Zürich – ABB und Hitachi haben den Spekulationen um einen Verkauf der Stromnetz-Sparte ein Ende gesetzt und Nägel mit Köpfen gemacht. Die Sparte wird an Hitachi verkauft. Gleichzeitig organisiert ABB die verbleibenden Sparten neu und richtet sich ausschliesslich auf die digitalen Industrien aus.
Erst vor wenigen Tagen bestätigten die beiden Unternehmen, was gerüchteweise schon länger herumgeboten wurde. Man führe Gespräche über die Zukunft der grössten Sparte von ABB, hiess es aus Japan und Oerlikon. Am Montag wurden nun die Pläne konkretisiert.
Demnach übernimmt Hitachi vorerst gut 80 Prozent der Stromnetzsparte, ABB behält knapp 20 Prozent. Die Transaktion bewertet die Sparte mit rund 11 Milliarden US-Dollar. Nach Abzug von einmaligen Transaktionskosten, dem Steueraufwand sowie weiterer Effekte erhält ABB für diese Tranche netto rund 7,6 bis 7,8 Milliarden.
Diese Mittel will ABB nach Abschluss der Transaktion im ersten Semester 2020 über Aktienrückkäufe oder auf ähnliche Weise zu 100 Prozent an die Aktionäre zurückführen. Dass ABB damit dem Druck von Cevian oder anderen Aktionären, welche schon länger eine Abspaltung der Division gefordert hatten, nachgegeben habe, bestritt CEO Ulrich Spiesshofer anlässlich einer Medienkonferenz.
Spiesshofer sieht «Win, win, win-Situation»
«Der Deal ergibt eine dreifache Gewinnsituation für ABB, Hitachi und die Sparte selber», verteidigte er den Schritt. Mit den heute angekündigten Massnahmen, also dem Verkauf der Stromnetz-Sparte und der Neuorganisation, will er eine neue ABB schaffen, einen «auf digitale Industrien fokussierten Technologieführer».
ABB behält wie erwähnt vorerst 19,9 Prozent an der herausgelösten Stromnetzsparte, besitzt aber eine Option zum Verkauf dieses Anteils nach drei Jahren. Der Preis für den Verkauf des Restanteils soll zu einem fairen Marktwert erfolgen, jedoch mindestens 90 Prozent des vereinbarten Unternehmenswerts ausmachen.
Negative Folgen für den Industriestandort Schweiz bzw. einen grösseren Stellenabbau sieht Spiesshofer nicht. «Die Schweiz wird der Schlüssel-Hub für die Sparte bleiben», sagte er. Hitachi wolle den Hauptsitz der Sparte Hitachi-ABB Power Grids in der Schweiz behalten. Auch die Forschung und Entwicklung der Division sowie die Produktionsstandorte sollen erhalten bleiben. Spiesshofer bezifferte die Anzahl Mitarbeiter in der Stromnetz-Division in der Schweiz auf rund 2’800 von insgesamt 6’500 Mitarbeitern.
Zu Anpassungen wird es allenfalls am Konzernhauptsitz in Oerlikon kommen. Dieser soll laut Spiesshofer im Zuge der Neuausrichtung weiter optimiert werden. Insgesamt will ABB durch den Verkauf der Division rund 500 Millionen US-Dollar jährlich und konzernweit einsparen. Inwieweit sich das auf die Arbeitsplätze hierzulande auswirken wird, wollte er nicht genauer beziffern.
Divisionen werden neu aufgeteilt und gestärkt
Damit ist aber der für ABB zweite wichtige Punkt angesprochen. Der Neustart von ABB umfasst laut dem CEO drei fundamentale Schritte. Nebst dem Verkauf der Stromnetz-Sparte ist der zweite Schritt die Vereinfachung des Geschäftsmodels durch die Auflösung der bisherigen Matrixstruktur. Und als dritten Schritt bezeichnete der ABB-Chef die Organisation in vier Divisionen, von denen zwei neu sind, nämlich Robotik & Fertigungsautomation sowie Antriebstechnik. Die bisherigen sind Elektrifizierung und Industrieautomation. Jede der vier Divisionen markiere auf dem globalen Markt die erste oder zweite Position, so Spiesshofer.
Alle kundenbezogenen Aktivitäten und Aufgaben auf lokaler Ebene würden künftig von diesen Geschäftsbereichen geleitet, welche gleichzeitig auf Länderebene gestärkt werden sollen, hiess es dazu. Die bestehenden Regional- und Länderstrukturen sollen indes aufgelöst werden.
An der Börse lösten die Nachrichten keine grosse Euphorie aus. ABB-Aktien büssten bis Handelsende in einem schwachen Gesamtmarkt um 1,8 Prozent ein. Die Papiere hatten zuvor letzte Woche deutlich zugelegt, als die Gespräche mit Hitachi bestätigt wurden. (awp/mc/ps)