Zürich – Der US-Konzern General Electric (GE) – seit zwei Monaten im Besitz der früheren Energiesparte von Alstom – baut bei der neu übernommenen Sparte Stellen ab: In der Schweiz 1300, in ganz Europa 6500. Das ist eine Überraschung – auch für Bundesrat Johann Schneider-Ammann.
Der Wirtschaftsminister hat am Dienstagabend von dem Entscheid erfahren. Er zeigte sich am Mittwoch vor Journalisten in Bern betroffen. Im Juli 2014 war Schneider-Ammann nach Gesprächen mit der Spitze der französischen Alstom noch davon ausgegangen, dass es keinen Stellenabbau geben werde. Inzwischen hat sich das Blatt gewendet. Laut Schneider-Ammann haben sich die Märkte verändert, die Rahmenbedingungen seien nicht mehr die gleichen. «So gesehen muss man ein gewisses Verständnis haben», sagte er. Obwohl die Situation für die Betroffenen dramatisch sei.
«Bis zu 1300 Stellen» würden in der Schweiz «potentiell» wegfallen, heisst es einer Mitteilung von GE vom Mittwoch. Betroffen seien vor allem die Standorte Baden, Birr, Dättwil, Turgi und Oberentfelden, allesamt im Kanton Aargau. Der Aargauer Volkswirtschaftsdirektor Urs Hofmann sprach von einem «harten Schlag». Den Gewerkschaften Syna und Angestellte Schweiz zufolge sind es genau 1305 Jobs, die GE streichen will. Das wäre fast ein Viertel aller 5500 Stellen in der Schweiz.
6500 Stellen europaweit
Europaweit sollen 6’500 der insgesamt 35’000 Jobs gestrichen werden, wie ein GE-Sprecher sagte. In Deutschland sind es 1700 Jobs und damit rund 15% aller 11’000 Mitarbeiter. In Frankreich sollen 765 Stellen gestrichen werden – rund 9% der 9000 Angestellten. Den Abbau begründet der US-Konzern in seiner Mitteilung mit «Problemen der Wettbewerbsfähigkeit». Diese müssten behoben werden. Anpassungen seien nötig, weil die Stromerzeugung mit Gas- und Dampfturbinen in Europa deutlich zurückgegangen sei.
Laut Informationen der Syna will GE die Produktion von Gasturbinen in der Schweiz aufgeben. Sie solle am Standort im französischen Belfort konzentriert werden. In der Schweiz verbleiben, teils auch neu angesiedelt werden, solle die Wartung der Turbinen. Der US-Konzern teilte mit, es seien keine Standortschliessungen in der Schweiz vorgesehen. Die Produktion von Rotoren und Austauschteilen in der Fabrik in Birr werde weitergeführt.
GE hatte die Energiesparte von Alstom erst letzten November definitiv übernommen. Vorausgegangen war ein spektakulärer Bieterkampf. Auch die deutsche Siemens hatte sich für die Sparte interessiert. Doch die Amerikaner setzten sich schliesslich durch.
Syna kritisiert Schweizer Politik
Während der Verhandlungen hatte die französische Regierung, die ein grosses Aktienpaket an Alstom übernommen hatte, bei GE auf einen Erhalt der Arbeitsplätze in Frankreich gedrängt. GE versprach deshalb, in Frankreich tausend neue Jobs zu schaffen. An diesem Ziel werde trotz der nun beschlossenen Kürzungen festgehalten, sagte der GE-Sprecher.
Anders als Frankreich habe die Schweiz zu wenig gemacht, um die hiesigen Stellen zu sichern, rügte die Gewerkschaft Syna. Die Schweizer Politik «mit ihrer gänzlich fehlenden Industriestrategie» habe «nicht den kleinsten Finger gekrümmt», so die Gewerkschaft. Diesen Vorwurf liess Schneider-Ammann nicht auf sich sitzen. Er habe den Unternehmen die Vorteile des Standorts Schweiz erläutert, sagte er vor den Medien. Zudem hätten die Unternehmen Wort gehalten, indem sie zwei Hauptquartiere in die Schweiz verlagert hätten. Der Wirtschaftsminister hofft, dass der Schaden für den Standort Schweiz in Grenzen gehalten werden kann. Dafür brauche es Gespräche der Sozialpartner.
«American style of management»
Die Arbeitnehmerseite der Sozialpartner ist naturgemäss alles andere als erfreut über den Entscheid: Von einem «Kahlschlag» ist die Rede, von einem «Schlag ins Gesicht aller Angestellten» und von der «Gewinnoptimierung», die über alles andere gestellt werde. Die Angestellten Schweiz kritisieren, der «american style of management» sei nun definitiv auf dem Werkplatz Schweiz angekommen. Syna und Unia wollen sich für den Erhalt der Arbeitsplätze einsetzen. Alle fordern sie zudem ein Eingreifen der Politik. Sie müsse eine Deindustrialisierung verhindern.
(awp/mc/pg)