Reaktor des AKW Leibstadt. (Bild: KKW Leibstadt)
Brugg AG – Der Reaktordruckbehälter des Kernkraftwerks Leibstadt besteht aus warmgewalzten Platten. Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI schliesst deshalb Befunde, wie sie im belgischen Kernkraftwerk Doel 3 entdeckt wurden, weitgehend aus. Aus diesem Grund muss der Druckbehälter nicht wie die geschmiedeten Ringe der Kernkraftwerke Gösgen, Beznau und Mühleberg vertieft überprüft werden.
Das Kernkraftwerk Leibstadt war zwar auf der von der belgischen Aufsichtsbehörde publizierten Liste aufgeführt, unterscheidet sich aber sowohl bezüglich Hersteller als auch bezüglich Herstellungsprozess von den belgischen Reaktoren. Für die zylindrischen Mantelringe, den gewölbten Boden und für den Deckel des Reaktordruckbehälters wurde kein geschmiedetes, sondern warmgewalztes Material verwendet. Dies geht aus den Unterlagen hervor, die das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI im Sommer 2012 vom Betreiber des Kernkraftwerks Leibstadt angefordert hatte.
Die belgische Aufsichtsbehörde FANC hat nach dem Entdecken der Befunde umfangreiche Untersuchungen zur Doel-Thematik durchgeführt. Die ursprüngliche Annahme, dass die Befunde auf Qualitätsmängel beim Schmieden zurückzuführen sind, wurde nach den bisherigen Erkenntnissen bestätigt. Deshalb ist das Kernkraftwerk Leibstadt bis auf weiteres von der Empfehlung der Western European Nuclear Regulators Association WENRA nicht betroffen.
Rasch Informationen angefordert
Als im Sommer 2012 bekannt wurde, dass in den Reaktordruckbehältern der belgischen Kernkraftwerke Doel 3 und Tihange 2 Befunde entdeckt worden waren, verlangte das ENSI sehr rasch von den Kernkraftwerken Leibstadt und Mühleberg Information über die Herstellung, Abnahme sowie Angaben zu den bisherigen Wiederholungs- und Sonderprüfungen ihrer Druckbehälter. Ende 2012 weitete das ENSI die Forderung auf die anderen Anlagen in der Schweiz aus. Mit den Angaben sollte eine mögliche Übertragbarkeit der Doel-Thematik auf die Anlagen in der Schweiz überprüft werden.
Im Sommer 2013 verlangte das ENSI von den Betreibern der Kernkraftwerke Mühleberg, Beznau und Gösgen, dass sie das Grundmaterial der Reaktordruckbehälter nach möglichen Fehlern untersuchen. Die Untersuchung mittels Ultraschall soll im Rahmen der nächsten Wiederholungsprüfung der Schweissnähte des Reaktordruckbehälters im Laufe der nächsten drei Jahre erfolgen. Das ENSI setzt mit dieser Forderung eine Empfehlung der WENRA um. Die WENRA hatte sich mit den Befunden in Belgien befasst. (ENSI/mc/ps)
Geschmiedete Ringe
Die Reaktordruckbehälter in den belgischen Reaktoren wurden aus geschmiedeten, nahtlosen Ringen hergestellt. Diese Teile werden aus grossen Blöcken gefertigt, die im Elektroofen erschmolzen und unter Vakuum abgegossen werden. Die Anzeigen in den belgischen Reaktordruckbehältern lassen sich nach den vorliegenden Erkenntnissen auf Wasserstoffflocken (hydrogen flakes) zurückführen. Diese können in Entmischungszonen (Seigerungen, örtliche Zu- oder Abnahme bestimmter Elemente) auftreten, die durch den Abguss und die Erstarrung des Stahlblockes entstehen. Massgeblich zum Abbau der Wasserstoffanreicherungen sind der Zeitpunkt und die Art der Wärmebehandlung (Wasserstoffarmglühen) beim und nach dem Schmiedevorgang.
Gewalzte Ringe
Der Ringe des Reaktordruckbehälters in Leibstadt bestehen aus warmgewalzten Platten, die längs verschweisst wurden. Das Walzmaterial wurde überwiegend in Frankreich und teilweise in Japan hergestellt. Die Temperaturen und Drücke in Siedewasserreaktoren, wie in Leibstadt, sind niedriger als in Druckwasserreaktoren, wie in Doel und Tihange, so dass die Reaktordruckbehälter geringere Wanddicken aufweisen. Durch die geringere Grösse und Dicke der Platten im Vergleich zu den Schmiedeblöcken ist die Wahrscheinlichkeit für unzulässige Seigerungen in den warmgewalzten Platten sehr gering. Auch ermöglichen die geringeren Abmessungen eine bessere Wasserstoff-Entgasung bei der Wärmebehandlung.