Amtshilfe: Bundesrat legt Anpassungen Parlament vor
EFD-Vorsteherin Eveline Widmer-Schlumpf.
Bern – Die Schweiz soll künftig in Steuersachen auch dann Amtshilfe leisten, wenn der Name der verdächtigten Person nicht genannt wird. Der Bundesrat legt diese angekündigte Anpassung dem Parlament vor. Er hat am Mittwoch die Botschaft dazu verabschiedet.
Die vom Parlament bereits genehmigten Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) sollen mit einer Auslegungsklausel ergänzt werden. Diese besagt, dass die Anforderungen an ein Amtshilfegesuch einen wirksamen Informationsaustausch nicht behindern dürfen. Das Parlament soll das Finanzdepartement (EFD) ermächtigen, die Klausel mit den betreffenden Staaten in geeigneter Form bilateral zu vereinbaren. Die Schweiz will künftig Amtshilfegesuchen nachkommen, wenn der ersuchende Staat den Steuerpflichtigen identifiziert, wobei diese Identifikation auch auf andere Weise als durch Name und Adresse erfolgen kann. Den Namen und die Adresse der Bank soll der ersuchende Staat angeben, soweit sie ihm bekannt sind. Bei fehlenden Angaben zur Bank leistet die Schweiz Amtshilfe, wenn die Gesuche «den Grundsätzen der Verhältnismässigkeit und Durchführbarkeit» entsprechen. «Fishing-Expeditions» – Anfragen auf gut Glück – bleiben ausgeschlossen.
«Amtshilfe nur im Einzelfall»
Der Bundesrat hält fest, auch nach der Anpassung werde Amtshilfe nur im Einzelfall und auf begründete Anfrage hin gewährt. Im Regelfall würden Steuerpflichtige und Banken auch künftig durch Name und Adresse identifiziert. Das Parlament war bei der Genehmigung der Doppelbesteuerung davon ausgegangen, dass die Nennung des Namens zwingend ist. Es muss deshalb die neue Interpretation genehmigen. Der Bundesrat legt den Räten zu jedem Abkommen einen ergänzenden Bundesbeschluss über die Auslegungsklausel und deren Interpretation vor. Bei unterzeichneten Abkommen, welche noch nicht dem Parlament vorgelegt wurden und keine Auslegungsklausel enthalten, will der Bundesrat mit dem Partnerstaat nachverhandeln.
EFD: Schwarze OECD-Liste droht erneut
Mit der Anpassung der Amtshilfe bekenne sich die Schweiz zu gleichen Rahmenbedingungen für alle Staaten, schreibt das Finanzdepartement (EFD). Sie vermindere damit das Risiko für ein Scheitern im laufenden Überprüfungsprozess auf OECD-Ebene. Der Schweiz drohte die Gefahr, erneut auf einer schwarzen Liste von unkooperativen Staaten zu landen, wie Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf im Februar bekannt gegeben hatte. Vor zwei Jahren hatte der Bundesrat auf Druck aus dem Ausland beschlossen, das Bankgeheimnis aufzuweichen und künftig nicht nur bei Steuerbetrug, sondern auch bei Steuerhinterziehung Amtshilfe zu leisten. In der Folge handelte er entsprechende Doppelbesteuerungsabkommen aus.
Kritik und Skepsis
Dabei legte die Schweiz aber die Amtshilferegeln der OECD zu restriktiv aus. Als Widmer-Schlumpf dies im Februar bekannt gab, erntete sie viel Kritik: Es sei unverständlich, dass der Bundesrat nicht vor dem Abschluss neuer Doppelbesteuerungsabkommen abgeklärt habe, was die OECD genau verlange, lautete der Tenor. Auch die Wirtschaftskommission des Nationalrates (WAK) zeigte sich skeptisch. Sie lehnte es ab, die angepassten Abkommen bereits in der Frühjahrssession im Nationalrat zu behandeln. Schliesslich lenkte die Kommission aber ein. Mit 18 zu 6 Stimmen bei einer Enthaltung sprach sie sich jüngst eine Anpassung der Abkommen aus. Die Mehrheit der Kommission hält den Schritt für nötig: Nach der Anhörung von Experten sei sie zum Schluss gekommen, dass es für die Schweiz nur Nachteile brächte, wenn erneut festgestellt würde, dass die Amtshilfe-Praxis nicht OECD-konform sei.
Steuerexperten fordern schärfere OECD-Regeln
Derweil fordern aber Steuerexperten die OECD und die G20-Staaten dazu auf, mit schärferen Regeln gegen Steuerparadiese vorzugehen. Den grossen Ankündigungen vor zwei Jahren zum Ende der «Ära des Bankgeheimnisses» seien nur wenige Taten gefolgt, kritisieren Nicholas Shaxson und John Christensen in einem Kommentar in der «Financial Times». Im April 2009 waren Länder wie die Schweiz und Österreich auf einer grauen Liste der OECD gelandet. Die Liste hatte die OECD auf Geheiss der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) erstellt. Nachdem diese Länder die von der OECD geforderten zwölf Doppelbesteuerungsabkommen zum Informationsaustausch auf Anfrage nach OECD-Standards unterzeichnet hatten, wurden sie von der Liste gestrichen. Für Shaxson und Christensen ist klar, dass das G20- und OECD-Vorgehen so wenig gefruchtet hat, weil die grössten Vertreter von Geheimniskrämerei im Finanzmarkt auch die höchsten Summen an illegalem Geld einnähmen. Dazu gehörten die USA, Grossbritannien, die Schweiz und Luxemburg.
Platz auf weisser Liste gegen 60 DBA
Die beiden fordern nun von der OECD schärfere Regeln. Um auf eine weisse Liste zu kommen, sollten Länder mindestens 60 Doppelbesteuerungsabkommen abschliessen müssen. Die OECD solle zudem regelmässig Informationen über die Menge an ausgetauschter Daten veröffentlichen. Noch besser wäre nach Ansicht der Experten ein «neues System des automatischen Informationsaustausches» nach dem Vorbild der EU-Zinsbesteuerungsrichtlinie. Steuerhinterziehung müsse strafbar werden, auch für die Vermittler solcher Aktionen. Shaxson arbeitet in der anerkannten britischen Denkfabrik Chatham House in London. Christensen ist Geschäftsführer des Netzwerks für Steuergerechtigkeit und war früher als Wirtschaftsberater für die britische Kanalinsel Jersey tätig. (awp/mc/upd/ps)