Bern – Einig sind sich Befürworter und Gegner der E-ID in einem Punkt: Die Digitalisierung muss vorangetrieben werden, damit es zu einer relativ schnellen, tragfähigen Lösung kommt, in die das Volk Vertrauen haben kann. Wie das konkret vonstatten gehen soll, ist jedoch offen.
Die grüne Partei twitterte, das Volk wolle einen modernen Staat, der die Verantwortung für seine digitalen Dienstleistungen wahrnehme und nicht delegiere. Nun sei das Tor für eine zukunftsfähige Lösung geöffnet worden, sagte Grünen-Präsident Balthasar Glättli (NR/ZH) am Sonntag im Schweizer Fernsehen SRF. Das Ziel, in zwei Jahren eine Lösung parat zu haben, sei für die Schweizer Gesetzgebung sportlich, aber Liechtenstein habe das innerhalb eines Jahres geschafft, sagte Glättli.
Für SP-Co-Präsident Cédric Wermuth (NR/AG) fiel am Sonntag ein Grundsatzentscheid. Das Volk wolle die demokratische Kontrolle über Daten behalten, sagte er zu Blick TV. Die SP gewichtet gemäss seinen Worten die Sicherheit höher als die Geschwindigkeit.
FDP: Staatliche Lösung dauert
Für FDP-Präsidentin Petra Gössi (NR/SZ) zeigt das Nein zur E-ID das Misstrauen des Volkes gegenüber grossen IT-Firmen, sagte sie der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Es sei kein generelles Votum gegen eine E-ID, das Resultat der Abstimmung zeige aber auf, wie wichtig das Thema Datensicherheit sei. Eine staatliche Lösung werde auch nicht so schnell kommen, sagte Gössi.
Die Chefin der Mitte-Fraktion, Ständerätin Andrea Gmür (CVP/LU), zeigte sich im Schweizer Fernsehen SRF überrascht vom deutlichen Nein. Einen der Gründe für die Ablehnung sieht sie im Namen der Vorlage. Besser wäre ihrer Meinung nach «qualifiziertes Log-In» gewesen, sagte Gmür. Sie rechnet damit, dass es drei bis vier Jahre geht, bis eine konstruktive Lösung steht.
SVP-Präsident Marco Chiesa (SR/TI) sagte, man wissen nun, dass es nicht die richtige Vorlage gewesen sei. Man müsse aber unbedingt an einen Tisch sitzen und eine Lösung finden, erklärte er bei Blick TV.
Bundesrat soll vorwärts machen
Für das Referendumskomitee ist das klare Nein ein Ja zu einer staatlichen E-ID. Jetzt liege der Ball beim Bundesrat, vorwärts zu machen. Die Schweiz benötige rasch eine digitale Identität, die sicher sei und das Vertrauen der Bevölkerung geniesse, hiess es in einer Mitteilung.
Erik Schönenberger, Co-Kampagnenleiter des Referendums, sagte auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA, er gehe davon aus, dass man relativ schnell zu einer neuen, staatlichen Lösung komme. Eine Möglichkeit ist laut Schönenberger die Lancierung der neuen Identitätskarte in zwei Jahren. Allenfalls könne man diese mit einem Chip ergänzen – dies könnte eine sichere und kostengünstige Lösung sein.
Chance verpasst
Mit dem Nein zur E-ID verpasst die Schweiz laut Befürwortern eine «Chance, in der technologischen Entwicklung einen grossen Schritt vorwärts zu kommen». Es sei nun an der Politik, eine neue Lösung zu finden. Die Allianz für eine Schweizer E-ID rief in ihrer Mitteilung deshalb zu einem konstruktiven Dialog auf. Nicolas Bürer, Geschäftsführer von Digitalswitzerland, appellierte darin an die Politik, das Dossier rasch wieder aufzunehmen.
Mit der Ablehnung des Gesetzes hätten die Gegner nichts gewonnen, aber die Schweiz viel Zeit im Digitalisierungsprozess verloren, schrieb der Schweizerische Gewerbeverband (SGV). Dies sei ein Rückschritt für die Weiterentwicklung des E-Government.
Votum für Service public
Die Gewerkschaften werten das Nein zur E-ID als Zeichen dafür, dass das Volk die Datenhoheit nicht privatisieren will. Für den Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) beweist das Nein, dass «hoheitliche Aufgaben in öffentliche Hände gehören». Dass jemand mit Daten Profit machen könne, komme für das Volk nicht infrage.
Auch für die Gewerkschaft Syndicom muss die Hoheit über die Daten beim Bürger liegen. Das Nein des Volkes zum E-ID-Gesetz sei ein starkes Votum gegen die Privatisierung von Aufgaben des Staates und für einen starken Service public.
Für den Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) verhindert das Nein die Etablierung einer Drei-Klassen-Gesellschaft im Internet und die Nutzung von amtlichen Informationen zur Bildung von Nutzungsprofilen. Nun brauche es schnell eine amtliche elektronische Identifizierung, die öffentlich und transparent sei, schrieb der Gewerkschaftsbund. (awp/mc/pg)