Zürich – Rund 6’000 Autobesitzer in der Schweiz fordern über eine Schadenersatzklage der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) vom Automobilkonzern VW und von Amag Geld zurück. Sie sehen sich als Geschädigte im Abgas-Skandal. Für die SKS geht es aber um weit mehr.
«Das Ziel ist, auch in der Schweiz Sammelklagen zu ermöglichen. Wir möchten einen typischen Schweizer Weg», sagte Sara Stalder, Geschäftsleiterin der SKS vor Journalisten in Zürich.
Mit den 6’000 Klagen, welche die SKS medienwirksam am Freitag am Handelsgericht Zürich eingereicht hat, soll ein Exempel statuiert werden. Wie eine «Schweizer Sammelklage» aussehen könnte, ist derzeit zwar noch völlig offen. Auf politischer Ebene laufen diverse Bestrebungen. Nötig wäre wohl eine Anpassung der Zivilprozessordnung.
Für die SKS zählt vorerst das Signal an die Politik: Geschädigte Konsumenten haben bei Massenschäden keine einfachen juristischen Instrumente, um zu ihrem Recht zu kommen. Weil die Ansprüche zu klein sind, lohnt sich der Alleingang vor Gericht für den einzelnen Konsumenten nicht. Zudem ist auch nicht jeder Betroffene automatisch Teilnehmer einer Klage. Er müsste selbst aktiv werden – was aber eben nicht rentiert.
Die SKS hat für den Fall VW in Zusammenarbeit mit der Anwaltskanzlei Schwärzler ein spezielles Klagekonzept entwickelt. Geschädigte hatten die Möglichkeit, ihre Ansprüche auf Schadenersatz an den Konsumentenschutz als gemeinnützigen Verband abzutreten. SKS macht diese nun gesammelt geltend.
Berge von Papier
Weil die Ansprüche aber dennoch einzeln dargelegt und nachgewiesen werden müssen, umfasst die eingereichte Klage etwa 100’000 Seiten – verpackt waren diese am Freitag in etwa 25 Kartons. «Und das im Internetzeitalter», sagte Alexander Amann, Partner bei Schwärzler Rechtsanwälte, vor den Medien. Alleine schon der Papier-Berg zeigt laut dem Anwalt, dass es sich bei diesem Verfahren «in keiner Weise um einen vollwertigen Ersatz für gesetzlich geregelte Instrumente für kollektiven Rechtsschutz» handle. Gefordert sei der Gesetzgeber.
Bereits im September hatte SKS beim Handelsgericht des Kantons Zürich eine Verbandsklage gegen Amag und den Volkswagenkonzern eingereicht. Die Klage lautete auf widerrechtliche Täuschung bei den Abgas-Manipulationen. Insgesamt bezeichnet die SKS ihr Vorgehen gegen VW und Amag als «zweistufig».
Alles in allem sei dies ineffizient und ein «Monsterprojekt» gewesen, betonten Amann und Stalder. Bis ein Entscheid vorliegt, könnte es Jahre dauern. Dank der beteiligten Rechtsschutzversicherungen sei es aber immerhin finanzierbar. Es ist das erste Mal überhaupt, dass alle Rechtsschutzversicherungen schweizweit ein koordiniertes juristisches Vorgehen unterstützen. Die Rechtsschutzversicherungen haben ihre Kunden aktiv auf die Klagemöglichkeit hingewiesen und entsprechende Kostengutsprachen erteilt.
Begründet wird der Schadenersatz damit, dass die Autos beim Verkauf als umweltfreundlich angepriesen worden seien, was sie eigentlich nicht waren. Darum seien sie von vornherein überteuert gewesen. Wegen der Manipulationen der Abgasvorrichtungen hätten die Wagen auf dem Occasionsmarkt zusätzlich an Wert verloren. Der Konsumentenschutz geht von einem durchschnittlichen Schaden von 15% des Neuwerts der betroffenen Wagen aus.
Beklagte sind der Volkswagen-Konzern und der Generalimporteur Amag. Weder der Konzern VW noch Amag seien bereit gewesen, mit dem Konsumentenschutz über den Ersatz der finanziellen Schäden der Kunden zu verhandeln.
Amag kontert
Amag wehrt sich in einer Reaktion am Freitag. Sie nehme die Klage mit Unverständnis zur Kenntnis, heisst es in der Mitteilung. Die Occasionspreise der Dieselfahrzeuge des Volkswagenkonzerns seien gemäss den Branchenexperten von Eurotax gleich oder besser als die der Mitbewerber. Von einem Wertzerfall könne keine Rede sein.
Auch der Vorwurf der widerrechtlichen Täuschung wird «mit Nachdruck» zurückgewiesen. Amag ortet in der ganzen Aktion rein politisches Kalkül: «Die SKS versucht, ihre Bekanntheit und Medienwirkung zu eigenen Zwecken zu missbrauchen und entfernt sich von den eigenen Zielen.»
Unbestritten sind hingegen die Fakten: Weltweit hatte Volkswagen etwa 11 Millionen seiner Autos mit einer Schummel-Software ausgestattet, welche die Abgaswerte bei Tests manipulierte. Auf der Strasse war der Ausstoss dagegen um ein Vielfaches höher.
In der Schweiz sind rund 180’000 Kunden von diesem sogenannten Abgas-Skandal betroffen. Die betroffenen Autos wurden fast alle umgerüstet, wie Amag weiter betonte.
Zudem weist das Unternehmen darauf hin, dass Amag rechtlich unabhängig von der Volkswagen AG sei und lediglich den Import und Vertrieb diverser Marken in der Schweiz und in Liechtenstein übernehme. Von den Manipulationen hatte Amag keine Kenntnis. (awp/mc/ps)