Verkehrsministerin Doris Leuthard am WEF in Davos. (swiss-image.ch)
Davos – Die meisten Bundesrätinnen und Bundesräte sind dieses Jahr mit einer vollen Agenda ans Weltwirtschaftsforum (WEF) gereist. Schwierige Verhandlungen führten vor allem Eveline Widmer-Schlumpf und Doris Leuthard. Ihre durchzogene Bilanz zeigt, wie schwer der Stand der Schweiz nach wie vor ist.
Exemplarisch ist der Fall der Bank Wegelin mitten in Gesprächen über den Steuerstreit mit den USA: Am Donnerstag hatte Widmer-Schlumpf in Davos US-Finanzminister Timothy Geithner getroffen. Im Anschluss verkündete die Bundespräsidentin optimistisch, sie rechne mit einer Lösung des Steuerstreits noch vor Ende Jahr.
Tags darauf brach die Privatbank Wegelin unter dem Druck der Ermittlungen in den USA zusammen. Die Zerschlagung des traditionsreichen Instituts lässt erahnen, wie ungemütlich Widmer-Schlumpfs Position bei den Verhandlungen mit den USA ist. Ein Urteil war nicht nötig; die Klage gegen einige Mitarbeiter genügte, um ein jahrhundertealtes Bankhaus zum Einsturz zu bringen.
Weitere Banken gefährdet
Neben Wegelin sind zehn weitere Schweizer Banken im Visier der US-Steuerbehörde – darunter die Grossbank Credit Suisse. Das kann Widmer-Schlumpf nicht auf die leichte Schulter nehmen. Noch am Donnerstag hatte sie von Geithner ausdrücklich gefordert, dass die USA ihren Teil zu einer Globallösung beitragen. Am Samstag tönte es etwas kleinlauter: Es gelte nun zu verhindern, dass andere Banken in die gleiche Situation wie Wegelin gerieten.
Widerstand gegen Steuerabkommen in Berlin und Brüssel
Das Steuerabkommen mit Deutschland war das zweite schwierige Dossier, das Widmer-Schlumpf ans WEF mitbrachte. Mit ihrem deutschen Amtskollegen Wolfgang Schäuble, den sie dort traf, hat sie sich bereits geeinigt. Umso grösser ist der Widerstand in Deutschland und in Brüssel.
Widmer-Schlumpf machte nach dem Gespräch mit Schäuble zwar deutlich, dass für Nachverhandlungen kein Spielraum bestehe. Aber nun könnte sie von unerwarteter Seite unter Druck kommen. Neuerdings ist die EU-Kommission nämlich selber daran interessiert, mit der Schweiz über eine Abgeltungssteuer zu diskutieren, wie Widmer-Schlumpf sagte. Bisher war lediglich von einer Anpassung des Zinsbesteuerungsabkommens die Rede gewesen. Wird daraus eine Lösung nach dem Vorbild des Steuerabkommens mit Deutschland, wird es teuer für die Schweizer Banken.
Zugeständnisse im Fluglärmstreit
Bundesrätin Doris Leuthard kann immerhin einen vorzeigbaren Erfolg aus Davos mit nach Hause nehmen. Mit dem deutschen Verkehrsminister Peter Ramsauer unterzeichnete sie am Samstag eine Absichtserklärung, die eine Lösung im Jahrzehnte alten Fluglärmstreit bringen könnte. Dabei musste die Verkehrsministerin aber substanzielle Zugeständnisse machen. Künftig sollen weniger Flugzeuge Kloten von Norden her anfliegen dürfen. Und für etwas mehr Ruhe am Morgen und am Abend hätten die Schweizer Gemeinden gemäss der Vereinbarung tagsüber umso mehr Fluglärm zu ertragen.
Auch für Leuthard war das WEF aber alles andere als ein Spaziergang. Noch dieses Jahr möchte sie das Stromabkommen mit der EU unter Dach und Fach bringen. So wichtig dieses für die Schweizer Energiewirtschaft und für die neue Energiepolitik ist, so umstritten ist es wegen technischer Fragen.
Seit kurzem soll es auch noch als Modellfall für die Weiterentwicklung des Verhältnisses zur EU herhalten. Nach dem Treffen mit EU-Kommissar Günther Öttinger am Rand des WEF bekräftigte Leuthard zwar, das Abkommen noch 2012 abschliessen zu wollen. Selbst wenn ihr das gelingt, steht ihr in der Schweiz aber eine harte politische Voraussetzung bevor.
Auch Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann absolvierte in Davos einen wahren Gesprächsmarathon. Ein Prestigeerfolg blieb ihm aber verwehrt: Er hatte am Samstag zu einem informellen WTO-Treffen geladen, das jedoch ohne greifbaren Erfolg ausging. (awp/mc/pg)