Valentin Vogt, Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes.
Bern – Der Schweizer Wirtschaft geht es trotz Schuldenkrise erstaunlich gut. Trotz positivem Gesamteindruck gebe es aber auch Schatten, sagte Valentin Vogt, Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverbands (SAV). Der überbewertete Franken hinterlasse bei der Exportwirtschaft «durchaus und zunehmend seine Spuren», sagte Vogt am Freitag am Arbeitgebertag in Bern. Für den SAV ist der Euro-Mindestkurs von 1,20 Franken zwingend: Die Wirtschaft sei auf Planungssicherheit angewiesen, sonst drohe ein Vertrauensverlust mit verheerenden Folgen.
«Ich kann deshalb absolut nicht verstehen, wie gewisse Rentner-Banker, Finanzprofessoren oder Verbandsfunktionäre in dieser angespannten Situation eine Diskussion über die von der Nationalbank festgelegten Untergrenze des Franken-Euro-Kurses vom Zaun reissen», sagte Vogt, der vor einem Jahr die Nachfolge des langjährigen Präsidenten Rudolf Stämpfli angetreten hatte.
Der Mindestkurs war in den letzten Wochen verschiedentlich öffentlich kritisiert worden, unter anderem von Ex-UBS-Chef Oswald Grübel, Professor Martin Janssen und von Gewerbeverbandsdirektor Hans-Ulrich Bigler.
Gefährdete Erfolgsfaktoren
Insgesamt präsentiert sich die Lage der Schweizer Wirtschaft gemäss Vogt aber erfreulich. Einen Schlüsselfaktor dafür sieht er im hiesigen Arbeitsmarkt. «Unser Land hat den heutigen Wohlstand erreicht, weil viele seiner Einwohner viel arbeiten.» Die Schweiz verdanke ihre starke Position dem liberalen und offenen Arbeitsmarkt. Zum Erfolg tragen laut Vogt zudem die Mischung aus akademischer und Berufsbildung, die Sozialpartnerschaft sowie die Personenfreizügigkeit mit der EU bei.
Der SAV-Präsident sieht diese Erfolgsfaktoren aber bedroht, unter anderem durch die 1:12-Initiative der Jungsozialisten und die Mindestlohn-Initiative des Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB). Letztere sei «ein klassischer sozialpolitischer Rohrkrepierer», sagte Vogt vor den Patrons. «In vielen Fällen käme es zur Wegrationalisierung oder zum Export von Arbeitsplätzen.»
Personenfreizügigkeit positiv für die Wirtschaft
Der SAV wehrt sich zudem gegen Angriffe auf die Personenfreizügigkeit und insbesondere gegen die Zuwanderungsinitiative der SVP. Die Freizügigkeit sei positiv für die Wirtschaft und auch für die Sozialwerke eher vorteilhaft, sagte Vogt.
Berset: «Schweizer Zauberformel»
Bundesrat Alain Berset verwies als Gastreferent vor den Arbeitgebern auf die Vorzüge von Sozialpartnerschaft und Sozialstaat: «Die Schweiz versteht es wie kaum ein anderes Land, eine Balance zwischen Wettbewerbsfähigkeit und sozialem Zusammenhalt zu halten.» Das sei die wahre helvetische Zauberformel. Der Sozialstaat gerate aber immer mehr in die Defensive, dabei brauche es ihn auch im 21. Jahrhundert. Unter anderem die demografische Entwicklung zwinge aber zum Handeln: Es sei notwendig, die Sozialwerke zu reformieren, sagte der Bundesrat.
Die Wirtschaft warte auf Reformen, sagte SAV-Direktor Thomas Daum an die Adresse von Berset. Dieser entgegnete, da so viele Menschen betroffen seien, müsse erst eine solide und stabile Mehrheit gefunden werden. «Ich verhandle lieber sechs Monate länger, als am Schluss zu scheitern», sagte Berset und verwies auf die Abstimmungen über die jüngst gescheiterte Managed-Care-Vorlage und den vor zwei Jahren abgelehnten tieferen Umwandlungssatz für Pensionskassenrenten.
Neue Vorstandsmitglieder
Der SAV wählte am Freitag neun Personen neu in den Vorstand: Ständerätin Karin Keller-Sutter (FDP/SG), Max Fritz, Barend Fruithof, Markus Jordi, Philip Mosimann, Giulio Pè, Martin Reichle, François Thoenen und Hans C. Werner. (awp/mc/pg)