einer Unternehmung mit einem Chief Happiness Officer den Mitarbeitenden den Sinn der Arbeit zu präsentieren. Wehner zeigte in einem Rückblick auch auf, dass mit jedem Technologieschub in der Arbeit auch der Ruf nach der Humanisierung laut wurde.
Einen Einblick, ob und wie weit die Humanisierung in der Praxis umgesetzt wird, erlaubte Claudio Amoroso von der Swiss Re. Die digitalen Möglichkeiten erlauben den Mitarbeitenden, selbstbestimmt die Arbeitszeit festzulegen. Gleichwohl beobachtet Amoroso Grenzen der Selbstbestimmung. So würden sich gerade agil arbeitende Teams scheuen, Aufgaben zu übernehmen, die nicht von hierarchisch übergeordneten Stellen verordnet wurde.
Erfrischend waren die Erkenntnisse aus der Diskussion mit vier Vertretern der jüngeren Generation. Für sie ist die Digitalisierung kein Problem, da sie nichts anderes kennen. Klar ist ihnen auch, dass der Mensch mit seinen Fähigkeiten trotz des technologischen Fortschritts nicht von einem Roboter ersetzt werden kann.
Ein Plädoyer für mehr Humanisierung respektive für mehr Glück trotz der Digitalisierung hielt Professor Bruno S. Frey von der Universität Basel. Denn laut neusten Studien und entgegen den Erwartungen erleichtert die Digitalisierung unser Leben nicht, sondern macht uns unglücklicher.
In fünf Workshops zu den Themen Die menschenzentrierte Organisation, Menschengerechtes, gesundheitsförderndes Arbeiten in der digitalisierten Welt, Selbstmanagementkompetenz in Organisationen stärken, Humane Zukunftsarbeit – «KI & Ich», und Global und digital erfolgreich: Lernen aus Geschäftsmodellen junger Start-ups tauschten die Teilnehmenden ihre eigenen Erfahrungen aus und vertieften ihre Erkenntnisse. (SGO/mc)