Anhaltende Frankenstärke drückt auf Geschäftsklima

Bruno Chiomento

Bruno Chiomento, Verwaltungsratspräsident EY Schweiz. (Foto: EY)

Bruno Chiomento, CEO EY Schweiz. (Foto: EY)

Zürich – Die anhaltende Frankenstärke hinterlässt Spuren: Die mittelständischen Schweizer Unternehmen schätzen die eigene Lage kritischer ein als in den Vorjahren. Im Vergleich zur Umfrage kurz nach der Aufhebung der Währungsuntergrenze zum Euro wird die Geschäftslage zwar wieder leicht positiver eingeschätzt, allerdings befinden sich aktuell mehr Unternehmen in einer kritischen Lage. Die Zukunft sieht nicht besser aus, erstmals seit 2012 überwiegen gemäss dem EY-Unternehmensbarometer die Konjunkturpessimisten. Die grosse Mehrheit der Unternehmen hat nach einem Jahr Frankenstärke Massnahmen ergriffen: Jedes fünfte der 700 befragten Unternehmen baut Personal ab oder verlagert Tätigkeiten ins Ausland. Weiter stehen Innovation, Qualität und Effizienz sowie die Erschliessung neuer Märkte im Fokus.

Ein Jahr nach dem Entscheid der Schweizerischen Nationalbank zur Aufhebung des Euro-Mindestkurses zeigen sich weitere Auswirkungen bei den Schweizer Unternehmen. Das Geschäftsklima in der Schweiz hat sich gemäss dem halbjährlichen Unternehmensbarometer der Beratungs- und Prüfungsgesellschaft EY merklich eingetrübt. Zwar bewertet die grosse Mehrheit der Unternehmen (86 Prozent) ihre aktuelle Geschäftslage als positiv, und auch die Prognosen zur Umsatz- und Geschäftsentwicklung bleiben knapp zuversichtlich. Die Unternehmen schätzen ihre eigene Lage aber als weniger stabil ein und rechnen für das laufende Jahr mit einem Abschwung.

Der Anteil der Konjunkturpessimisten hat sich gegenüber Januar 2015 von 13 auf 26 Prozent verdoppelt, während der Anteil der Optimisten leicht, auf 23 Prozent, gesunken ist. Erstmals seit Januar 2012 überwiegt damit wieder der Anteil der Skeptiker, die von einer Verschlechterung der Wirtschaftslage für die kommenden sechs Monate ausgehen. Neben der Währungsstärke ist denn auch die stotternde Konjunktur in der Schweiz die Hauptsorge der Unternehmen. «Der starke Franken geht nicht spurlos an den mittelständischen Unternehmen vorbei. Es wurden zwar die richtigen Entscheide getroffen und rasch Massnahmen eingeleitet, diese sind aber oft mit spürbaren Einschnitten verbunden», schätzt Bruno Chiomento, CEO von EY Schweiz, die Resultate ein.

Bei der Auswertung zeigen sich klare regionale Unterschiede: Während in der Italienischen Schweiz 48 und in der Westschweiz 44 Prozent der Befragten mit einer verbesserten Geschäftslage rechnen, sind es in der Deutschschweiz nur 31 Prozent. Zudem geht einzig die Deutschschweiz von einer Verschlechterung der Wirtschaftslage aus.

Moderates Umsatzwachstum prognostiziert
Obwohl gewisse Zukunftsängste spürbar sind, rechnen von den 700 befragten Unternehmen für das laufende Jahr nur 11 Prozent mit tieferen Umsätzen, das ist beinahe derselbe Wert wie vor Jahresfrist und liegt deutlich unter der pessimistischen Einschätzung vom Mai 2015, als fast ein Drittel mit Umsatzrückgängen gerechnet hatte. Beinahe zwei von drei Unternehmen in der Schweiz legen ihren Fokus in den kommenden Monaten auf Stabilität. Bei 28 Prozent  der Unternehmen bestimmen wachstumsorientierte Strategien die Unternehmensagenda, im Vorjahr waren es noch 33 Prozent. «Diese Ergebnisse lassen darauf schliessen, dass die Unternehmen darauf aus sind, ihre Umsätze möglichst halten zu können und keine Kunden zu verlieren. Das dürfte sich aber negativ auf die Unternehmensgewinne auswirken», sagt Chiomento.

Investitionsdynamik geht zurück
Trotz der durchwachsenen Konjunkturerwartungen wollen die Unternehmen weiterhin vorsichtig investieren und rechnen sogar damit, zusätzliche Stellen zu schaffen. Allerdings sinkt die Investitionsdynamik auf den niedrigsten Wert seit 2009. Im Gegensatz dazu dürfte die Beschäftigungsdynamik im Vergleich zum Vorjahr leicht steigen. Die Dienstleistungsunternehmen wollen am meisten neue Leute anstellen. Der Fachkräftemangel bleibt trotz einer leichten Entspannung ein Problem: Gut jedem zweiten Unternehmen fällt es schwer, geeignete Fachkräfte zu rekrutieren, vor allem im technischen Sektor.

«In schwierigen Zeiten konzentrieren sich die Unternehmen auf die wichtigsten Investitionen. Es ist aber beruhigend zu sehen, dass sie weiterhin neue Arbeitsplätze schaffen wollen. Der Fachkräftemangel scheint sich langsam wieder zu entschärfen, je nach Zuwanderungs­regulierung und Konjunkturentwicklung kann dies aber schnell ändern. Es ist nach wie vor wichtig, flexible Arbeitszeitmodelle anzubieten und die Diversität der Arbeitenden zu fördern», sagt Chiomento.

Personalabbau und Auslagerungen
Obwohl nicht alle der 700 befragten Unternehmen gleich stark von der Frankenstärke betroffen sind und nur ein Drittel im Ausland tätig ist, haben viele Unternehmen Massnahmen eingeleitet. Ein Grossteil begegnet der Frankenstärke mit gezielten Programmen zur Verbesserung von Qualität und Innovationskraft, zur Senkung der Kosten beziehungsweise Steigerungen der Effizienz. Viele Unternehmen haben diese Massnahmen bereits kurz nach dem plötzlichen Erstarken des Schweizer Frankens ergriffen. Über die Hälfte der Unternehmen will neue Märkte oder Kundensegmente erschliessen.

Viele Unternehmen setzen auch bei den Personalkosten an: 30 Prozent stellen keine neuen Mitarbeitenden mehr ein, 22 Prozent wollen dieses Jahr Personal abbauen oder sind bereits dran. Bei 15 Prozent aller befragten Unternehmen sind Lohnkürzungen ein Thema und 21 Prozent wollen im 2016 Kurzarbeit umsetzen: Beide Massnahmen werden doppelt so häufig genannt wie noch im Mai 2015. «Auch die Mitarbeitenden bekommen den starken Franken zu spüren. Viele Geschäftsführende haben nach dem Frankenschock nicht sofort beim Personal angesetzt. Inzwischen rechnen sie aber nicht mehr mit einer relevanten Aufwertung des Frankens und haben darum einschneidende Massnahmen ergriffen und umgesetzt. Dieses Vorgehen ist bei vielen Unternehmen sinnvoll, um den langfristigen Erfolg oder gar das Überleben zu sichern», beurteilt Chiomento die Ergebnisse der Umfrage.

Preissenkungen und finanzielle Entlastungen
Weiter hat über ein Drittel der Unternehmen die Preise der eigenen Produkte und Dienstleistungen gesenkt oder ist daran, dies umzusetzen. Und ein knappes Drittel will vermehrt im Ausland Waren und Dienstleistungen beschaffen, um der Frankenstärke zu trotzen. Die Behörden sollen die Bemühungen der Unternehmen konkret unterstützen; und zwar mit finanzieller Entlastung der von der Frankenstärke betroffenen Branchen sowie mit Förderprogrammen, um Innovation zu ermöglichen und neue Arbeitszeitmodelle zu promoten. Rund 35 bis 40 Prozent fordern dies. Gleichzeitig sollen aber auch Regulation und Administration abgebaut werden, wie über ein Drittel der Unternehmen befürwortet. Immerhin ein Viertel verlangt von der Nationalbank, dass sie die Kursschwankungen wieder ausgleichen soll. Die Unternehmen rechnen nicht mit grösseren Kursschwankungen und gehen für Ende 2016 von einem Eurokurs von rund CHF 1.08 aus.

«Das EY-Unternehmensbarometer zeigt, dass die Unternehmer sorgfältig und selbständig auf die Frankenstärke reagieren und nicht nach Hilfe vom Staat verlangen. Die Situation ist nach wie vor eine Belastung für viele Branchen und wird den Strukturwandel der Schweizer Wirtschaft beschleunigen. Ich bin aber zuversichtlich, dass die Talsohle bis Ende des laufenden Jahres durchschritten sein wird», so der CEO von EY, Bruno Chiomento. (EY/mc/ps)

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