Airline-Kauf zum Spottpreis: Vor 20 Jahren wurde Swiss deutsch

Airline-Kauf zum Spottpreis: Vor 20 Jahren wurde Swiss deutsch
Unter den Fittichen des Kranichs hat sich die einstige Kummertochter Swiss zu einer veritablen Cashcow gemausert.

Zürich – Die Fluggesellschaft Swiss schlüpfte vor 20 Jahren unter die Flügel der Lufthansa. Die Übernahme am 22. März 2005 bewahrte die Schweizer Airline wohl vor dem Aus. Danach startete sie durch. Nun will die Lufthansa den Coup mit der Alitalia-Nachfolgerin Ita wiederholen.

Es waren dramatische Jahre in der Schweizer Luftfahrtgeschichte: Nach Jahren der Risikoexpansion ging der ehrwürdigen Swissair drei Wochen nach den Terroranschlägen in den USA vom 11. September 2001 das Geld aus. Alle Flieger wurden gegroundet, der Schweizer Nationalstolz war am Boden.

Um den Anschluss an den globalen Luftverkehr zu halten, ging 2002 die Nachfolgeairline mit dem Kurznamen Swiss an den Start. Möglich machte es der Bund mit einer 1,7-Milliarden-Hilfe. Anschieben halfen auch mehrere Banken und der Kanton Zürich.

Gegenwind durch Billig-Airlines im Europa-Geschäft
Nach drei Jahren wurde aber auch für die Swiss die Luft immer dünner. Billig-Airlines wie Ryanair und Easyjet bedrängten die mittelgrosse Swiss im Europa-Verkehr. Wo ein Billigflieger gegen eine etablierte Fluglinie antrat, verlor diese binnen zwei Monaten die Hälfte der Passagiere, lautete eine Daumenregel.

Restrukturierungen reduzierten zwar die Verluste, unter dem Strich flog die Swiss aber dreistellige Millionendefizite ein: 2002 waren es 980 Millionen Franken, 2003 687 Millionen und 2004 noch 140 Millionen.

Um über den Berg zu kommen, führte aus Sicht von Analysten nichts an einer Übernahme vorbei. Am 13. März 2005 kam es zum Knall: Die Lufthansa-Gruppe – eine der grössten Airlines der Welt – verkündete an jenem Sonntag nach monatelangen Spekulationen den Kauf der Swiss. Die Übernahme wurde am 22. März besiegelt: Die Schweizer Fluggesellschaft wurde als 100-prozentige Lufthansa-Tochter deutsch.

«Lufthansa als Garantie nach Vertrauensverlust»
«Damals war die Lufthansa eine Art Garantie für die Bevölkerung und die Fluggäste, die nach dem Grounding das Vertrauen verloren hatten», sagte Aviatik-Experte Andreas Wittmer der Nachrichtenagentur AWP. Kunden erhielten Zugang zum globalen Lufthansa-Netzwerk und bessere Anschlüsse.

Die Swiss profitierte im Verbund von gemeinsamen Flugzeugeinkäufen, der Weiterentwicklung der Kabinenausstattung oder von neuen Technologien etwa für nachhaltigen Treibstoff. Die Airline trat dank der Lufthansa zum Luftfahrt-Bündnis Star Alliance bei. So konnte sie Kosten senken und den Kunden ein grösseres Streckennetz mit mehr Destinationen und häufigeren Frequenzen anbieten.

Der frühere Finanzminister Hans-Rudolf Merz hielt das für die beste Lösung. Zu keiner Zeit sei dem Bund eine attraktivere Offerte vorgelegen als jene der Lufthansa, sagte er nach der Übernahme. Ein Alleingang hätte kaum zum Erfolg geführt, da sich die umfangreichen Synergiegewinne mit Lufthansa nicht eingestellt hätten, so der Bundesrat.

Kaufpreis hing vom Erfolg ab
Dennoch gab es Kritik. Die mit Milliarden-Staatsgeld aufgebaute Airline werde ins Ausland «verscherbelt», hiess es. Tatsächlich erhielten die Grossaktionäre von der Lufthansa zunächst kein Geld, sondern sogenannte Besserungsscheine. Sie mussten auf eine spätere Entschädigung hoffen, wenn sich die Airline besser als die Konkurrenz entwickelt. Drei Jahre später war Zahltag, und die Lufthansa warf letztlich 339 Millionen Franken für die Swiss auf.

«Im Nachhinein war es natürlich ein sehr kleiner Preis», sagte Andreas Wittmer von der Universität St. Gallen. «Aber es stellt sich immer die Frage, wie alles gekommen wäre ohne diese Übernahme. Vielleicht wäre dann die Swiss gar nicht mehr da.»

Von Beginn weg betonten die deutschen Manager, dass Swiss als Premium-Airline bestehen bleibt. «Swiss bleibt Swiss – auch mit Lufthansa», sagte Lufthansa-Verwaltungsratspräsident Wolfgang Mayrhuber bei der Unterzeichnung.

Es gab Sorgen, dass Lufthansa den Verkehr von Zürich nach München oder Frankfurt verlagert. Doch das Gegenteil passierte: Swiss wurde die profitabelste Airline im Konzern und überholte nach wenigen Jahren sogar ihre Vorgängerin Swissair.

Die Swiss hebt sich mit «Swissness» von den Schwesterfirmen innerhalb des Konzerns ab. Und sie kann von der kaufkräftigen Kundschaft in der Schweiz höhere Preise verlangen.

Stark gewachsen
Im vorletzten Jahr schrieb die Swiss mit einem Umsatz von 5,3 Milliarden und einem operativen Gewinn von 718,5 Millionen Franken das beste Ergebnis in ihrer Geschichte. Sie beschäftigte gut 8600 Mitarbeitende und beförderte mit 88 Flugzeugen 16,5 Millionen Passagiere.

Zum Vergleich: Im Übernahmejahr hatte die Airline noch mit einem Betriebsverlust von 14 Millionen bei einem Umsatz von 3,7 Milliarden Franken gekämpft. Sie hatte 6200 Mitarbeitende, 72 Flieger in Betrieb und 9,6 Millionen Passagiere gezählt.

Nun könnte sich die Geschichte mit der italienischen Staatsairline Italia Trasporto Aereo (Ita) wiederholen. Nach jahrelangen Verhandlungen übernahm Lufthansa im Januar 41 Prozent der Alitalia-Nachfolgerin – der grösste Zukauf in der Lufthansa-Geschichte. Bis 2033 soll die Komplettübernahme für 829 Millionen Euro erfolgen.

Fünf privatisierte Staatsairlines unter Lufthansa-Flügel
Experten zufolge ist die Situation mit Ita allerdings nicht dieselbe wie mit der Swiss. Alitalia und dann Ita hätten es über viele Jahrzehnte nicht geschafft, erfolgreich zu sein. Die staatliche Einflussnahme habe verhindert, dass das Unternehmen sich nach Marktgegebenheiten habe entwickeln können, sagte Aviatik-Experte Wittmer.

Die Lufthansa ist jedoch erfahren bei der Integration anderer Airlines. Unter den Lufthansa-Flügeln fliegen mittlerweile fünf privatisierte Staatsairlines: Lufthansa selbst, Swiss, Austrian, Brussels Airlines und Ita. (awp/mc/ps)

Lufthansa Group

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