Zürich – Nach zwei Jahren Pause fand das 57. Forum der Schweizerischen Management Gesellschaft (SMG) in Zürich zum Thema «fearless» statt. Der rote Faden durch alle Analysen und Referate war klar: Mit Ruhe und Besonnenheit, Klarheit und Zuversicht, Entschlossenheit und Fokus stetig sowie mutig vorwärts gehen.
An unterschiedlichsten Herausforderungen fehlt es Unternehmern in der heutigen Zeit nicht: Klimawandel wird immer heisser geführt. Protektionistische Tendenzen kommen hinzu. Die technologische Entwicklung und disruptive Geschäftsmodelle beeinflussen die Wirtschaft. Die andauernde Pandemie und der Umgang mit ihr droht zuweilen die Gesellschaft zu spalten. Läuft die Schweiz Gefahr, dass ein Klima der Angst das Handeln bestimmt? «Was wir können, ist durch Erfahrungen lernen – durch die eigenen wie durch die anderer», erklärt Lukas Braunschweiler, der Präsident der SMG und Verwaltungsrat diverser Unternehmen ist. Er ist überzeugt: Reflexion, Inspiration, Adaption, Zusammenarbeit und der gegenseitige Austausch sind wichtige Pfeiler von Leadership. Das war ein wichtiges Ziel des Forums, inspirierende Denkansätze zu hören und einen intensiven Austausch zu pflegen.
Überwinden von Angst
Den Teppich zu Beginn legte Peter Schneider, Psychoanalytiker und Satiriker: «Mut ist die Überwindung von Angst – beides gehört zusammen. Angst und Unsicherheit kann man am besten überwinden, wenn man sie realistisch wahrnimmt.» Emmi-CEO Urs Riedener moderierte anschliessend ein Panel, wie die Schweiz die Pandemiekrise gemeistert hat und was wir daraus lernten, damit wir für künftige Herausforderungen bestmöglich aufgestellt sind. Es wurde rasch klar: Die Schweiz hat im internationalen Vergleich recht gut geschlagen. Monika Bütler, selbstständige Ökonomin und Honorarprofessorin HSG, zeigte anhand von ein paar Fakten, dass die Schweiz gut durch die Krise kam. Ist daher alles gut soweit? «Nein», sagte Monika Bütler, «der Markt richtet es nicht. Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass die Preise für CO2-Verschmutzung noch nicht stimmen. Die Frage ist, ob es hier mehr staatliche Lenkung braucht.» Beat Walti, Nationalrat (FDP ZH) und Partner Wenger Vieli warnte: «Wenn ein Grossteil der Menschen nicht mehr versteht, wie Wertschöpfung entsteht, werden wir grosse Probleme bekommen.»
Monika Rühl, Vorsitzende der Geschäftsleitung economiesuisse, repräsentiert 100’000 Firmen und zwei Millionen Angestellte. Sie zeigte sich besorgt über die potenzielle Spaltung der Gesellschaft: «Die heftigen Demonstrationen bereiten mir Sorgen. Statt zusammenzustehen, wird eine Spaltung herbeigeführt. Alles andere kriegen wir in den Griff.» Kritisch zeigte sich auch Serge Gaillard, ehemaliger Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung. «Wir haben viel liegen gelassen. Zu nennen sind die Reform der Altersvorsorge bis 2030, das Kostendach für das Gesundheitswesen, gute Zusammenarbeit mit den europäischen Ländern und dann die Energieversorgung und Versorgungssicherheit.»
Zufrieden war hingegen Martin Hirzel, Präsident Swissmem, die 1200 Firmen der Maschinen- Elektro- und Metallbauindustrie und 30 Prozent der Exporte repräsentiert: «Unsere Branchen hat sich furchtlos gezeigt und eine weitere grosse Krise gut gemeistert. Aber jetzt drohen Lieferschwierigkeiten und die Verteuerung der Energie den Aufschwung zum Ende bringen.»
Mutige und innovative Führungskräfte gefragt
Für Holcim-CEO Jan Jenisch braucht es in diesem Umfeld mutige und innovative Unternehmer und Führungskräfte. Er nannte dafür sechs Punkte: Erstens die Wichtigkeit für Schlüsseltrends wie Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Diversity erkennen. Zweitens nicht der Flaschenhals sein: Experten ranlassen – insbesondere die neue Generation. Drittens sind Agilität und Geschwindigkeit meistens wichtiger als ein perfekter Plan. Viertens nehmen Partnerschaften starke an Bedeutung zu. Viele Veränderungen, Innovationen und Chancen können nicht alleine umgesetzt werden. Fünftens wollen Mitarbeitende interessante Aufgaben und Verantwortung – Hierarchien sind von gestern. Und schliesslich sind sechstens Menschen und Unternehmenskultur wichtiger als Struktur und Prozesse.
Blindes Vertrauen bei Tempo 500
Oberstleutnant Daniel Stämpfli ist seit 2014 als Fluglehrer sowie Chefpilot auf PC-21 in Emmen tätig. Seit 2016 leitet er als Kommandant das PC-7-Team der Schweizer Luftwaffe und erklärte zum Tagungsthema: «Fearless bedeutet für mich, den Mut haben, etwas Neues zu wagen, von dem ich nicht weiss, ob ich es kann und ob es gelingen wird.»
Was können wir aus dem Cockpit in die Unternehmenswelt transferieren? Bezüglich Teamselektion und –Organisation zeigte er spannendes auf. Geht es um die Selektion eines neuen Teammitglieds, wird dieses von allen Bestehenden gewählt. Jeder hat das gleiche Vetorecht. Für den täglichen Betrieb hatte der Kommandant einen Tipp für die Privatwirtschaft: «Wir kritisieren uns ständig und gegenseitig, werden aber nie persönlich. Zehn Prozent unserer De-Briefing-Gespräche sind Komplimente, was gut lief. Aber zu 90 Prozent befassen wir uns mit dem, was wir besser machen können.»
Keine Angst im Sport
Marlen Reusser, Radrennfahrerin und Ärztin, sagte es offen: «Sich den Ängsten und Zweifeln zu stellen, bietet eine wunderbare Chance zu wachsen. Eine Erfahrung, die das Leben lebenswerter macht.» Marlen Reusser löste 2017 ihre erste Radsport-Lizenz und schloss gleichzeitig ihr Medizinstudium ab. 2019 setzte voll auf den Radsport: «Das Risiko war es mir Wert.» Im Olympiajahr 2021 krönte sie ihre Saison mit dem Gewinn der Silbermedaille in Tokio. Dann liess sich Bernerin in Trento als Europameisterin feiern und gewann an der WM in Flandern wiederum Silber. Im Hintergrund hat der Verband ausgezeichnete Arbeit geleistet: 2010 bestanden kaum Strukturen sowie hohe Schulden als Thomas Peter zum Verband kam und dann 2021 Geschäftsführer von Swiss Cycling wurde. Zum Thema Angst sagte er: «Solange man nichts zu verlieren hat, ist es einfach, sich furchtlos zu bewegen. Entscheidend ist, diese Eigenschaft auch in guten Zeiten zu bewahren und trotzdem umsichtig und achtsam zu handeln.»
Künstliche Intelligenz furchteinflössend
Andreas Meier, ex CEO SBB und Verwaltungsratspräsident von Starmind, sprach über die Technologie des Unternehmens welche inzwischen in 125 Ländern eingesetzt wird. Sie setzt auf künstliche Intelligenz, die manchmal etwas furchteinflössend tönt, so Meyer, vor allem wenn es die Zukunft der Arbeit betrifft: «Starmind hat patentierte Algorithmen und schafft es, die Menschen miteinander zu verbinden.»
Dass dies sehr wichtig ist, insbesondere auch beim Remote Arbeiten, haben jüngste Studien gezeigt. Die Agilität grosser Organisationen wurde durch die Verlagerung auf das Home-Office negativ beeinflusst. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter neigen dazu, ihren Wissensaustausch fast ausschliesslich auf ihr direktes Team zu beschränken. Die Folgen sind Informationssilos, reduzierte Innovationsfähigkeit und bis zu 2,5 Stunden Produktivitätsverlust pro Tag, weil Mitarbeitende zu lange nach den von ihnen benötigten Informationen suchen müssen. Um dies künftig zu verhindern, braucht es diese neuen Werkzeuge.
Besonnenheit und Weitsicht
Den Abschluss machte Fabrice Zumbrunnen, der seit 2018 Präsident der Generaldirektion des Migros-Genossenschaft-Bunds ist. Von 2012 bis 2017 war er bereits Mitglied der Generaldirektion und als Leiter des Departementes Human Resources, Kulturelles und Soziales tätig. Zum Tagungsthema erklärte er: «Fearless heisst für mich, den Mut zu haben, mit Besonnenheit und Weitsicht strategische Entscheide zu fällen, die sich auch in herausfordernden Zeiten mit unerwarteten Entwicklungen bewähren.» Migros war geprägt von der Idee, alles selber zu machen. Migros wolle aber keine Sammlung von Unternehmen sein: «Wir wollen bei allen Firmen gute Gründe finden, wieso ein Unternehmen besser bei uns ist als irgendwo.»
SMG-Präsident Lukas Braunschweiler fasste die Tagung mit dem Wort FEARLESS zusammen:
F mit grossem Fokus unterwegs
E alle sind enorm entschlossen mit viel Empathie und Emotionen
A mit grosser Ambition glaubwürdig nach vorne gerichtet
R alle zeichnen sich durch Ruhe, Resilienz und Durchhaltewillen aus
L mit viel Leidenschaft am Werk
E persönliche Energie und Ehrgeiz für die Sache
SS Selbstbewusst und sich ihrer Sache sicher
(SMG/mc/ps)