Züge verkehren wieder normal durch den Gotthard-Basistunnel
Bellinzona – Nach dem gravierenden Unfall vor über einem Jahr verkehren die Züge seit Montag wieder normal durch den Gotthard-Basistunnel. Verkehrsminister Albert Rösti bezeichnete den Eisenbahntunnel an einer Medienkonferenz in Pollegio TI als «zentrales Element für den Warenverkehr in Europa».
Eine der wichtigsten Verbindungen durch die Alpen steht nun wieder vollständig zur Verfügung. Knapp 13 Monate haben die Reparaturarbeiten nach der Entgleisung eines Güterzugs am 10. August 2023 gedauert. Neu verkehren die Personenzüge zwischen Süd und Nord im Halbstundentakt.
«Heute ist ein guter Tag für die Schweiz, für das Tessin und für den ganzen Kontinent», sagte Verkehrsminister Albert Rösti in seiner Rede im Informationszentrum AlpTransit in Pollegio.
Bund investiert in die Bergstrecke
Das letzte Jahr habe deutlich gemacht, wie wichtig die Gotthard-Bergstrecke sei. Der Bund werde in den nächsten Jahren eine Milliarde Franken in diese investieren. «Wir hoffen, dass wir diese Redundanz möglichst wenig brauchen», erklärte Rösti.
Das Bundesamt für Verkehr (BAV) kontrolliere jährlich 7000 Eisenbahnwagen, sagte der Verkehrsminister. Zudem hätten die BAV-Bestrebungen für bessere Sicherheitsstandards international «Früchte getragen».
Im Schlussbericht der europäischen Eisenbahnagentur (ERA) seien die notwendigen Massnahmen aufgeführt. Das Risiko für weitere Radbrüche müsse gesenkt werden, so Rösti. In den nächsten Wochen werde sein Amt «alle anweisen, die nötigen Massnahmen umzusetzen».
Der Tessiner Regierungspräsident Christian Vitta (FDP) betonte die «radikale Veränderung», die der Gotthard-Basistunnel für das Tessin gebracht habe. Seit der Eröffnung 2026 reisten deutlich mehr Menschen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln.
Umso drastischer habe sich die Schliessung des Tunnels auf den Südkanton ausgewirkt, Vitta bezeichnete diese als «Desaster» für den Kanton. Laut Schätzungen von Tessin Tourismus brach der Tagestourismus um 15 Prozent ein.
Auch der Urner Regierungsrat Urban Camenzind (Mitte) betonte die seit jeher wichtige Eisenbahnverbindung ins Tessin. Die Reisezeit in den Süden habe sich für den Kanton Uri während des Unterbruchs «verdreifacht».
Güterwagenräder «besser beobachtet»
SBB-Chef Vincent Ducrot zeigte sich zufrieden über die europaweit ergriffenen neuen Massnahmen zur Erhöhung der Sicherheit im Güterverkehr. «Wir versuchen alles Mögliche, um das Risiko für einen weiteren solchen Unfall zu senken», erklärte er.
Beim Tunneleingang seien temporäre Massnahmen ergriffen worden. Kurzfristig gelte im Bereich der beiden Portal-Spurwechsel vor dem Gotthard Basistunnel eine Maximalgeschwindigkeit von 160 Kilometern pro Stunde, um das Risiko für einen ähnlichen Unfall zu reduzieren.
Zudem plane die SBB mittelfristig die Installation von streckenseitigen Entgleisungsdetektoren bei den Spurwechseln im und vor dem Gotthard-Basistunnel. Ausserdem prüfe sie den vermehrten und «optimierten Einsatz von Zugkontrolleinrichtungen».
Kontrolle alle sechs Jahre
In ganz Europa sollen im Nachgang zum Unfall Güterwagenräder nach einem Ereignis wie einer Überhitzung besser «beobachtet» werden, sagte Ducrot. Generell würden die Räder von Güterwagen jedoch nur alle sechs Jahre kontrolliert. Die Räder von Personenwagen würden hingegen jährlich überprüft. Risse in Rädern zu erkennen, sei «sehr, sehr komplex».
Die Frage einer Medienschaffenden, ob solche Empfehlungen reichten, um einen weiteren gravierenden Unfall zu verhindern, beantwortete Ducrot ausweichend. Die einzelnen Länder in Europa würden die Empfehlungen übernehmen. «Das sind die Spielregeln.»
Im Nachgang zum Unfall im Gotthard-Basistunnel wurden auf Anregung des BAV europaweit neue Massnahmen definiert. Diese haben zum Ziel, das Risiko von Radbrüchen zu analysieren und die Sicherheit im Schienengüterverkehr zu verbessern. Umgesetzt werden die Massnahmen von den einzelnen Ländern.
Laut dem Zwischenbericht der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) war ein Radscheibenbruch für den Unfall im Gotthard-Basistunnel verantwortlich. Die SBB bezifferten den Sachschaden, einschliesslich entgangener Erträge, auf etwa 150 Millionen Franken. Davon seien rund 140 Millionen Franken versichert. (awp/mc/pg)