Bern – Farbiges für den Balkon, Grünes für den Garten, ein neuer Rasenmäher oder eine neue Frisur: Das alles kann seit Montag wieder vor Ort erworben werden. Gleichzeitig sank die Zahl der Neuansteckungen seit Sonntag auf 103.
Vor allem Gartencenter, Baumärkte und Coiffeure, die nach dem Lockdown unter anderen als Erste öffnen durften, zogen viele Kunden an.
Reges Treiben herrschte zum Beispiel in der Gartenabteilung der Landi in Zofingen AG, wie ein Augenschein der Nachrichtenagentur Keystone-SDA ergab. Die Leute hatten offensichtlich Nachholbedarf: Sie kauften farbige Topfpflanzen für den Balkon, Tomaten- und Peperonisetzlinge für den Hausgarten.
Neue Normalität
Vor den Kassen bildeten sich lange Schlangen mit bis zu zehn Personen. Die neue Normalität schien zu funktionieren. Eingang und Ausgang waren getrennt, die Kunden erhielten eine Karte mit einer Nummer, überall klebten Abstandsmarkierungen am Boden und Infos über die Schutzkonzepte. Alles lief ruhig und routiniert ab. Die Leute packten ihre Einkäufe in ihre Autos – und fuhren weg.
Ähnliches Szenario in der Bauhaus-Filiale in Niederwangen bei Bern: Kurz nach Türöffnung um 7 Uhr warteten bereits rund sechzig Kunden auf Einlass. Die Schlange bildete sich, weil Sicherheitsleute Wert auf einen geordneten Eintritt legten. Die Zufahrt zur Filiale musste aufgrund des Andrangs zeitweise gesperrt werden. Nur vereinzelt trugen Kunden Schutzmasken – zumeist Modelle, die nicht sie selber, sondern die anderen Menschen schützten.
Lange Autoschlange
Eine gut hundert Meter lange Autoschlange bildete sich kurz nach der Ladenöffnung auch bei der Einfahrt zum Baumarkt- und Gartencenter Obi an der Basler Münchensteinerstrasse. Auf der grossen Parkplatzfläche blieb es jedoch ruhig. Viele Sicherheitsleute standen ohne Schutzmaske untätig herum.
Im gut besuchten Innern des Geschäftes herrschte eine relativ entspannte Stimmung. Obi hatte die Kundenströme kanalisiert und den Eingang an die Hinterseite des Gebäudes verlegt, um Gegenverkehr zu vermeiden.
Vor den komplett besetzten Kassen bildeten sich aber keine lange Schlangen; eine gewisse Wartezeit ergab sich lediglich wegen den mit Blumen und Pflanzenerde oder Baumarktutensilien prall gefüllten Einkaufswagen der Kundschaft. Auch in der Romandie strömten die Kundinnen und Kunden in die wieder geöffneten Geschäfte.
Waschen, Schneiden, Legen mit Schutzkleidung
Zurück in eine Art berufliche Normalität hiess es auch für die Coiffeure. In Chur legten diverse Geschäfte kurz nach 8 Uhr los. Waschen, Schneiden, Legen: aber das unter veränderten Bedingungen:
Wegen des Coronavirus müssen etwa Kundinnen und Kunden des traditionellen Churer Coiffeurladens Bucceri ihre Jacken selber in die Garderobe hängen und danach die Hände desinfizieren. Wegen der Abstandsvorschriften sitzt nur noch auf jedem zweiten Stuhl ein Kunde.
Kleintierärzte und Zahnärzte gehen es ruhiger an
Ruhig ging es bei der Basler Kleintierpraxis Spalen zu und her. Doch sie war auch während der Lockdownphase für Kunden mit kranken und verletzten Haustieren auf Voranmeldung hin geöffnet gewesen. Diese Regelung wurde aufrechterhalten.
Auch bei der Kinder- und Jugendzahnklinik der Stadt St. Gallen gingen um 8 Uhr nur einzelne Patienten und Eltern ein- und aus. Ein Patienten-Ansturm war nicht feststellbar. Die Patientinnen und Patienten wurden mit einem Schild an der Praxistür aufgefordert, zu läuten und im Flur vor einer am Boden markierten Linie zu warten.
Auch die Tattoo-Studios hatten sich auf die Wiedereröffnung vorbereitet. «World’s End Tattoo» in Zürich-Wiedikon zum Beispiel deckte sich im Vorfeld mit tausend Gesichtsmasken ein. Zudem wird der Ladenbesitzer keine Laufkundschaft mehr empfangen und Kunden dürfen keine Begleitung mitbringen.
Bald Entscheid über Tourismus
Der Bundesrat prüft die schrittweise Öffnung der Gastronomie- und Tourismusbranche und wird dazu in den nächsten Tagen erste Entscheide fällen, wie es vor den Bundeshausmedien hiess. Grundsätzlich soll ab dem 8. Juni wieder einiges möglich sein, falls die erste Öffnungsschritte erfolgreich waren.
Das Motto für die kommenden Monate muss lauten: «Der Tourismus findet statt, aber mit Einschränkungen.» Schutzkonzepte für Arbeitnehmende und Kunden stellten im Tourismus eine besondere Herausforderung dar.
Weniger Neuansteckungen
Die Zahl der Neuansteckungen mit dem Coronavirus geht weiter zurück. Das seien gute Nachrichten sagte Daniel Koch, Delegierter des Bundesamts für Gesundheit (BAG) für Covid-19. Er mahnt aber zur Vorsicht. Seit Sonntag wurden dem BAG 103 Neuansteckungen gemeldet-
Insgesamt gab es 29’164 laborbestätigte Fälle. Die Fallzahlen unterliegen einer wöchentlichen Schwankung mit jeweils tieferen Zahlen am Wochenende.
Die Todesfälle in Zusammenhang mit der Lungenkrankheit Covid-19 in allen Kantonen zusammen nahmen nach einer Zählung der Nachrichtenagentur Keystone-SDA bis Montagmittag um 57 auf 1664 zu.
Masken und Grosseltern
Masken aus normalem Stoff schützen nur wenig gegen das Coronavirus. Die Textilindustrie arbeitete deshalb an einer neuen Lösung, sagte Brigadier Markus Näf, Beschaffungskoordinator im Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS). Gleichzeitig rechtfertigte er die Qualitätskontrollen bei den Bestellungen von Masken im Ausland. Diese Woche sollen gemäss Näf 20 Millionen Masken geliefert werden.
Vom Körperkontakt mit kleinen Kindern geht nach Angaben von Koch keine Gefahr aus, wie er sagte. Die vorliegenden Daten zeigten, dass diese kaum infiziert seien und die Krankheit auch nicht übertrügen. Auch durch den vorangehenden Körperkontakt mit allenfalls infizierten Erwachsenen könne das Coronavirus kaum übertragen werden.
«Deshalb geht von den Kindern keine Gefahr aus, auch nicht für Risikopersonen oder Grosseltern», sagte Koch. (awp/mc/ps)