Bern – Ukraine-Krieg, Energiekrise und Engpässe in den Lieferketten haben am Schweizer Arbeitsmarkt bislang keine Spuren hinterlassen. Die Lage am Arbeitsmarkt ist so gut wie seit Jahren nicht mehr. Die Arbeitslosenquote fiel sogar unter 2 Prozent.
Wie das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) am Freitag mitteilte, waren Ende September bei den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) 89’526 Menschen als arbeitslos registriert. Das waren 1846 weniger als im August und beinahe 31’000 weniger als vor Jahresfrist.
Die Robustheit des Arbeitsmarkts lässt sich auch an der Arbeitslosenquote ablesen: Sie fiel im September erstmals seit Oktober 2001 auf 1,9 Prozent und damit unter die 2-Prozent-Schwelle. Vor einem Jahr hatte die Quote noch 2,6 Prozent betragen und im Februar 2021 war sie im Zuge der Coronakrise bis auf 3,7 Prozent geklettert.
Allgegenwärtiger Fachkräftemangel
Die Arbeitslosenzahlen lägen derzeit auf einem historisch tiefen Niveau, sagte Oliver Schärli, Leiter des Bereichs Arbeitsmarkt/Arbeitslosenversicherung beim Seco, an einer Telefonkonferenz. Die Lage sei in beinahe allen Branchen sehr gut, wobei sie sich zuletzt vor allem im Detailhandel deutlich verbessert habe.
Erfreulich ist laut Schärli die Tatsache, dass sich die Arbeitslosenquote bei Menschen im Alter von über 50 Jahren um 0,1 Prozentpunkte auf 1,9 Prozent verbessert hat. Bei den 15- bis 24-Jährigen lag die Quote bei 2,1 nach zuvor 2,2 Prozent und bei den 25- bis 49-Jährigen bei unverändert 2,0 Prozent.
Die sehr gute Lage am Arbeitsmarkt hat aber auch Schattenseiten. So verschärft sich der Fachkräftemangel zusehends. Für die Unternehmen ist es schwieriger geworden, die freien Stellen mit dafür geeigneten Arbeitskräften zu besetzen. Das werde in den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) breit über alle Branchen hinweg wahrgenommen, sagte Schärli.
Weniger auf Jobsuche
Wie ausgetrocknet der Jobmarkt derzeit in der Schweiz ist, zeigt sich anhand der Daten zur Stellensuche deutlich. Im September nahm die Zahl der auf den RAV registrierten Stellensuchenden laut dem Seco um rund 2000 auf knapp 160’000 ab. Vor Jahresfrist waren es beinahe 50’000 mehr.
Zugleich erhöhte sich die Anzahl der bei den RAV gemeldeten Stellen um 1580 auf knapp 70’000. Von diesen unterlagen beinahe 56’000 der Stellenmeldepflicht für Berufsarten mit einer Arbeitslosenquote von im letzten Jahr mindestens 5 Prozent. Dazu zählen Berufe aus der Hotellerie und Gastronomie oder dem Bau. Die Liste dürfte im kommenden Jahr deutlich kürzer werden.
Kaum mehr eine Rolle spielt das Instrument der Kurzarbeit. Im Juli – die Daten werden mit Verzögerung gemeldet – waren nur noch 1992 Personen in Kurzarbeit. Damit ging die Zahl der Kurzarbeiter gegenüber dem Vormonat Juni um 901 Personen weiter deutlich zurück. Anfang Jahr waren noch knapp 54’000 Menschen in Kurzarbeit.
Leichter Anstieg erwartet
Wie sich die von zahlreichen Ökonomen erwartete Konjunkturabschwächung auf den Arbeitsmarkt auswirken wird, bleibt indes abzuwarten. In der Regel reagiert dieser erst mit einigen Monaten Verzögerung auf Trendwenden in der Wirtschaft. Vor gut zwei Wochen haben auch die Bundesökonomen ihre Prognosen zum BIP-Wachstum für 2022 auf 2,1 von zuvor 2,8 Prozent gesenkt.
Mit Blick auf den Arbeitsmarkt rechnen sie damit, dass die Arbeitslosenquote im laufenden Jahr im Durchschnitt bei 2,2 Prozent liegen wird und im kommenden Jahr auf 2,3 Prozent ansteigen dürfte. (awp/mc/ps)